Buchrezension: Die große Heimkehr

Buchdetails

51PAphVtr5L._SX299_BO1,204,203,200_Titel: Die große Heimkehr
Autorin: Anna Kim
Erscheinungsjahr: 2017
Sprache: Deutsch
Umfang: 558 Seiten
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-42545-9
Preis: 24,00€

Autorin
Anna Kim wurde am 10. September 1977 in Daejeon, heute eine der größten Metropolen Südkoreas, geboren. Ihre Eltern verließen das Land 1979, um ihrer akademischen Karriere in Deutschland und Österreich nachzugehen, sodass sie im Jahr 1984 nach Wien zogen. Hier besuchte Anna Kim die Schule und begann ab 1995 ein Studium der Theaterwissenschaft und Philosophie an der Universität Wien. Dies schloss sie im Jahr 2000 erfolgreich mit dem Magistergrad ab und lebte für zwei Jahre in London und Cambridge, bevor sie nach Wien zurückkehrte.
Bereits seit 1999 veröffentlicht sie ihre Arbeiten in verschiedenen Literaturzeitschriften und ist seit 2000 Mitglied der Grazer Autorenversammlung. Im Jahr 2004 erhielt sie ein Wiener Autorenstipendium und veröffentlichte im selben Jahr ihren ersten Roman mit dem Titel „Die Bilderspur“. In den letzten Jahren erhielt sie mehrfach Auszeichnungen für ihre Werke und zählt heute zu einer der erfolgreichsten heimischen Gegenwartsautorinnen.

Motivation
Hinsichtlich der Auswahl meines Buches war es mir sehr wichtig, ein Buch zu wählen, das den geschichtlichen Hintergrund Koreas und die Entstehung von Süd- und Nordkorea thematisiert. Für die Teilung der koreanischen Halbinsel interessiere ich mich schon seit längerem und die Entscheidung, ein Auslandssemester in Seoul zu machen, hat meinen Wunsch nach geschichtlicher Aufklärung verstärkt. Aufgrund der spannenden Beschreibung des Buches und der beachtlichen Biografie von Anna Kim sowie sehr positiven Resonanzen zu ihr und ihren Werken, entschied ich mich für „Die große Heimkehr“. Als besonders reizvoll empfand ich, dass es sich hierbei um einen Roman handelt, der Historie und damalige Politik anhand einer wahrheitsgetreuen aber fiktiven, dramatischen Geschichte von drei Hauptcharakteren vermittelt.

Aufbau des Buches
Das Buch besteht aus insgesamt neunzehn Kapiteln, die auf nahe 600 Seiten niedergeschrieben sind. In dessen ersten Hälfte werden hauptsächlich der Hintergrund der fiktiven Handlung sowie die Konstellation der drei Hauptcharaktere erläutert, deren Beziehung eine Art roten Faden für den Roman bildet.
Dabei wird die tatsächliche politische Situation im damaligen Korea durchgehend dokumentarähnlich vermittelt. Die Bedeutung der eigentlichen Handlung und deren Einordnung in den komplexen, historischen Gesamtkontext erschließt sich dem Leser erst nach und nach im weiteren Verlauf des Buches. Die letzten Kapitel zielen schließlich darauf ab, die Vergangenheit Koreas vor und nach dessen Teilung durch den Verlauf der fiktiven Handlung zu verstehen.

Inhalt
Die junge Hanna wurde als Kleinkind von Südkorea aus von einer deutschen Familie adoptiert und ist nun auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern. Sie ist Übersetzerin und lernt auf ihrer Reise den 78-Jährigen Yunho Kang kennen. Diesem übersetzt sie einen Brief aus Amerika, der ihn über den Tod einer gewissen Eve Lewis informiert. Mit diesem Ereignis beginnt für Yunho eine Reise in die Vergangenheit, von der er der fremden Hanna und somit dem Leser berichtet.
Im Mittelpunkt seiner Erzählung steht eine komplexe Dreiecksgeschichte, die in den Jahren 1959 bis 1960 in Seoul und Osaka stattfindet. Die Hauptfiguren hierbei sind er selbst, sein bester Freund Mino Kim, der seinen Namen zu Johnny geändert hat und die rätselhafte Eve Moon.
Yunho und Johnny sind gemeinsam, quasi wie Brüder, im kleinen Dorf Nonsan im Westen von Südkorea aufgewachsen. Johnny ist der Sohn eines einflussreichen Schuldirektors und Yunho der Sohn dessen Haushälterin. Die damaligen politischen Ereignisse haben die beiden in unterschiedliche Lager gebracht und trennten sie. Nach gewisser Zeit treffen sie wieder aufeinander und Yunho lernt Johnny’s sonderbare Freundin Eve kennen, die dieser wie folgt beschreibt: „Man hat keine Beziehung mit Eve, man trifft sich nur mit ihr“. Eve erhält aufgrund ihrer Schönheit jegliche Aufmerksamkeit von den amerikanischen Soldaten – und auch Yunho verliebt sich heimlich in sie. Das Leben der Drei wird von den Auseinandersetzungen zwischen Süd- und Nordkorea und maßgeblich vom Handeln des damaligen Präsidenten Syngman Rhee, der von den Amerikanern in Südkorea aufgestellt wurde, bestimmt. Im Zuge dessen durchleben sie die Zeiten der roten Umerziehung, den ständigen Verlust von geliebten Menschen und Hab und Gut, die ständige Unsicherheit, den Identitätsverlust jedes Einzelnen und die von Rhee verbreitete antikommunistische Paranoia, durch die letztlich tausende Menschen sterben mussten.
Während Yunho sich dem kommunistischen Widerstand anschließt, wird Johnny eher zufällig und nicht aus politischer Überzeugung Mitglied der paramilitärischen Nord-West-Jugend. Diese führt mit fragwürdigen Vorgehensweisen und in Zusammenarbeit mit der teils korrupten Polizei den Kampf für eine Wiedervereinigung Koreas. Durch seine enge Freundschaft zu Johnny gerät auch Yunho in Bedrängnis, sodass beide im Auftrag der Nord-West-Jugend zur Manipulation der damaligen Wahlen zugunsten von Präsident Rhee beitragen. Als Johnny eines Tages betrunken und im Beisein von Yunho eins der Mitglieder tötet, werden sie und auch Eve von eben diesen verfolgt. Daraufhin fliehen sie zu dritt nach Japan und tauchen in der Stadt Osaka unter, die bereits einige sogenannte Zainichi beherbergt. Dort werden sie von Tetsuya und seiner koreanischen Familie beherbergt, denen sie den wahren Grund ihrer Flucht, Johnnys Gewaltakt, verbergen. Dieser ist ein wohlhabender Geschäftsmann und ein wichtiges Mitglied in der Organisation „Sōren“, die Nordkorea treu ist und nordkoreanische Propaganda in Japan verbreitet. Diese zielt darauf ab, möglichst viele im Exil lebende Koreaner zur „Großen Heimkehr“ nach Nordkorea zu bewegen. Der damalige nordkoreanische Präsident Kim Il Sung verbreitet sie als einzigartige Möglichkeit, ein Leben in Freiheit mit der gesicherten Aussicht auf Bildung, Arbeit und genügend Nahrung führen zu können. So kommt es dazu, dass Eiko, die Tochter von Tetsuya, zur Botschafterin dieser angepriesenen Heimkehr in ihrer Schulklasse wird und selbst dazu antreten möchte. Ihr Vater und die anderen Eltern, deren Kinder sich aufgrund von Eikos Überzeugung ebenfalls auf die Liste der Heimkehrer eintragen, sind empört und Eiko verschwindet schließlich. Es kommt dazu, dass Eve Tetsuya und seiner Frau vom wahren Grund ihrer Flucht erzählt und den Fokus dabei auf Johnnys Tat und Yunhos Beisein lenkt. Daraufhin wird Johnny der Entführung von Eiko beschuldigt und eingesperrt. 
Es stellt sich heraus, dass Eve als Informantin für die Amerikaner arbeitet und durch Johnny an interne Informationen über das tatsächliche Geschehen in Südkorea gelangen sollte. Auch Yunho wird von Tetsuyas Familie verstoßen. Johnny wird dazu gezwungen, sich trotz der falschen Anschuldigen entweder zur Entführung von Eiko zu bekennen oder selbst die große Heimkehr nach Nordkorea anzutreten und entscheidet sich für Letzteres. Eve taucht daraufhin ab, wobei sie und Yunho sich im späteren Leben noch ein Mal treffen, und Yunho wird gestattet, Johnny auf seiner Fahrt zu begleiten. Dieser spricht davon, seinen Vater suchen zu wollen und Yunho Briefe über seine Abenteuer auf der anderen Seite und über das Glück seines Vaters zu schicken. Sie vereinbaren einen Code für die Verschlüsselung der Briefe und Johnny betritt den Grenzübergang hoffnungsvoll im Glauben, er könne weiterhin in Kontakt mit ihm bleiben. Yunho erzählt Hanna, dass Jahre vergangen seien und er nie wieder etwas von Johnny gehört habe. Er sagt, dass die Nordkoreaner die Briefe der Heimkehrer zensiert und abgefangen haben. Er beendet das Gespräch damit, dass er ihr offen gesteht, dass er sein heutiges Wohlergehen und seine Freiheit Johnny zu verdanken hat, da dieser ihn letztlich davon abgehalten hat, „Die große Heimkehr“ selbst anzutreten.

Fazit
Aufgrund ihrer Herkunft und der Vergangenheit ihrer Familie, ist Anna Kim in „Die große Heimkehr“ indirekt ihrer eigenen Geschichte auf den Spuren, über die sie bis dahin, wie sie selbst sagt, wenig wusste. Generell möchte ich diesen Roman definitiv als fordernd beschreiben. Besonders in der ersten Hälfte des Buches ist es schwierig, in einen Lesefluss zu geraten und die fiktive Handlung aufgrund von vielen wechselnden Figuren und Geschehnissen zu verstehen. Ein großer Anreiz, das Buch dennoch weiterzulesen, sind die immer wiederkehrenden Passagen, in denen die Autorin den historischen Kontext erläutert, die meinen bereits bestehenden Wunsch verstärkt haben, mehr über diesen zu erfahren und auch die individuelle Geschichte so besser einordnen zu können.
Wirklich beeindruckend ist, wie sorgfältig und intensiv sie die Vergangenheit Koreas recherchiert hat und zugleich einen Bezug zur Gegenwart herstellt. Es wird deutlich, wie wenig in unserer Gesellschaft über Korea, sowohl vor als auch nach der Teilung, bekannt ist. Im weiteren Verlauf des Buches fühlt sich das eigentliche Lesen wie eine Art Geschichtslektion an, die auf dramatische und berührende Weise vermittelt wird. Zwischen den Zeilen zeigt Anna Kim die Zerrissenheit und die Hoffnung der Menschen und den Wunsch nach Individualität und freien Entscheidungen auf, die für mich sehr bewegend sind. Gerade den allgegenwärtigen Aspekt der Hoffnung auf eine eigene Identität verdeutlicht sie durch die Musik der amerikanischen Jazz-Sängerin Billie Holiday, die den Roman durchgängig auf melancholische Art begleitet und wie ein wiederkehrender stiller Kommentar wirkt. Ebenso wie die Geschichte des Buches handelt Billie Holiday von Enttäuschung und identitätsstiftender Liebe, sodass der Roman mit dem Einspiel der Musik beginnt und auch endet.
Erschreckend finde ich, wie sehr die koreanischen Bürger durchgehend ein Spielball von fremden Mächten waren und dass „Die große Heimkehr“ einen wahren Ablauf in der Geschichte bezeichnet; denn unter diesem hat Nordkoreas damaliger Machthaber Kim Il Sung die Menschen unter dem Vorwand ihnen eine sichere Zukunft mit Bildung, Arbeit und Nahrung bieten zu können, in ihr eigenes und teilweise bis heute anhaltendes Verderben gelockt.
Ich persönlich empfehle den Roman jedem, der sich für die Geschichte Koreas interessiert und besonders den heutigen Zustand in Nordkorea besser verstehen möchte. Man benötigt Durchhaltevermögen, um es bis zum Ende des Buches zu schaffen aber rückblickend betrachtet, ist der Roman unglaublich bereichernd.

