Zwischen Schein und Sein – Facetten der Couture

 

Die Fotostrecke „Zwischen Schein und Sein“ verbildlicht Ergebnisse studentischer Arbeiten, die in Seminaren an der Universität Paderborn entstanden sind. Der Schwerpunkt lag auf der individuellen Herstellung eines Kleides, bei der unter anderem auch das Thema „Haute Couture“ von einigen der Studierenden aufgegriffen, auf verschiedenste Weise interpretiert und umgesetzt wurde. Diese Interpretationen werden gegenübergestellt und sollen eine Perspektive für das Andere eröffnen.

(FotoS: Lina Offergeld, HEARTDESIGN – WERBUNG UND FOTOGRAFIE )

Schein

 

Sein

Ob im Rahmen eines Seminars, einer Ausstellung oder einer Abschlussarbeit – während des Mode-Textil-Design Studiums bieten sich immer Möglichkeiten selbst gestalterisch zu arbeiten und eigene Ideen in die Tat umzusetzen.

Der gestaltungspraktische Anteil ist einer der drei Grundbausteine des Studiums und eröffnet, neben der kulturwissenschaftlichen, theoretischen Arbeit, einen Raum, in dem eigene Vorstellungen und Entwürfe verwirklicht werden können. Die Herstellung eines Kleidungsstücks nimmt viel Zeit, Geduld und Liebe zum Detail in Anspruch. Am Anfang steht dabei die Ideenfindung, die zum Teil zu einer großen Hürde werden kann. Doch viele der Studierenden suchen für diesen Prozess Hilfe und Inspiration in verschiedenen Medien, wie Modemagazinen, Internetplattformen oder bei anderen Designern. Die Ideen werden dann in Form von Skizzen festgehalten, die solange verworfen und umgearbeitet werden, bis ein finaler Entwurf entsteht. Danach folgt die Entwicklung des Schnittmusters, wobei mit viel Präzision und Sorgfalt gearbeitet werden muss, damit das Kleidungsstück am Ende so aussieht wie der Entwurf und der Trägerin passt. Nach der Fertigstellung des Schnittmusters folgt der meistens zeitintensivste Teil der Herstellung – das Nähen. Für manche der Studierenden waren dabei Vorkenntnisse hilfreich, andere eigneten sich erst während des Herstellungsprozesses das nötige Know-How an. Bei Problemen gab es aber immer die Möglichkeit die Dozentinnen um Rat zu fragen, auch wenn Selbständigkeit gerade in einem gestalterischen Projekt besonders wichtig ist. Viele der studentischen Arbeiten werden für die alljährliche Siloausstellung, für verschiedene Ausstellungen in der KleppArt oder Modenschauen von anderen Studierenden kuratiert und schließlich vor einem breiten Publikum präsentiert. Im Verlauf des Studiums hat man also nicht nur die Chance eigene Ideen und Entwürfe kreativ umzusetzen, sondern wird auch von der Herstellung bis hin zur abschließenden Präsentation von Dozenten und Mitstudierenden begleitet und unterstützt.

Alte Technik neu interpretiert – ein Interview mit Christina Dolbisch

Christina Dolbisch, „La fleur d´or“

Mit seinem ausladenden, vorne kurzen und hinten langem Rock aus beige/schwarzem Stoff sticht das Kleid „La fleur d´or“ jedem Betrachter unmittelbar ins Auge. Doch das Augenmerk fällt dabei auf das außergewöhnlich gestaltete Oberteil des Werkes, das, wie man bei genauerem Hinsehen erkennt, in aufwendiger Kleinstarbeit gehäkelt worden ist. Die 24- jährige Textillehramtsstudentin Christina Dolbisch schafft dabei mit ihrer Arbeit eine Verbindung des Häkelns, als altbekannte Handarbeitstechnik, mit moderner und eleganter „Haute Couture“ Mode.

Doch wie kam es zu dieser Kombination? Die Idee das Häkeln mit zeitgemäßer Mode zu verknüpfen kam Christina im Rahmen eines „Haute Couture“ Seminars, welches sie an der Universität Paderborn belegte. Dort wurde den Studierenden die Aufgabe gestellt, eigenständig ein an die Haute Couture angelehntes Kleid zu entwerfen und dieses selbst herzustellen. Christina wollte dabei mit ihrem Kleid unter Beweis stellen, dass die eher früher verwendete textile Technik des Häkelns nicht nur etwas für ältere Generationen sein kann, sondern auch mit eleganter und schicker „Haute Couture“ Mode kombiniert werden kann.

Der Herstellungsprozess ihres Werkes begann damit, die große Menge an Ideen, welche die Studentin von Beginn an hatte, zu einem vollständigen Entwurf umzuwandeln. Die größte Schwierigkeit während ihrer Arbeit bestand für sie darin, das finale Schnittmuster für ihr Kleid anzufertigen. Dieses musste erst aus verschiedenen einzelnen Teilen zusammengefügt werden. Eine weitere Hürde im Laufe der Herstellung war das Häkeln der Korsage des Kleides. Die Studentin besaß für diesen Arbeitsschritt keine vorher festgelegte Technik, sondern begann einfach mit dem Häkeln. Am Ende dieses Schrittes fügte sie dann die einzelnen Stücke wie bei einem Puzzle zusammen. Das Häkeln als Technik stellte an sich allerdings kein Problem dar. Es bereitete der Studentin im Gegenteil sogar große Freude, wobei es viel Zeit in Anspruch nahm. Auch Näharbeiten, wie beispielsweise am Saum des Kleides waren für sie keine Schwierigkeit, da sie diese Fertigkeit schon zuvor in Seminaren an der Uni erlernt hatte.