 

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Der Masterplan: Chinas Weg zur Hightech-Weltherrschaft

cover

Buchrezension: Der Masterplan: Chinas Weg zur  Hightech-Weltherrschaft (Stefan Dammer)

Autor: Stephan Scheuer
Erscheinungsjahr: 2018
Kapitel/Seiten: 10/212
Verlag: Herder Verlag
ISBN (E-Book): 978-3-451-81470-9
Preis: 16,99€


Motivation
Ich habe mich für das Buch entschieden, weil ich in meinem Alltag immer wieder mitbekommen habe, welche Geräte von chinesischen Firmen vorgestellt werden und dass diese sich von Mal zu Mal übertreffen, insbesondere im Bereich der Consumer-Technologien. Die Geräte kommen mit einer Leistung, die die der Top-Geräte amerikanischer und europäischer Geräte, zumindest in Benchmarks, übertrifft, kosten aber deutlich weniger. Laut kurzen Inhaltsbeschreibungen war mir bewusst, dass viele der namhaften chinesischen Unternehmen wie Huawei, Xiaomi, Alibaba und Co. vorgestellt werden und dass es meine Chance war, mehr über sie und deren Gründer zu erfahren.

Stephan Scheuer
Stephan Scheuer ist Autor und Journalist beim Handelsblatt. Er schreibt über die Telekommunikationsbranche, die IT-Wirtschaft und über chinesische Firmen in Europa. Er war fünf Jahre als Korrespondent in China tätig und hat International Relations und Sinologie in Berlin, London, Marburg und Peking studiert. Weltwirtschaftliche Entwicklungen, insbesondere im Technologiesektor und deren Auswirkungen auf Firmen und die Gesellschaft sind der Kernpunkt seiner journalistischen Arbeit (Scheuer, 2019).

Der Masterplan: Chinas Weg zur Hightech-Weltherrschaft
Dieses politische Buch von Stephan Scheuer umfasst 12 Kapitel, inklusive Literaturverzeichnis und Karte. Viele Kapitel beleuchten die Regierung und die drei großen Tech-Konzerne Baidu, Alibaba und Tencent aus unterschiedlichen Perspektiven. Immer wieder kommt Stephan Scheuer auf die Gründer der Firmen zurück, zeigt ihre größten Erfolge und Niederlagen auf, kritisiert und lobt sie. Auch über die chinesische Regierung und ihre Entscheidungen schreibt er offen.

Chinas Masterplan
Xi Jingping entwickelt eine neue Weltordnung. In vielen Bereichen bringt China bereits heute weltweit führende Technologien hervor. Ab 2020 soll eine Billion Euro in den Ausbau des 5GNetzes investiert werden. Für westliche Firmen lautet die Devise, „Das Risiko, in China nicht dabei zu sein, ist größer als das Risiko, dabei zu sein“ (Scheuer, 2018, p. 30). Im Landesinneren will die Regierung die absolute Kontrolle. Heimische Tech-Konzerne sollen ihr dabei helfen (Scheuer, 2018, pp. 16–46).

Handel: Onlineshopping
eWTP (Electronic World Trade Platform) soll nach Jack Mas Plänen zum Schlagwort für die Revolution im weltweiten Handel werden. Bei Alibabas Gründung machte er von Anfang an klar, dass er einen globalen Anspruch hat. Jack Ma lockte keine großen Hersteller auf seine Plattform, sondern versuchte, die Plattform auf die Bedürfnisse von KMUs zuzuschneiden. Alibaba hat es geschafft, sich als entscheidendes Bindeglied zwischen Produzenten und Kunden zu positionieren. Künftig sollen Waren innerhalb von 72 Stunden in der ganzen Welt zugestellt werden. Der Handel über seine Plattform soll dabei weitestgehend von Zöllen befreit werden (Scheuer, 2018, pp. 47–66).

Smartphones und Tencent
Pony Ma schaute sich die Idee für seine Firma von ICQ ab, ging mit Tencent aber sofort dazu über, die Dienstleistungen auf den chinesischen Markt anzupassen. 2011 stellte Tencent WeChat vor, nach 14 Monaten hatte der Messenger über 100 Mio. aktive Nutzer. Heute können diese ihr gesamtes digitales Leben über den Kurznachrichtendienst abwickeln (Scheuer, 2018, pp. 67–84).

Bargeldlos Bezahlen
Bargeldloses Bezahlen ist in China so erfolgreich, weil die Staatsbanken sehr träge sind. Mit Alipay startete Jack Ma sein nachgemachtes PayPal. Tencent zog mit einer brillanten Marketingaktion nach und gewann Abermillionen Nutzer für sich, plötzlich war es angesagt, mit WeChat Geld zu verschicken. Die Konkurrenz zwischen Alibaba und Tencent ist zum wichtigen Innovationstreiber geworden. Der Erfolg des Online-Handels ist Grundlage für die Online-Kreditvergabe, Privatleute und KMUs haben nun ebenfalls eine Chance, Kredite zu bekommen. Nach dem Erfolg in China exportieren beide Firmen ihre Bezahlsysteme auch in die Welt (Scheuer, 2018, pp. 85–108).

China als neue Auto-Nation
Nirgendwo werden mehr E-Autos verkauft als in China. Im Wettrennen um die besten E-Autos spielen chinesische Firmen ganz vorne mit. Der Baidu-Gründer Robin Li baut den Prototypen eines selbstfahrenden Autos. Mit Apollo hätten Entwickler die Möglichkeit, PKWs in selbstfahrende Autos umzuwandeln. Die Volkswirtschaft will einen gläsernen Autofahrer und bringt besonders deutsche Hersteller in eine schwierige Situation (Scheuer, 2018, pp. 109–128).

Innovationen am laufenden Band
Prototypen lassen sich für lokale Firmen innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen anfertigen. Techniker können diese sofort ausprobieren und die verbesserten Versionen in Auftrag geben. Lei Jun, der Gründer von Xiaomi, nutzte dies für sich aus und hatte damit großen Erfolg. Er ließ Scouts ausschwärmen und investierte in Start-Ups, um ihre Ideen in den Xiaomi-Kosmos aufzunehmen. Auch DJI, der Weltmarktführer bei unbemannten Flugdrohnen machte sich die kurzen Fertigungszyklen zunutze. 70% der weltweit verkauften Drohnen sind von DJI (Scheuer, 2018, pp. 129–146).

Die Regierung und Big Data
Alles wird überwacht. Im Pilotprojekt in Shanghai ist das System so schnell, dass es in einer Sekunde Daten von drei Milliarden Menschen auswerten kann: in weniger als einer halben Sekunde wird das Gesicht aller chinesischen Bürger erkannt. Peking will die Bürger dazu erziehen, sich zum Allgemeinwohl, freiwillig dem System unterzuordnen. Gute Bürger werden belohnt, Vertrauensbrechern wird das Leben schwer gemacht. Alibaba, Tencent, Baidu und Co. helfen der Regierung bei diesem Vorhaben (Scheuer, 2018, pp. 147–176).

Die Expansion
Raoul Rossmann verschaffte Alipay ein Sprungbrett in Deutschland, heute wird die digitale Bezahlmethode von über 10.000 Einzelhändlern akzeptiert. „Made in Germany“ ist bei Chinesen sehr beliebt. Marktanteile werden von chinesischen Firmen erkauft. Pony Ma und Jack Ma investieren mehrere Milliarden Euro in westliche Firmen, investieren in heimische Firmen aber deutlich mehr. Auch deutsche DAX-Unternehmen werden ins Visier genommen. Noch hängen chinesische Investoren zurück, bringen aber viel Geld mit, dies könnte sich bald ändern (Scheuer, 2018, pp. 177–188).

Keine Reaktion von Europa
Die Chinesen sind selbstbewusster als je zuvor. Jack Ma lässt verlauten: Wir werden kommen, egal ob es den Regierungen gefällt oder nicht. Die jungen Leute werden den Wandel treiben (Scheuer, 2018, p. 195). US-Amerikanische und chinesische Firmen dominieren die Internetwirtschaft, entscheidende Zukunftstechnologien werden in den USA und China geschaffen. Europa hat keine Vision und keinen langfristigen Plan. Die EU setzt auf Abschottung, was im besten Fall nur etwas Zeit gewinnt. In Europa müssen nach chinesischem Vorbild auch unkonventionelle Methoden möglich sein. Der Netzausbau in Deutschland ist ein Symbol für die Trägheit der EU. In Deutschland wird Digitalisierung weiterhin wie ein Stückwerk behandelt. Europa braucht eine digitale Agenda, die die ganze EU umfasst. Made in Germany kann auch im Internet zum Qualitätssiegel und zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Wer in der Wirtschaft der Zukunft eine Rolle spielen will, muss Veränderungen in großen Dimensionen vorantreiben. Die drei chinesischen Tech-Konzerne weiten ihre Angebote auf immer mehr Länder aus (Scheuer, 2018, pp. 189–212). „[…] nur wer jetzt in Vorleistung tritt, kann sich in [der] disruptiven Internetwirtschaft behaupten“ (Scheuer, 2018, p. 212).

Fazit
Eine Klare Weiterempfehlung. Das Buch ist leicht zu lesen, steckt voller interessanter Fakten über die chinesischen Unternehmen und die Männer, die dahinterstehen. Man kommt leicht in einen Lesefluss hat nach dutzenden Seiten immer noch nicht das Gefühl, dass man vom Lesen müde wird oder das Buch weglegen müsste.

Literaturverzeichnis
Scheuer, S., 2019. . Stephan Scheuer. URL https://www.stephanscheuer.de/
Scheuer, S., 2018. Der Masterplan: Chinas Weg zur Hightech-Weltherrschaft. Herder, Freiburg.