Gab es doch einmal Probleme bei der Umsetzung ihrer Ideen, disponierte die Studentin entweder um oder befragte ihre Großmutter, welche für sie immer hilfreiche Ratschläge hatte oder Kritik übte, falls sie eine Idee noch einmal überdenken sollte.

Die Präsentation ihres Werkes erfolgte im Rahmen einer fachpraktischen Prüfung der Textillehramtsstudentin, bei der sie es zusammen mit Werken, die bereits im Verlauf ihres Studiums entstanden waren, in einer Art Geschichte inszenierte.

Mut zum Musterbruch – Gespräch mit Charlotte Kruse

Charlotte Kruse, „Frühstück im Grünen“

Ein glänzendes, elegantes Kleid mit spannendem Schnitt – eng schmiegt es sich an seine Trägerin und spielt durch einen Schlitz am Bein mit den Vorzügen der weiblichen Figur.

Doch etwas stört das harmonische Bild. Giftgrün leuchtet das Kleid in den Raum hinein und beim genaueren Hinsehen erkennt man viele schwarze, echt wirkende Spinnen, die sich unten am Kleid festzukrallen scheinen. Ob die Trägerin schon bemerkt hat, dass sich Spinnen den Weg nach oben bahnen? Fast unmerklich bilden sich Assoziationsketten und innere Bilder von Ekel bis hin zur Faszination. „Frühstück im Grünen“ lautet der Titel des Werkes der 24-jährigen Studentin Charlotte Kruse. Sie studiert im siebten Semester Mode-Textil-Design und Erziehungswissenschaften an der Universität Paderborn.

Was steckt hinter dem Kleid? Dazu trafen wir uns mit Charlotte zu einem Interview. Charlotte berichtete uns, wie sie das Kleid entwickelte. Sie belegte im Sommersemester 2015 ein Haute-Couture Seminar, in welchem die Studierenden vor die Herausforderung gestellt wurden, ein eigenes Couture Kleid zu konzipieren und zu nähen. Die Studentin entschied sich bewusst für einen Bruch, der mit den Vorstellungen des Betrachters von einem klassischen Couture Kleid nicht übereinstimmen sollte. Statt des bekannten prunkvollen und glänzenden Stils der Pariser Haute Couture spiegelt das Kleid „Frühstück im Grünen“ eine schockierende und absurde Situation wieder. Es ist eine provokante und ironische Neuinterpretation von Haute-Couture in der Mode.

Wie war der Verlauf der Arbeit? Die Idee zu diesem Kleid fand und entwickelte sich erst bei der Suche nach einer passenden Schnittvorlage. Die anfängliche Idee eines paillettenbestickten, glamourösen Couture Kleides führte in eine persönliche Sackgasse und an die Grenzen der eigenen Fähigkeiten. Um nicht ins Stocken zu geraten oder zu verzweifeln, erklärt Charlotte, sei es manchmal notwendig, etwas Neues auszuprobieren und seine Stärken zu kennen, um diese nutzen zu können. Sie versuchte demnach nochmal ganz von vorne an die Aufgabe heranzugehen, um für alle gestalterischen Richtungen offen zu sein.

Ihre ursprünglichen Ideen wurden verworfen, nachdem ihr ein bestimmtes Schnittmuster in Erinnerung blieb. Erst durch die ungewöhnliche Stoffauswahl nahm ihre vage Vorstellung immer mehr Gestalt an. Die Idee ist erst im Laufe eines Prozesses entstanden und hat sich immer mehr gefestigt. Sie habe am Anfang auch noch nicht gewusst, wie das fertige Werk werden würde, beschreibt Charlotte bezüglich ihrer Ideenfindung.

Viel Arbeit benötigten die Schmuckspinnen, die mit einzelnen Perlen auf Draht gezogen wurden. Das Nähen selber und die Herausforderung des Schnittmusters stellten einen großen Anreiz dar. Dabei wurden unterschiedliche Herangehensweisen und Techniken im Seminar vermittelt, wobei die Professorin Alexandra Kürtz den Studenten jederzeit als Ansprechpartnerin zur Seite stand.

Die eigentliche Fertigung des Werkes selbst begann erst in den Semesterferien. Ab diesem Zeitpunkt arbeitete Charlotte sechs Wochen jeden Tag an ihrem Werk.

Warum ein Mode-Textil-Studium? Charlotte hat schon seit der Schulzeit eine Affinität für Nähen und handwerkliches Arbeiten entwickelt. Sie machte ein Praktikum in einer Maßschneiderei, belegte einen Nähworkshop und arbeitete zu Hause an einer eigenen Nähmaschine. Die Erfahrungen kommen ihr im Studium zu Gute, aber sie waren keine Voraussetzung. Laut Charlotte ist der Studiengang auch für Neueinsteiger und Unerfahrene an der Nähmaschine sehr gut geeignet, solange Spaß und Begeisterung vorhanden sind.

 
Justine Kleeschulte und Lucie Wendlandt