 

 

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Buchrezension: So sind sie, die Japaner

こんにちは

Ãœber das BuchCover

Titel: So sind sie, die Japaner 

Autoren: Sahoko Kaji, Noriko Hama, Robert Ainsley, Jonathan Rice 

Erscheinungsdatum: 25.09.2017 

Verlag: Reise Know-How Verlag Peter Rump GmbH, Bielefeld 2017

Seitenanzahl: 108 

ISBN: 978-3831728770

Kosten: 8,90€

 

Motivation

Um mich auf meinen anstehenden Aufenthalt in Japan vorzubereiten, habe ich besonders bei der Auswahl der passenden Literatur darauf geachtet, dass diese sich mit allgegenwärtigen Situation in Japan beschäftigt und ich mich somit optimal auf meine Zeit in einem Land, welches im Gegensatz zu der westlichen Kultur grundlegend anders ist, einstellen kann. Es ist mir dabei besonders wichtig gewesen, dass ich die Erfahrungen aus den Erzählungen von Personen erhalte, welche die Kultur am eigenen Leibe erleben durften. Oftmals geben gerade Reisführer einem die Art von Tipps, welche dazu führen, dass man mit dem Verhalten direkt in ein Fettnäpfchen tritt. Bei der Recherche im Internet bin ich anschließend auf die Bücher des Reise Know-How Verlages gestoßen, welche für unterschiedliche Länder geschrieben wurden und immer mit den Titel ,,So sind sie, die …“ beginnen. Besonders die Aufschrift im Klappentext regte mein Interesse an, dass Buch zu lesen und zu meiner Vorbereitung zu nutzen, denn in diesem heißt es schon in der ersten Zeile: Eine kleine Warnung vorab: Die Japaner sind manchmal etwas merkwürdig. 

Autoren

Das Buch ,,So sind sie, die Japaner“ wurde von mehreren Autoren verfasst, welche alle einen ökonomischen Hintergrund besitzen und lange Zeit in Japan gelebt haben oder immer noch leben. Im Buch selbst wird keine Differenzierung zwischen den einzelnen Autoren vorgenommen, so dass nicht ersichtlich ist, welcher Abschnitt des Buches explizit von welchem Autor verfasst wurde. Die Autoren bezeichnen sich selbst als die ,,Fremdenversteher“, welche in dem Buch die Japaner porträtieren und somit die Neugierde auf fremde Kulturen wecken möchten.

Aufbau des Buches

Das Buch gliedert sich in 14 unterschiedliche Kapitel, welche unabhängig voneinander, verschiedene Thematiken auf 108 Seiten behandeln. Dabei lässt sich das Buch besonders gut als eine Art Handbuch nutzen, welche im Laufe eines Aufenthalts in Japan unterstützend als Ratgeber zu Seite steht und passend zu den jeweiligen Situationen herangezogen werden kann. Durch den Schreibstil der ,,Fremdenversteher“ lässt sich das Buch besonders einfach lesen und vermittelt auf eine humorvolle Art und Weise die Art von Informationen, welche einem im Alltag tatsächlich weiterhelfen. So heißt es beispielsweise in einem der Unterkapitel, welches sich mit dem Charakter der Japaner auseinandersetzt: “In der Vergangenheit war Selbsttötung ein ehrenwerter Weg der Wiedergutmachung. Heutzutage werden Entschuldigen als einer der effektiven Wege angesehen, mit der dreckigen Wäsche umzugehen“. 

Inhalt 

Das Buch befasst sich mit Themen wie dem Nationalgefühl & der Identität der Japaner sowie aber auch mit Beispielen zum Essen, den Bräuchen und den Traditionen des Landes. Ein Aspekt wird in den einzelnen Kapiteln allerdings immer wieder angesprochen, nämlich das Gemeinschaftsgefühl der Japaner. Bereits ziemlich früh treffen die ,,Fremdenversteher“ die Aussage, dass Individualität und Egoismus genauso willkommen sind, wie ein Sumoringer, der sich am Buffet vordrängelt. Die Japaner sind ein Volk, welches Homogenität als ihre Stärke bezeichnet. Es werden dabei die Begriffe uchi, welcher für wir steht und soto, welcher für die anderen steht genutzt. Bereits früh werden Japaner dazu erzogen, sich aufeinander zu verlassen und füreinander zu sorgen. Es wird immer davon gesprochen, dass man tatsächlich nur als Japaner angesehen wird und somit uchi ist, wenn man Vollblut Japaner ist, alle anderen sind soto. Ein besonders gutes Beispiel welches im Buch verwendet wurde ist, dass eine Vielzahl an Koreanern in Japan leben, was darauf zurückzuführen ist, dass Korea in der Vergangenheit eine Kolonie der Japaner war. Die japanische Verfassung verbietet jegliche Form von Diskriminierung, allerdings nur für Japaner. Da die Koreaner aber keine japanische Staatsbürgerschaft erhalten dürfen, weil sie soto sind, sind sie von solchen Grundlegenden Rechten ausgeschlossen. Das japanische Volk wird als sehr stereotypisches Volk dargestellt, welches stark an seinen bereits seit vielen Jahren bestehenden Werten und Normen festhält. So wird das Volk in dem Buch als sehr bescheiden und zurückhaltend beschrieben. Konfrontation werden auf jeden Fall gemieden und als Ausländer wird einem bei einem Aufenthalt im Japan definitiv auffallen, dass sich ständig für alles mit sumimasen entschuldigt wird. Peinlichkeiten werden auf alle Fälle vermieden und Dinge werden so formuliert, dass keine der beiden Parteien sein Gesicht verliert. Ein besonders gutes Beispiel war dabei die Konversation zwischen einem Eisverkäufer und dem Kunden, der ein Eis bestellen möchte. Auf die Frage des Kunden, was den in einer bestimmten Eissorte sei, antwortet der Verkäufer sehr ausführlich mit einer Beschreibung der Zusammensetzung dieser. Als der Kunde sich dann dazu einschließt die Sorte zu probieren, bekommt er wie so oft, sumimasen zu hören, denn das Eis sei ausverkauft. Das Buch liefert für unterschiedliche Thematiken besonders humorvoll und prägnant formulierte Beispiele, welche dem Leser die Art von Informationen vermitteln, welche er bei einem tatsächlichen Aufenthalt in Japan auch gebrauchen kann. Es werden anders als in den typischen Reiseführern keine Sehenswürdigkeiten vorgestellt, sondern alltägliche Situationen, welche durch die Autoren selbst erlebt wurden präsentiert. Die japanische Kultur ist grundlegend anders und basiert auf sehr alten Traditionen und Bräuchen. Es ist somit besonders wichtig sich auf einen Auslandsaufenthalt vorzubereiten, egal ob beruflich, für das Studium oder nur eine Reise in ein solches Land. Die ,,Fremdenversteher“ sprechen in dem Buch davon, dass Japan eines der sichersten Länder der Welt sei. Dies führen diese darauf zurück, dass durch das starke Gemeinschaftsgefühl nicht die Strafe darin bestände, von der Polizei auf frischer Tat erwischt zu werden, sondern eher der Verlust der Anerkennung vor den Mitgliedern der Gemeinschaft. Besonders auffällig ist dabei immer wieder das Verhalten, welches japanische Bürger im Ausland an den Tag legen. Taschen werden auf öffentlichen Plätzen stehen gelassen oder der Rucksack sperrangelweit offen getragen. Es besteht einfach ein komplett anderer Grundgedanke, welche ein optimales Beispiel dafür ist, dass sich unterschiedliche Kulturen auf so extreme Art und Weisen unterscheiden können. 

Fazit 

Handelt es sich bei dem vom mir ausgewählten Werk tatsächlich um eine nützliche Lektüre, welche mich auf meinen kommenden Auslandsaufenthalt vorbereitet? Zunächst einmal war ich mir bei dieser Frage ziemlich unsicher und musste im Nachhinein auch feststellen, dass auf Grund des Schreibstils der ,,Fremdenversteher“ zwar viele Informationen gut rübergebracht wurden, allerdings werden einige Situationen überspitzt dargestellt, sodass schnell ein falsches Bild von den Japanern entstehen kann. In dem Kapitel Familienangelegenheiten des Buches heißt es beispielsweise, dass für japanische Frauen das übergeordnete Ziel die Heirat sei. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass in Japan die Geburtenrate stark zurückgeht und immer weniger Paare den Schritt wagen, einen Bund fürs Leben einzugehen. Es lässt sich zu dem Buch sagen, dass es auf Grund seines geringen Umfangs und der leicht verständlichen Schreibweise eine gute Möglichkeit ist, einen Einblick in die japanische Kultur zu erhalten. Allerdings sollte man darauf achten, sich nicht unbedingt zu 100% auf eine solche Lektüre zu verlassen, denn oftmals sind die Dinge so dargestellt worden, um das Interesse des Lesers aufrechtzuerhalten. Ob beispielsweise die starke Stereotypisierung in der Realität wirklich so ausgeprägt ist, wie in dem Buch beschrieben, werde ich erst durch meinen Aufenthalt in Japan selbst erleben dürfen. Im Großen und Ganzen würde ich das Buch empfehlen. Es lässt sich schnell und einfach lesen und ist für das Schaffen eines Überblickes über ein vollkommen fremdes Land wie Japan gut geeignet. Möchte man sich allerdings auf Verhandlungsgespräche mit japanischen Geschäftspartnern vorbereiten, wird vermutlich auch dieses Buch nicht die vollkommene Sicherheit schaffen, nicht in das ein oder andere Fettnäpfchen zu treten. 

 

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Buchrezension: Fast & Konfuzius – Mein Versuch, aus China schlau zu werden

 

Fast and Konfuzius – Mein Versuch, aus China schlau zu werden


fast-konfuzius-260295690(1)Bei dem von mir ausgewählten Buch mit dem Titel Fast & Konfuzius handelt es sich um ein Reisetagebuch, welches der Schweizer Autor Michael Reist aus Bern auf seiner 100-tägigen Reise durch China geführt hat. Veröffentlicht wurde das Buch 2019 vom Verlag Conbook Medien GmbH, einem Verlag für Reiseliteratur. Das Buch wurde auf Deutsch geschrieben, umfasst 128 Seiten und kostet 9,95€.

 

 

 

Meine Motivation für die Wahl des Buches

Da wir während unseres Auslandssemesters auch ein Tagebuch führen werden, fand ich es interessant, vorher schon einmal ein Reisetagebuch zu lesen. Gerade, wenn man täglich davon berichtet, was man erlebt, sieht, isst, wen man kennenlernt und welche ersten Eindrücke man hat, steckt oft mehr Detail in den Erzählungen als in denen, die erst rückblickend gemacht werden. Dies gibt einem das Gefühl, nah am Geschehen zu sein. Aus diesem Grund war ich der Meinung, durch dieses Buch China so kennenlernen zu können, wie es durch andere Bücher nicht möglich gewesen wäre. Darüber hinaus möchte ich ebenfalls in China reisen und wollte mehr drüber erfahren, an welchen Orten der Autor war, wie er diese wahrgenommen hat und wie er jeweils dorthin gekommen ist.

 

Ãœber den Autor

Michael Reist wurde 1986 geboren und lebt in Bern, wenn er nicht gerade auf Reisen ist. Er ist Schriftsteller und Texter und engagiert sich darüber hinaus im Bereich erneuerbarer Energien. Er bereiste die Länder vieler Kontinente (u.a. Indien, USA, Russland, Peru, Tansania, Japan), jedoch ist sein Buch Fast & Konfuzius sein erstes Buch, was von einer Reise handelt. Insgesamt hat er drei Bücher geschrieben. Sein Name Michael Reist lässt vermuten, dass es sich um einen Künstlernamen handelt, jedoch scheint es sein echter Name zu sein, durch welchen er wohl für das Reisen bestimmt ist.

 

Aufbau des Buches – Die Reiseroute

Route_neuDer Aufbau des Buches orientiert sich an der Reiseroute, die Michael gewählt hat. Er und sein Bruder, der ihn die ersten 12 Tage seiner 100-tägigen Reise begleitet, beginnen mit dem Abenteuer an der Grenze zu China in der Inneren Mongolei (Erlian). Gemeinsam reisen sie zunächst nach Peking, wo sie eine Woche bleiben, und nach Pingyao. Von dort reist der Bruder wieder ab und Michael reist nach Qikou bevor es ihn zurück nach Peking verschlägt, wo er einen 3-wöchigen Chinesischkurs besucht. Im Anschluss daran nimmt er an einem 1-wöchigen QiGong-Kurs teil, der ebenfalls in Peking stattfindet. Nachdem dieser beendet ist, reist er nach Shanghai, wo ihn Freunde aus der Heimat besuchen, die ihn einen Monat lang durch den Süden Chinas (u.a. Hangzhou, Huangshan, Guilin) und nach Taiwan begleiten. Den letzten Teil seiner Chinareise über Hongkong, Kunming und Dali nach Lijiang bestreitet Michael alleine. Entsprechend seiner Route und seinen Vorhaben sind die Tagebucheinträge in sieben Abschnitte eingeteilt:

  • Reisen: Volksrepublik China, Teil 1
  • Lernen: Chinesische Sprache
  • Lernen: QiGong
  • Reisen: Volksrepublik China, Teil 2
  • Reisen: Republik China (Taiwan)
  • Reisen: Hongkong
  • Reisen: Volksrepublik China, Teil 3

 

Die Geschichte – Erlebnisse auf der Reise

Der erste wirkliche Stopp nach der Ankunft der beiden Brüder in China ist Peking. Hier besichtigen sie zunächst die chinesische Mauer und erfahren in der Woche, die sie in Peking verbringen, dass ihr Aufenthalt in der Metropole von Menschenmassen, fehlender Privatsphäre, Elektromobilität und Preisverhandlungen geprägt ist. Ihr nächstes Ziel, Pingyao, erreichen sie mit einem Schnellzug, was eine völlig neue Erfahrung für die beiden ist, da der Bahnhof einem Flughafen gleicht und die Zugfahrt einem Flug mit dem Flugzeug. Nach den ersten beiden Wochen zusammen mit seinem Bruder, reist Michael nun alleine weiter. In Qikou besichtigt er das Dorf und terrassenförmige Hänge bevor er für einen 3-wöchigen Chinesischkurs zurück nach Peking fährt und auf der Fahrt dorthin massenhaft Wolkenkratzer sieht, die ihn an Geisterquartiere erinnern, da sie größtenteils unbewohnt sind.

Während des Chinesischkurses erkundet er – teils alleine und teils mit anderen Kursteilnehmern – Peking noch genauer. Er erfährt, dass man Leihfahrräder oftmals nicht kostenpflichtig mieten muss, da viele unabgeschlossen abgestellt werden, er probiert sich durch die chinesische Küche und lernt, hartnäckig zu bleiben, um zu bekommen, was er möchte. Die letztere Lektion erfährt er zum ersten Mal, als er an einem Stand einen kleinen Smoothie kaufen möchte, obwohl große in der Speisekarte angepriesen sind. Die Antwort lautet “méi yŏu”, geht nicht, doch nach einigem Hin-und-Her – “yŏu” – “méi yŏu” – “yŏu” – erhält er doch einen kleinen Smoothie. Das zweite Mal passiert dies, als er bei einem Restaurantbesuch gebratene Nudeln bestellt, ihm stattdessen eine Nudelsuppe serviert wird und ihm auf seine Anmerkung hin gesagt wird, dass dies nicht möglich sei – “méi yŏu”. Da andere Gerichte auch gebraten werden, besteht er darauf, gebratene Nudeln zu bekommen und erhält diese auch wenig später. Außerdem ertappt er sich dabei, wie er sich zunehmend den Gepflogenheiten der Chinesen anpasst: Das Vordrängeln, Einmischen, Schmatzen und Spucken, was ihm in den ersten Tagen noch sehr negativ aufgefallen ist, zählt er, als er nach 38 Tagen eine Bilanz zieht, schon zu seinen eigenen Verhaltensweisen.

Neben kurzen Erkundungstouren innerhalb Pekings muss er allerdings abends immer Chinesisch lernen, um nicht den Anschluss zu den anderen Kursteilnehmern zu verlieren. Ihm fällt der Zugang zur Chinesischen Sprache besonders aufgrund der Töne schwer, aber mit Hilfe von absurden Eselsbrücken kann er sich zumindest die Schriftzeichen gut merken: “So schnell, dass ein Helm notwendig ist, rennt er im Hamsterrad (è·‘æ­¥ = joggen, rennen)” (S. 37). Am QiGong-Kurs, den er im Anschluss an den Sprachkurs absolviert, nimmt er nur teil, weil er ihm von Dàndan, einer Freundin aus Pingyao, empfohlen wurde. An diesem Kurs kann er keinen Gefallen finden.

Anschließend verbringt er vier Tage in Shanghai, wo er einen Freund aus der Heimat mit seiner Freundin trifft, die ihn einen Monat lang begleiten werden. Sie lassen sich von den imposanten Gebäuden am Bund in den Bann ziehen bevor es sie für zwei Wochen in die Natur Chinas (besonders in die Gegend Yangshuo) verschlägt. Dort besichtigen sie Berglandschaften und Reisterrassen, von denen sie stark beeindruckt sind. Kurz nach Anbruch der zweiten Halbzeit seiner Reise blickt Michael auf die vergangenen Wochen zurück: “Die Bewohner des Landes überraschen mit Herzlichkeit, Neugierde und Kommunikationsdrang. Genauso überrascht die allumfassende, doch fast unsichtbare Staatspräsenz: konsequente Passkontrollen in Bahnhöfen und Busstationen, unauffindbare Suchmaschinen und Messenger-Server und Myriaden Einäugige, die von Hausecken, Dachrändern und Laternenpfählen spähen.” (S. 57)

Ursprünglich hatte Michael keinen Trip nach Taiwan geplant, aber er beschließt, seine Freunde dorthin zu begleiten und bereut dies nicht, da er Vergleiche zum Festland ziehen kann. Er empfindet, dass Taiwan unter dem Aufstreben des Festlandes leidet, aber mit Höflichkeit und Sauberkeit glänzen kann.

Die letzten 17 Tage seiner Reise verbringt Michael alleine. Ãœber Hongkong, Kunming und Dali gelangt er nach Lijiang, dem Ziel seiner Reise. Michael ist fasziniert vom Fortschrittsdrang in China, weshalb ihm der fehlende Strom und Warmwasser in einer Unterkunft widersprüchlich vorkommt. Er kommentiert dies auf ironische Weise und bekommt Antworten wie “Geh’ doch in ein  Hotel” und “Wir produzieren Warmwasser eben mit Solarenergie” (S. 92). Dann wird ihm offenbart “China hat immer noch viele Probleme. Deshalb ist uns wichtig, dass ihr im Ausland eine gute Meinung von uns habt” (S. 92).

Bei einer Taxifahrt lernt er einen hilfsbereiten Chinesen kennen, der ihm die Fahrt und die Unterkunft zahlt. Im Hostel lernen sie weitere chinesische Touristen und die Gastgeber kennen, welche sich als sehr großzügig erweisen und darauf bestehen, die Rechnung für einen Restaurantbesuch zu übernehmen.

 

Mein Fazit

Mir hat es sehr gefallen, den Autor bei seiner Reise quasi zu begleiten und somit einen Eindruck von verschiedenen Städten und Landschaften in China zu erhalten. Ein wenig enttäuscht hat mich im ersten Moment jedoch, dass er nicht nur gereist ist, sondern insgesamt einen Monat am Chinesisch- und QiGong-Kurs teilgenommen hat. Ich konnte allerdings bei seinen Schwierigkeiten mit der Chinesischen Sprache mit ihm mitfühlen und das, was er aus dem längeren Aufenthalt in Peking mitgenommen hat, hat meine anfängliche Enttäuschung wieder aufgehoben.

Insgesamt fand ich die Tagebucheinträge teilweise – besonders aufgrund von negativ konnotierten Vergleichen und Metaphern – ein wenig zu negativ geschrieben. Dies ist mir vor allem deswegen aufgefallen, weil er bereits viel gereist ist und deswegen nicht so sehr voreingenommen sein müsste. Jedoch haben seine bereits zitierte Zwischenbilanz (s.o.) und sein Schlusswort auch dies wieder aufgehoben:

“Nein, ganz ehrlich, aus China bin ich nicht schlau geworden. […] Die Herzlichkeit und Neugier der Menschen, die ich mit dem Herzen erfahren durfte, wiegt das »Nicht-schlau-geworden-zu-sein« mehr als auf. Ich brauche nicht »schlau aus dem Land« zu werden. China ist und bleibt für mich eine geheimnisvolle Schönheit mit Ecken und Kanten, die mich berührt, mich reizt und die ich mit Sicherheit wiedersehen will.” (S. 123)

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Buchrezension: Poorly Made in China

Buchrezension: Poorly Made in China

Poorly

Buchdetails

Titel: Poorly Made in China: An Insider’s Account of the China Production Game

Autor: Paul Midler

Erscheinungsjahr: 2009 (neueste Auflage Februar 2011)

Sprache: Englisch

Umfang: 272 Seiten

Verlag: Wiley

ISBN: 978-0470928073

Preis: 14,99€

 

Autor

Der gebürtige Amerikaner Paul Midler studierte chinesische Geschichte und Mandarin-Sprache an der Wharton Business School. Er lebt schon seit vielen Jahren in der südchinesischen Stadt Guangzhou als Vermittler und Inspektionsagent, wo er amerikanische Importeure mit chinesischen Zulieferern vernetzt. Durch über zwanzig Jahre Erfahrung in bilateralen Verhandlungen hat er sich ein tiefes Wissen über China und seine Exportwirtschaft angeeignet.

Im Jahre 2009 veröffentlichte er erstmals sein Buch “Poorly Made in China”, der mit den Preisen “Best Book 2009″, “Best Book for Business Owners”, “Great Finance Book of 2009”, “Best of 2009 Business Book” gekürt worden ist. Durch den großen Erfolg wurde sogar eine chinesische Version des Buches im Jahre 2011 in Taipei publiziert.

Vor Kurzem (2018) brachte er sein zweites Buch “What’s Wrong with China” heraus, in der es um die wichtigsten Herausforderungen mit der Geschäftstätigkeit in China geht.

 

Motivation

Durch das Modul “International Management with Regional Focus on China” in meinem Bachelorstudium bekam ich die Gelegenheit, erste Eindrücke von den geschäftlichen Tätigkeiten in China zu sammeln. China ist heute vor den USA und Deutschland der weltweit größte Exporteur von Produkten verschiedener Arten. Doch wenn man “Made in China” auf den Produkten liest, denkt man sofort an mangelnde Qualität, Manipulation und schlechte Kopien von anderen Herstellern und billige Verarbeitung. Wenn Chinas Produktion wirklich von diesen Eigenschaften geprägt ist, wie schafft es das Land dann die Exportwirtschaft zu beherrschen? Trifft das schlechte Image in der Realität wirklich zu? Wenn es so ist, warum verlegen ausländische Unternehmen ihre Produktion nach China und sind an einer Zusammenarbeit interessiert? Um genau diesen Fragen auf den Grund zu gehen, machte ich mich auf Amazon auf die Suche und stieß mit den Stichworten “China” und “Production” schließlich auf das Buch von Paul Midler. Da der Autor auch schon mehr als zwei Jahrzehnte in China lebt und in seiner Karriere an vielen Geschäftsverhandlungen zwischen den USA und China teilgenommen hat, glaube ich, dass er als Spezialist in diesem Gebiet mir einige Fragen mit seinem Werk beantworten kann.

 

Aufbau des Buches

Mit seiner lebendigen, humorvollen Erzählung führt Paul Midler den Leser mit insgesamt 22 Kapiteln durch einen langen Weg des internationalen Handels zwischen China und den Vereinigten Staaten. Indem er uns durch unzählige, anonyme Fabriken begleitet, zeigt er uns, welche Probleme mit chinesischen Herstellung- und Produktionsfirmen entstehen können. In jedem Kapitel geht es jeweils um einen Kunden, der Midler beauftragt, wichtige Informationen über den zukünftigen oder bestehenden chinesischen Geschäftspartner herauszufinden und diese zu übermitteln. Dadurch möchte der Kunde abwägen, ob sich die Zusammenarbeit auszahlt oder ob die Kooperation aufgelöst werden soll.

 

Inhalt

Midler ist ein Agent, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, amerikanische Importeure mit chinesischen Zulieferern in Verbindung zu bringen. Er überwacht Vorkehrungen, um die Zufriedenheit des Geschäftsvertrags sicherzustellen. Amerikanische Führungskräfte möchten mühsame und undurchschaubare Transaktionen vermeiden, daher ist Midlers Rolle als Vermittler, “Dealmaker“ und Begutachter für viele Unternehmen unverzichtbar. Durch jahrelange, alltägliche Verhandlungen über Produkte wie beispielsweise Keramiktöpfe, Gerüstbau und Baubeschläge hat er umfassendes Wissen über China und seine Exportwirtschaft gewonnen und erzählt in seinem Buch, wie die klugen Chinesen die naiven Amerikaner betrügen.

Die Hauptcharaktere des Buches sind die Chinesin Zhen, die Eigentümerin eines Gesundheits- und Schönheitspflegeunternehmens; und Bernie, ein syrisch-jüdischer Importeur aus New York, der von Zhen Shampoo und andere Schönheitspflegeprodukte wie Düfte für Discounterketten in Amerika kaufen möchte. Aufgrund von schlechten Erfahrungen mit vorherigen chinesischen Geschäftspartnern beauftragt Bernie den Agenten Midler, um ausreichend Information über seinen zukünftigen Geschäftspartner zu ermitteln und erneute Unternehmensverluste zu vermeiden.

Zhens Ziel ist es, bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmern wie Bernie ihren Gewinn zu erhöhen. Sie zeigt enormes Geschick, um Bernies ohnehin schon exakte Marge durch Preiserhöhungen in letzter Minute zu senken. Genauso wie Zhen sind die meisten chinesischen Unternehmer außerordentlich geschickt darin, die Wahrnehmungen und Gefühle ausländischer Importeure zu manipulieren, wie Midler in den verschiedenen Kapiteln seines Buches erzählt. Im Folgenden möchte ich auf drei grundlegende Probleme eingehen, die bei Midlers Begegnungen mit chinesischen Produktionsfirmen wie Zhen entstehen:

1) Qualitätsverlust

Viele chinesische Unternehmer versprechen am Anfang ein qualitativ gutes Produkt und liefern dann ein ganz anderes, welches von deutlich schlechterer Qualität ist. Amerikanische Käufer, die erwarten, dass ihr Produkt ordnungsgemäß hergestellt wird, stellen fest, dass ihre Muster nur als grobe Anhaltspunkte oder Vorschläge dienen. Chinesische Hersteller nehmen also ohne Ankündigung Änderungen an der Ware vor und hoffen, dass diese nicht bemerkt werden. Auch Zhen verwandelt viele der unter Vertrag genommenen Düfte in einen deutlich anderen Duft, was von Bernis Unternehmen letztendlich bemerkt wird. Zhen fällt jedoch nichts Anderes als einfallsreiche Ausreden ein, dass ihr billiger Ersatz nicht an Qualität mangelt, um den Abbruch des Auftragsdurchlaufs zu vermeiden.

 

2) Professionalitätsfalle

Bei seinem Besuch in der Shampoo-Fabrik wird Midler einer gründlichen Prüfung unterzogen, bei der es um sorgfältiges Händewaschen, Anziehen von sterilen Schutzkappen und Sicherheitsschuhen sowie ähnlichen Sicherheitsmaßnahmen geht, bevor er die Fabrik betritt. Es scheint alles sehr beeindruckend, professionell und vertrauensbildend. Midler ist zu Beginn sehr beeindruckt von der Professionalität der Chinesen, muss später aber erfahren, dass diese Rituale, sobald die Verträge unterzeichnet und die Gelder überwiesen sind, auf der Strecke bleiben und nicht länger gültig sind. Der Autor kommt durch seine Kundenaufträge zu dem Entschluss, dass die chinesischen Unternehmen ihre Versprechen nicht einhalten.

3) Gesichtsverlust

Chinesische Unternehmern ist es sehr wichtig, gegenüber ihren ausländischen Partnern das Gesicht bewahren. Wenn die Produktion Mängel aufweist und die amerikanischen Unternehmer dies bemerken, versuchen sich die Chinesen höflich auszureden und schlagen neue Alternativen wie geringere Kosten für die nächste Produktion vor, um bloß nicht die bestehende Zusammenarbeit in Gefahr zu bringen.

 

Fazit

In Form von spannenden Tagebucheinträgen berichtet Midler über seine eigenen Erfahrungen als Vermittler zwischen chinesischen Herstellungs- und Produktionsfirmen sowie amerikanischen Importeuren. Dem Leser wird deutlich, wie die chinesischen Unternehmer die ausländischen Geschäftsleute manipulieren: sei es die stetige Verringerung der Produktqualität und der Hygienestandards, oder das Vortäuschen von Professionalität.

Nichtsdestotrotz denke ich, dass das Buch mir einen begrenzten Einblick in die Realität chinesischer Unternehmen gibt, da es zum größten Teil die Sicht von Importeuren von gering qualifizierten Produkten in den USA umfasst. Diese repräsentiert jedoch nicht alle Unternehmen, die ihre Produktionsstätte nach China verlagert haben. Des Weiteren stammen die meisten der berichteten Erfahrungen Midlers aus den frühen 2000er Jahren. China hat sich jedoch über die Jahre in der Produktion und Entwicklung kontinuierlich verbessert und gilt heute als die größte Wirtschaftsmacht. Daher denke ich, dass dem heutigen Leser die einzelnen Berichte nicht mehr aktuell erscheinen. Ich würde das Buch „Poorly Made in China“ nur begrenzt empfehlen, da dem Leser mehr oder weniger nur ältere Tagebucheinträge eines Vermittlers und seinen eigenen Erfahrungen mit dem Import und Handel in China näher erläutert werden. Der Autor geht nicht weiter auf die sozialen, kulturellen und psychologischen Perspektiven der Chinesen ein, was ich persönlich vermisst habe, denn für die Vorbereitung auf mein Auslandssemester habe ich leider nichts Wichtiges lernen können.

 

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Buchrezension: Und über mir das MEER 

  1. Buchdetails
    Titel: Und über mir das MEERUnd über mir das MEER
    Originaltitel: White Chrysanthemum
    Autorin: Mary Lynn Bracht
    Ãœbersetzung aus dem Englischen: Elke Link
    Erscheinungsjahr: 2018
    Seiten: 384
    Verlag: Limes Verlag
    ISBN: 978-3-8090-2681-5
    Preis: 20,00€

Motivation
Auf der Suche nach einem passenden Buch für die Buchrezension habe ich mich auf koreanische Romane konzentriert, da ich gerne solche Bücher lese. Ich suchte eine fiktionale Geschichte, die aber auf wahren Begebenheiten beruht und dessen Thema mir nicht bekannt war, um mein Wissen über Südkorea erweitern zu können. Da die Inhaltsangabe direkt historische und kulturelle Aspekte aufgegriffen und so mein Interesse geweckt hat, habe ich mich für diesen Roman entschieden.

Ãœber die Autorin
Mary Lynn Bracht ist eine amerikanische Autorin mit koreanischen Wurzeln. Sie lebt in London und hat dort an der Universität Kreatives Schreiben studiert. Ihre Kindheit verbrachte sie in einer großen Gemeinde voller Frauen, die in Südkorea während der Nachkriegszeit aufgewachsen sind. „Und über mir das MEER“ ist ihr erster Roman. Die Inspiration für dieses Buch bekam sie 2002 während eines Besuches in dem Dorf, in dem ihre Mutter großgeworden ist. Auf ihrer Reise erfuhr sie von heimischen Geschichten und hörte das erste Mal von den „Trostfrauen“, weiblichen Kriegsgefangenen in japanischen Bordellen.

Aufbau des Buches
Das Buch ist in zwei sich abwechselnden zeitlichen Abfolgen geschrieben, die zwischen zwei Frauen aufgeteilt sind. Zum einen wird das Leben von Hana in den 1940er Jahren wiedergeben. Zum anderen wird Emis Leben im Jahr 2011 darstellt. Das Buch wechselt während des Romans abwechselnd zwischen den Perspektiven der beiden Frauen. Ein Kapitel wird aus der Perspektive von YoonHui, Emis Tochter, erzählt. Zusätzlich enthält der Roman eine Karte Asiens von 1942, weitere Lesungen und einen Ausschnitt mit wichtigen historischen Daten.

Inhalt
Der Roman handelt von zwei koreanischen Schwestern namens Hana und Emi, die durch den Zweiten Weltkrieg voneinander getrennt wurden. Die Schwestern sind haenyeo, Taucherinnen und gehören einer großen weiblichen Gemeinschaft an. Im Alter von 16 Jahren wird Hana von einem japanischen Soldaten entführt. Der Roman konzentriert sich auf die Erfahrungen von Trostfrauen und wie der Krieg verschiedene Hierarchien von Individuen aus verschiedenen Perspektiven beeinflusst hat.
Die Geschichte beginnt mit den beiden Schwestern am Strand der Insel Jeju. Hana ist gemeinsam mit ihrer Mutter im Meer und sie tauchen nach Muscheln, während Emi am Ufer auf sie wartet. Als sich ein japanischer Soldat dem Strand nähert, schwimmt Hana zügig auf Emi zu, um sie vor dem Mann zu verstecken. Der Soldat namens Korporal Morimoto unterhält sich mit Hana ohne, dass er Emi entdeckt. Schließlich nimmt er Hana mit und ihre Schwester wird zurückgelassen. Der Roman teilt sich dann zwischen den beiden Frauen, als Hana eine Trostfrau wird und Emi sechzig Jahre später nach ihrer Schwester sucht.

Hanas Perspektive (1940er Jahre):
Hana wird von Korporal Morimoto zu einer Polizeistation gebracht, wo sie die Lüge erzählt, dass ihre Familie tot sei, damit sie sie nicht finden können. Sie wird zusammen mit anderen Mädchen in einen Lastwagen gesetzt. Während der Fahrt wird Hana von der Gruppe getrennt und zu einer Fähre mit anderen Mädchen gebracht. Auf der Überfahrt zu einem unbekannten Ort vergewaltigt Morimoto sie. Vom Schiff aus geht es für die jungen Frauen in einen Zug, in dem sie die Nachricht erfahren, dass sie in die Mandschurei gefahren und dort in ein Bordell gebracht werden.
Am nächsten Morgen erhalten die einheimischen Soldaten von der Ankunft einer neuen Trostfrau und besuchen Hana. Auch Korporal Morimoto besucht sie jede Nacht während seines Dienstes und vergewaltigt sie. Er schmiedet für sie gemeinsame Pläne und organisiert ihr die Flut aus dem Bordell. Hana nutzt diese und versucht dem Korporal zu entkommen, jedoch holt er sie ein und sagt ihr, dass er sie in die Mongolei bringt.
In der Mongolei wird sie bei einer kleinen Familie untergebracht. Korporal Morimoto hingegen verlässt sie für eine gewisse Zeit und Hana beginnt mongolische Begriffe und die Menschen, bei denen sie wohnt, kennen zu lernen. Als Morimoto wiederkehrt, versucht sie auf einem Pony zu fliehen. Der Mann holt sie schließlich ein, jedoch werden die beiden von sowjetischen Soldaten festgenommen. Die Soldaten töten Korporal Morimoto und lassen Hana an die mongolische Familie frei. Diese bringt sie zurück an den Ort, an dem sie leben. Der Roman endet aus Hanas Sicht mit dem Schwimmen im Uvs See.

Emis Perspektive (2011):
Emi beginnt ihren Tauchgang als haenyeo mit JinHee, einer Taucherfreundin. Emi spricht von einem Traum, den sie oft hat, wo sie auf einer Klippe steht und die Stimme eines Mädchens hört, das nach ihr ruft, was vertraut, aber seltsam ist. Sie ist 77 Jahre alt und spricht oft davon, dass das Tauchen ein Geschenk ist, das ihre Mutter ihr beigebracht hat. Emi spricht darüber, dass sie ihre Kinder nicht oft besucht, weil sie eine distanzierte Beziehung zu ihnen hat. Sie nimmt ein Taxi und dann ein Flugzeug nach Seoul, um ihre Familie zu besuchen.
JinHee überzeugte Emi, zur Eröffnungsfeier des Jeju Peace Park zu gehen, der an den Jeju-Aufstand von 1948 erinnert. Der Jeju-Aufstand von 1948 führte zum Massaker an über zwanzigtausend Inselbewohnern. Sie erinnert sich, wie ihr Familienhaus verbrannt wurde, als sie vierzehn Jahre alt war. Als sie an der Veranstaltung teilnimmt, bemerkt sie, dass alle die gleichen Blumen trugen, weiße Chrysanthemen, die ein Symbol der Trauer sind.
In Seoul ist Emi bei der tausendsten Mittwochsdemonstration, die seit 1992 stattfindet. Sie erinnert sich an die Zeit bevor der Koreakrieg begonnen hatte, wie 1948 ihr Vater von einem Polizisten vor ihr und ihrer Mutter die Kehle aufgeschlitzt bekam. Sie und ihre Mutter flohen, wurden jedoch von Polizisten entdeckt und diese brachten sie zu einer Polizeistation. Einer der Polizisten, HyunMo, zwang Emi, ihn zu heiraten. Als Emi im Moment der Demonstration zurück ist, trifft sie eine Gruppe älterer Frauen und fragt, ob sie eine Hana gekannt haben. Sie antworten, indem sie sagen, dass sie nach Blumen benannt wurden, aber nicht die richtigen Namen des anderen kannten. Die Demonstration geht weiter, und es gibt eine Statue des Friedens, von der Emi weiß, dass sie von Hana ist. Emi erzählt ihren Kindern, dass sie kein Einzelkind war und dass sie es ihnen aus Scham nicht gesagt hat. Sie verrät, dass ihre Schwester Hana sich selbst geopfert hat, um sie zu retten.
Hyoung, Emis Sohn, fragt sie, warum sie ihren Vater gehasst hat. Sie offenbart ihren Kindern, dass sie nicht aus Liebe geheiratet haben, sondern wegen des Krieges. Sie war mit sechzehn Jahren schwanger und hatte Angst, Mutter zu werden. Nachdem sie erfahren hatte, dass HyunMo ihre Mutter töten ließ, sagte sie ihrem Sohn, dass er das Einzige sei, was sie davon abhielt, sich selbst zu töten. Ihr Sohn wurde in dem Jahr geboren, in dem der Koreakrieg begann. Emi besucht die Statue wieder mit ihren Kindern. Sie sagt, dass es ihre Schwester Hana sei. Sie erzählt YoonHui, dass sie stolz darauf war, dass sie die Universität besucht hat, und dass sie stolz auf ihren Sohn war. Emi ist endlich zufrieden, da sie denkt, dass sie Hana endlich gefunden hat.

YoonHuis Perspektive (2012):
YoonHui liegt im Meer und möchte tauchen, um sich daran zu erinnern, wie es ist, eine haenyeo, wie ihre Mutter zu sein. YoonHui besuchte die Statue, nachdem ihre Mutter gestorben war. Ihr Neffe wies darauf hin, dass jemand Blumen hinterlassen hatte, es waren weiße Chrysanthemen. Ihre Freundin fand den Künstler, der die Statue geschaffen hat, und sie teilten ein Schwarz-Weiß-Foto, das die Statue inspirierte. Sie stammt von der Tochter einer Frau, die während des Zweiten Weltkriegs von russischen Soldaten gefangen genommen wurde und sie dem Museum für sexuelle Sklaverei geschenkt hatte. Es hatte das Etikett von haenyeo girl, mit dem Datum 1993. YoonHui verabschiedet sich von der Statue mit den Worten „Tante Hana“.

Fazit
“Und über mir das Meer” ist eine fiktionale Geschichte, die auf historischen Fakten beruht und deshalb für mich besonders schockierend ist. Ich habe vor diesem Buch gar nichts über die so genannten ,,Trostfrauen“ gewusst und finde es daher gut, dass die Autorin hier das oft verdrängte und fast vergessene Thema aufgreift. Es ist schrecklich, was damals mit den koreanischen Mädchen passiert ist, wobei mich Hana während des Lesens beeindruckt hat. Sie ist eine starke junge Frau, die sich selbst opfert, damit ihrer Schwester ein schlimmes Schicksal erspart bleibt. Während ihrer Zeit im Bordell nimmt sie nicht alles einfach so hin, sondern wehrt sich erst und lässt sich nie ganz unterkriegen. Durch die neutrale Schreibweise wird man als Leser immer auf Distanz gehalten, wobei ich denke, dass nur so die Geschichte überhaupt lesbar und erträglich bleibt. Meiner Meinung nach ist es gut, dass die Autorin sich hier ausführlich mit dem verdrängten Thema auseinandergesetzt hat und dadurch den Frauen, die bis heute unter der Vergangenheit leiden, eine Stimme gibt. ,,Und über mir das Meer” ist für mich ein sehr beeindruckender, aber auch bewegender Roman, welcher mich ein Stück besser auf meine Zeit in Südkorea vorbereitet hat. Gerne empfehle ich dieses Buch weiter.

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Buchrezension: Die Chinesen – Psychogramm einer Weltmacht

CoverAllgemeine Informationen:

  • Titel: Die Chinesen – Psychogramm einer Weltmacht
  • Autoren: Stefan Baron, Guangyan Yin-Baron
  • Verlag: Econ
  • ISBN: 978-3430202411
  • Erscheinungsjahr: 9. Februar 2018, 7. Auflage
  • Umfang: 448 Seiten
  • Preis: 25 €

 

Ãœber die Autoren:
Stefan Baron, Jahrgang 1948, war für 16 Jahre Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Er ist preisgekrönter Journalist und Volkswirt, der bereits am Kieler Institut für Weltwirtschaft und beim Spiegel arbeitete. Im Jahr 2007, kurz vor der Finanzkrise, ging er aktiv in die Wirtschaft und wurde 2012 Kommunikationschef der Deutschen Bank.
Seine Ehefrau Guangyan Yin-Baron, geboren 1967, studierte in China Kommunikation und Journalismus und arbeitete bei der “Kanton-Zeitung”, einer der größten Zeitungen des Landes. Sie kam 1993 nach Deutschland, um Ökonomie in Witten-Herdecke zu studieren. Sie lebt seither in Deutschland und ist als Beraterin für Unternehmen beider Länder tätig.

Meine Motivation:
Einerseits versprach die wirtschaftliche und wissenschaftlich fundierte Ausrichtung des Buches einen für mich passenden und repräsentativen Einblick in Charakteristika, Handlungsmuster und Intentionen des chinesischen Volkes zu gewinnen. Andererseits handelte es sich nicht um ein reines Fachbuch oder gar wissenschaftliche Literatur, was guter Lesbarkeit und leichterem Verständnis zu Gute kommen sollte. Diese Erwartungen wurden gestützt durch zahlreiche positive Statements und Auszeichnungen, wie beispielsweise:

  • “Ein spannendes und außerordentlich lehrreiches Buch.” – Sigmar Gabriel; ehemaliger Außenminister
  • “Differenziert und faktenreich” – Bundeszentrale für politische Bildung
  • Auf der Bestenliste “Sachbücher des Monats Mai 2018” von Die Welt, Neue Zürcher Zeitung, WDR 5, Österreich 1 und Telepolis
  • Auszeichnung als Wirtschaftsbuch des Jahres

Entsprechend erhoffte ich ein hochaktuelles und tiefgehendes Porträt jenes Volkes, welches mich bald für ein halbes Jahr umgeben wird und welches – wie kein anderes – unsere zukünftige Welt prägen dürfte.

Gliederung und Inhalt:
Nach der Einführung, welche beispielsweise die Schreibweise chinesischer Namen, aber auch das Problem der “chinesischen Herausforderung” behandelt, untergliedert sich das Buch in drei Teile mit mehreren Unterpunkten, in denen insb. der Einfluss der konfuzianischen Geisteshaltung auf gesellschaftliche Entwicklungen in China aufgezeigt wird.
Teil I behandelt die Psychologie des Volkes in Hinblick auf Vielfalt und kollektives (Unter-) Bewusstsein; das westliche China-Bild im Wandel der Zeiten zwischen Faszination, Furcht und Verachtung; Geistes- und kulturgeschichtliche Grundlagen von Konfuzius und Laotse bis Mao und Deng. In Teil II geht es um Erziehung und Sozialisation bezüglich Familie, Hierarchie, Bildung; um Chinas praktisches, ganzheitliches und dialektisches Denken und Wahrnehmen; die vieldeutige, indirekte und distanzierte Sprache und Kommunikation; Moral und Gesellschaft mit Themen wie Nächstenliebe, der Bedeutung von Netzwerken oder Gesichtswahrung („Mianzi“); die Stellung sowie das sachliche, nüchterne und partnerschaftliche Verhältnis von Mann und Frau; sowie Lebenseinstellung und Temperament, welche als vital, gewieft, gleichmütig beschrieben werden. Teil III bildet den Abschluss mit Fokus auf Wirtschaft und Arbeitswelt, insb. Paternalismus, Merkantilismus und Modernisierung; Staat und Herrschaft zwischen Meta-Konfuzianismus und Sino-Marxismus sowie China und der Welt in Hinblick auf Frieden, Stärke und Multipolarität.
Die meisten Wirtschaftsvertreter sehen China vor allem als sehr bedeutsamen Wirtschaftsfaktor. Das „Reich der Mitte“ fungiert einerseits als riesiger Absatz- und Beschaffungsmarkt, steht andererseits inzwischen als ernstzunehmender Wettbewerber dar. Die Orientierung an volkswirtschaftlichen Kenngrößen reicht nach Meinung der beiden Autoren nicht aus, um die Entwicklungen rund um den enormen Aufstieg Chinas zu erfassen, welcher letztlich die bisherige, von den USA dominierte Weltordnung, neu justiert. Es gelte auch Geisteshaltung, Kultur und Geschichte der Chinesen zu verstehen. Das vorliegende Psychogramm der Chinesen – genauer der Han-Chinesen, da China ein Vielvölkerstaat mit erheblichen ethnischen Konfliktfeldern ist – möchte dies skizzieren.
Die Autoren betonen die starke Prägung der chinesischen Denkweise durch Konfuzius. “Zentrales Ziel der konfuzianischen Lehre ist es, das Zusammenleben so zu regeln, dass die Menschen in Harmonie miteinander und mit der Natur leben können.” Dorthin führe der “Weg der Mitte”. Maß und Mitte bedeuten in diesem Zusammenhang, extreme Handlungen oder Meinungen zu unterlassen, nicht einen alleinigen Wahrheitsanspruch zu erheben und bei Konflikten mit Verständnis für die andere Seite zu reagieren. In Anbetracht des Verhaltens der chinesischen Staatsgewalt ggü. Andersdenkenden klingt letzteres jedoch zu euphemistisch.

Fazit:
Ãœber China und die Chinesen bestehen im Westen gemeinhin zahlreiche Vorurteile. Nicht verwunderlich, denn kaum eine andere Kulturnation als die chinesische wirkt zur europäischen Kultur fremder. Stefan Baron und Guangyan Yin-Baron wollen als Autorenpaar mit naiven Klischees aufräumen und dazu bewegen, eigene Sichtweisen zu hinterfragen. Man lernt über den Stellenwert des Konfuzianismus in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, erlangt Verständnis vom chinesischen Bestreben nach mehr Macht und dem aggressiven Verhalten der Trump-Administration, welche den Status quo US-amerikanischer Vorherrschaft zu verlieren droht. Beispielsweise ist das historisch einmalig ambitionierte Projekt der “Neuen Seidenstraße” mit eurasischem Verlauf insbesondere im Interesse Chinas und soll dessen wirtschaftliche Position und geopolitische Relevanz nachhaltig weiter verbessern. Laut den Autoren liegt die größte Bedrohung für den Frieden allerdings nicht im chinesischen Nationalismus oder der Aufrüstungspolitik, sondern geht von einer Fehleinschätzung dieser Absichten aufgrund unzureichenden Verständnisses aus. Jedoch wird betont: “Verstehen bedeutet nicht gutheißen.” Die Autoren sind keineswegs unkritische Unterstützer des autoritären Staatskapitalismus Chinas, sondern befürworten eine multipolare Weltordnung.
Wie der Untertitel „Psychogramm einer Weltmacht“ verspricht, erhält man detaillierte, fundierte Einblicke in historische, kulturelle, geisteswissenschaftliche sowie sozio-psychologische Aspekte des „Reichs der Mitte“, wodurch das Buch eine ideale Vorbereitung auf mein Auslandssemester darstellt. Natürlich kommt dieses nicht ohne diverse Verallgemeinerungen aus, was den Autoren jedoch durchaus bewusst ist und mit der nötigen Vorsicht betont wird. Das Werk ist trotz seines gehobenen Anspruchs gut verständlich, was es erleichtert, kulturelle Prägungen sowie die Kontinuität des politischen Denkens von Konfuzius über Mao bis heute nachzuvollziehen. Hinsichtlich sensibler Themen wie Menschenrechten oder der Minderheitenproblematik hätte ich jedoch eine kritischere Positionierung gewünscht. Allerdings wurde dies scheinbar bewusst ausgeklammert, um nicht in politische Statements zu verfallen.

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Buchrezension: Zwei nach Shanghai – 13.600 Kilometer mit dem Fahrrad von Deutschland nach China

 

Titel: Zwei nach Shanghai – 13. 600 Kilometer mit dem Fahrrad von Deutschland nach China

Erscheinungsjahr: Neuauflage 2017

Autoren:Hansen und Paul Hoepner sowie Co-Autorin Marie-Sophie Müller

Verlag: Malik

Seitenzahl: 270 (mit 34 farbigen Fotos, 12 Filme und einer Karte)

ISBN:978-3-492-40573-7

Preis:15,00 Euro

 

Motivation:

Für mich ist ein interessantes Buch eines, das Informationen nicht hintereinander reiht, sondern selbst Spielraum gibt, diese herauszufiltern. Demnach war es mir wichtig, dass die Fakten über China in eine wahre Geschichte eingebettet sind und aus erster Hand stammen. Die Suche hatte sich schwieriger gestaltet als gedacht, doch bin ich auf Amazon auf Zwillingsbrüder gestoßen, die ich bereits aus einem anderen waghalsigen Projekt, das in „stern TV“ ausgestrahlt wurde, kannte. Bei dem Projekt ging es darum, ob es möglich ist, ohne Geld in 80 Tagen um die Welt zu kommen. Bereits da war ich fasziniert, was die beiden Abenteurer auf die Beine stellen und mir kam auch jetzt wieder die Frage auf: Warum machen die das? Dieser Frage auf den Grund zu gehen und gleichzeitig ein besseres Verständnis für China, die Kultur und die Geschichte zu entwickeln, ließen meine Motivation für das Buch „Zwei nach Shanghai – 13.600 Kilometer mit dem Fahrrad von Deutschland nach Shanghai“ steigen. Auch die Parallele, dass die zwei Brüder ein Abenteuer vor sich haben – so, wie ich demnächst eines vor mir haben werde –, empfand ich als sehr vielsprechend. Die  Auswahl des Buches wurde ebenfalls durch die Möglichkeit unterstützt, einzelne Etappen der beiden durch selbstaufgenommene Videos zu sehen oder Blogposts zu lesen, die realistische Bilder der Umgebung, der Menschen und Kultur vermitteln. Auch freue ich mich auf die dazugehörige Dokumentation, die ich mir nach dem Lesen des Buches gerne anschauen möchte.

Ãœber Autoren/Akteure:

Die Zwillingsbrüder Paul und Hansen Hoepner sind am 6. April 1982 in Siegen am Hohentwiel geboren. Trotz identischer DNA sind die beiden grundlegend verschieden, teilen jedoch die gemeinsame Leidenschaft für Abenteuer. Sie verkörpern die Rollen eines Abenteuers, eines Reisebuchautors und eines Dokumentarfilmers.

Hansen ist der – um wenige Minuten – ältere Bruder von beiden und studiert an der Akademie für Bildende Künste in Maastricht Produktdesign, Goldschmiede und Fotographie. Er arbeitet seit einigen Jahren an einem Kreativprojekt KAOS (www.kaosberlin.de) mit und hat sich dort mit einer Werkstatt für Produktdesign und Goldschmiede selbständig gemacht.

Paul hat in Köln Mediendesign studiert und arbeitet in Berlin als Web- und App-Entwickler. Zuletzt schloss er den Studiengang „Human Factors“ an der TU Berlin ab.

Unterstützt wurden die beiden von der Autorin Marie-Sophie Müller, die 1998 ihren ersten Studienabschluss in Texterschmiede in Hamburg erreichte und anschließend Germanistik, Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Köln und Amsterdam studiert hat. Sie arbeitet seit mehreren Jahren als freie Journalistin in Berlin.

Wie oben bereits erwähnt, sind die eineiigen Zwillinge sehr verschieden, aber auch in vielerlei Hinsicht gleich, wie es sich auch im Buch herausstellt. In puncto Frauen haben sie ganz unterschiedliche Ansichten. Auch sind materielle Dinge Paul wichtiger als Hansen. Darüber hinaus bezeichnet sich Paul als unflexibler und sogar unfreier, was sich hin und wieder in den unterschiedlichen Kapiteln zeigt. Sie nahmen sich vor, jedes Jahr aufs Neue eine Radtour zu planen und immer ein wenig weiter zu fahren. Und diese Mal ging es eben nach China.

Aufbau des Buches:

Bei dem Aufklappen des Buches fällt dem Leser eine Landkarte mit der eingezeichneten Route von Berlin nach Shanghai ins Auge. Genau an dieser Karte hangeln sich die elf Kapitel entlang. Die Route verläuft über Polen, Litauen, Lettland, Russland, Kasachstan, Kirgisistan bis hin nach China. Unterstützt werden die Kapitel durch QR-Codes, die am Ende jedes Kapitels dem Leser die Möglichkeit einräumen, in die Echtheit des Erzählten einzutauchen. Auch werden Fotos im Buch dargestellt, die die Reise dokumentieren und Abwechslung in den Lesefluss bringen. Die jeweiligen Geschichten wurden von den beiden immer im Wechsel auf einer sehr emotionalen und mitreißenden Ebene erzählt. Das Ganze ähnelt einem Tagebuch der zwei. Der Aufbau des Buches lässt sich entweder durch die einzelnen Länder und Erfahrungen gliedern oder durch die Hälfte der gefahrenen Kilometer – und damit vor China – und der anderen Hälfte der Kilometer in China. Letztere Gliederung ist insbesondere für meine Rezension passender und hilft mir dabei, den Fokus auf China zu richten.

Geschichte:

Die Geschichte begann 2011 damit, dass Hansen – der wenige Minuten ältere Zwillingsbruder – den jüngeren mitten in der Nacht anrief und „Shanghai“ als erstes Wort in den Hörer schrie. Paul wusste nicht wirklich etwas damit anzufangen und war im ersten Moment etwas verwirrt. Hansen erklärte ihm sein Vorhaben. Er glaubte, sein Bruder würde Späße machen und legte nach Äußerungen wie „du kannst doch nicht mit dem Fahrrad durch den Himalaja fahren! Weißt du, wie hoch das ist? Schon mal von Höhenkrankheit gehört?“ auf. Noch in dieser Nacht plante Hansen die komplette Route von etwa 13.000 Kilometern in 150 Etappen und schickte seinem Bruder diese in einer E-Mail. Nach dem Lesen dieser Mail wusste Paul, dass das Ganze wohl kein Scherz war und von jetzt auf gleich ist Hansen nach Berlin gezogen. Dort fand ein knappes Jahr lang mit Hunderten Vorbereitungsstunden die Planung der Route sowie des Equipments statt. Das Ziel, das die beiden verfolgten, war es nicht, die Stadt Shanghai zu erreichen, sondern vielmehr, sich besser kennenzulernen.

2012 an ihrem 30ten Geburtstag brachen die beiden mit einem Zelt, Isomatten und zwei Fahrrädern und ganz viel Tatendrang in Richtung Shanghai auf. Sie waren sieben Monate unterwegs und legten Tausende von Kilometern zurück.

Sie bezeichneten es als die Fahrt ihres Lebens. Auf der einen Seite erlebten sie unzählige Momente des größten Glücks, die mit unvergesslichen Momenten in der Natur, der Liebe und Gutmütigkeit der verschiedensten Menschen sowie dem Kennenlernen der eigenen und der Grenzen der besseren Hälfte verbunden waren. Auf der anderen Seite verliefen sie sich in ausweglose Situationen. Dabei wurden sie ausgeraubt, mussten die Schmerzen von eisiger Kälte, Höhe oder einem Hexenschuss aushalten, wurden am Checkpoint Tibet zurückgewiesen oder waren körperlich und psychisch am Ende. Dieser Absatz zur Geschichte umfasst einen sehr allgemeinen Teil, nun möchte ich mich der Zeit in China widmen. Als sie China erreichen, merken sie, wie verrückt das Leben dort ist. Sie sind noch nie an einem Ort gewesen, an dem man weder die Sprache noch die Gesten versteht. Einfach alles ist komplett weltfremd. Die Zwillinge haben in Sary Tash noch ein paar Basics von anderen Reisenden wie „Hallo!“, „Tschüss!“ oder „Ich heiße …“ gelernt, doch kein Mensch versteht diese Laute. Auch die Sensibilität im Hinblick auf die Einreise, das Visum und die Polizei stellt die beiden immer wieder aufs Neue vor Herausforderungen. Entweder haben sie an den Grenzen Probleme, ihr gesamtes Equipment mit all ihren Speicherkarten mitzunehmen, oder ein Hotel zu finden, dass eine „Temporary Residence Registration“ ausstellt, oder ein neues Visum vor Ablauf aufgrund von zeitlichen und chinesischen Besonderheiten vorzeitig ausgestellt bzw. verlängert zu bekommen. In letzterer Situation merken die beiden, dass ein „NEIN“ nicht endgültig ist. Fünf Stunden später wird aus dem „NEIN“ ein „JA“. Während ihrer Fahrt merken die beiden: Je näher sie Shanghai kommen, desto westlicher werden die Umgebung und die Menschen. Die Landschaft weist weit weniger Platz zum Zelten auf, sodass weniger Natur und Reisfelder die Route nach Shanghai bestimmen. Sie zelten nur noch sehr selten aufgrund des mangelnden Platzes und wegen der vergleichsweise günstigen Preise, in einem Hostel abzusteigen. Während ihrer Zeit in China fällt ihnen auf, dass das Land sehr unterschiedliche Schichten und Charakterzüge der Chinesen aufzeigt. Hansen und Paul nehmen die Chinesen vor allem in der ersten Zeit in China als gaffende, nervende und teilnahmslose Mitmenschen wahr, die weder Distanz noch Privatsphäre kennen. Das untermalt auch eine Situation, die passiert, als die beiden ein Hostel betreten, das vorher mit 69 Yuan draußen angeschlagen war, plötzlich aber auf 96 Yuan geändert wird. Doch sie revidieren ihre Ansichten, denn als es den Zwillingen schlecht geht, sie kein Geld mehr haben und auf die Hilfe angewiesen sind, helfen die Chinesen den beiden mit großzügigen Spenden aus der Patsche

Fazit:

Die Autoren haben schon einige Bücher über ihre Abenteuer geschrieben. Es war das erste Buch, das ich von den beiden gelesen habe. Es war teilweise sehr fesselnd, da sie den Leser auf ihre Reise mitnehmen und die Länder auf eine ganz andere Art und Weise präsentieren als es beispielsweise Sachbücher tun. Die Untermauerung mit den Videos, Bildern und Blogposts verleiht der Geschichte noch mehr Realität. Durch die vermittelten Eindrücke und Inhalte konnte ich mir ein gutes Bild von der Vielfalt Chinas machen. Von Ländern, die in ihrem Entwicklungsstadium eher unterentwickelt sind, aber auch von denen, die gerade ihre Hochphase erreichen, z. B. in puncto Digitalisierung. Darüber hinaus vermittelt das Buch so viele verstrecke Inhalte, so etwa über das Verhalten, die Sitten und Normen sowie die Kultur der chinesischen Bevölkerung. Auch Kritik wird geäußert, dass in China der Polizei nicht widersprochen wird und die Chinesen sehr unterdrückt werden. Gerade kritische Erlebnisse der beiden regen mich zum Nachdenken an und zeigen mir, dass es nicht überall von Vorteil ist, seine Meinung frei zu äußern.

Durch ihren straffen Zeitplan kam es mir manchmal so vor, als wäre an einem Ort nur das nötigste gemacht worden, und dann ging es bereits weiter. Gerade in China hätte ich mir ein häufigeres Aufeinandertreffen mit Chinesen gewünscht, damit ich noch mehr Input aus den Treffen ziehen kann. Doch waren die Aufenthalte eben sehr eng getaktet, was ich auch gut verstehen kann. Der Grund dafür, warum Shanghai das Endziel der Reise der beiden sein soll, ist für mich leider nicht ganz ersichtlich. Trotz der genannten Kritik kann ich das Buch und die dazugehörige Dokumentation „Berlin2Shanghai“ nur empfehlen. Es ist alles in allem eine interessante Geschichte, die auch und vor allem auf die Parallele verweist, dass wir alle uns in naher Zukunft in ein Abenteuer stürzen werden.

 

Hilfreiche Links:

Offizielle Seite der Zwei

http://hoepner-hoepner.de/abenteuer-zwei-nach-shanghai/

Dokumentation „Berlin2Shanghai“

http://hoepner-hoepner.de/portfolio/berlin2shanghai-3-teilige-tv-dokumentation/

 

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Literature review: Hagakure: The Book of the Samurai

General InformationHcover

Title: Hagakure: The Book of the Samurai

Author: Yamamoto Tsunetomo

Translated by: William Scott Wilson

Publisher: Kodansha International

Year of Publication: 2000

ISBN: 978-4-7700-2612-5

Pages: 188

 

About the author:

Yamamoto Tsunetomo was born in 1659 in the Saga domain in Japan. When he was born, his father (Yamamoto Jin’emon) was 71 years old and he was a loyal retainer of one of the local feudal lords named Nabeshima Katsushige. Tsunetomo was not in a very healthy situation during his childhood the local doctors believed he can’t live more than 20 years. He became the loyal retainer of Nabeshima Mitsushige for thirty years.

It was in 1700 when Nabeshima died and according to the traditions of that period of time, Tsunetomo was supposed to kill himself by the way of a Samurai but it did not happen. The reason was regarding the Nabeshima’s opinion about Junshi (following the lord in death) which he wasn’t supporting this voluntary act and Tsunetomo did not commit Seppuku after his master’s death. Later and after his retirement from the court, he became a monk. From 1709 and for around seven years he narrated some of his thoughts to a fellow Samurai named Tashiro Tsuramoto. Years later his commentaries were published in a book called Hagakure. Tsunetomo died when he was 60 years old in 1719.

My Motivation:

Japan has a rich culture and the Samurai culture has always been a mystery for me and I decided to go deep into the life of a Samurai to study their beliefs and lifestyle. I was a fan of East Asian martial arts and the book “Hagakure” is a remarkable reference to go back to around 350 years ago and see how the life of a Samurai was and to see the importance of following the master from the first day a Samurai enters his court until the day which the Samurai decides to devote his life to his master.

Samurai people were always known as warriors who fight with their Katanas with all their power and do not have a fear of death, but the things which do not consider much about the Samurai, are the background behind their beliefs and characteristics like pride, ethics, respect, courage, and sacrifice. This book helped me to figure out the philosophy behind the life of a Samurai and how even very little daily behaviors are important in their way of living.

Structure:

The book consists of 11 chapters and each chapter has shorts comments from Tsunetomo about different aspects of a Samurai’s life. The book has written in small chunks and does not follow a continuous storyline. Also, many stories about the happenings at that period of time are included in the book and Tsunetomo had expressed his feelings and opinion about those stories.

A great focus of the book is about the readiness of a Samurai to die at any time. Moreover, daily rituals of a Samurai are introduced with the emphasis on how a Samurai should always act like a gentleman. Some other subjects of a Samurai’s life which have been discussed in different chapters of the book are about appearance, wealth and material things, religion and much more which will be mentioned in the following part of the book review.

Content:

Hagakure is a Japanese word which means “Hidden Leaves”. Hagakure is the book of the Samurai. In the first chapter, this very basic question has been simply answered. What is the way of the Samurai? The way of the Samurai is found in death.

First, it has to be explained who is a Samurai? The Samurai were the pre-modern Japanese warriors. They were provincial warriors before they come to power in the 12th century. Before the 12th century, they were in charge of backing up and supporting the authority of great lords. Minamoto Yoritomo was the founder and first Shogun of the Kamakura Shogunate in Japan. In 1192, Minamoto set up the first Samurai government in Japan and the Samurai started their ruling over Japan for the almost next 700 years. In the late 1200s, the Samurai became more powerful and went to fight with Mongols and defeated them. They developed their military style and used swords as their main weapon. Later, the very famous Japanese sword introduced to the world. Katana was a traditional Japanese sword which was used by the Samurai people. Being a Samurai was not only a job but also a social class. The power of the Samurai had ups and downs until the time of the Meiji Restoration. In 1867, Meiji named Tokyo as the new capital of Japan and a year later he introduced the “Five Articles Oath” which was the beginning of a new era in Japan and began the dismantling of the Samurai. In 1873, Meiji established an army which was open to anyone and three years later the use of swords was banned, and the Samurai lost their profession and this special social and military class ended up after around one thousand years. The way of a Samurai is called Bushido and one of the purposes of Hagakure is to define Bushido. There is remarkable randomness in the book and as too many different and scattered topics are mentioned, only some of the most interesting points from the view of the author will be discussed.

The book just begins with this explanation in the 1st chapter: “The Way of the Samurai is found in death. When it comes to either/or, there is only the quick choice of death. It is not particularly difficult. Be determined and advance. To say that dying without reaching one’s aim is to die a dog’s death is the frivolous way of sophisticates. When pressed with the choice of life or death, it is not necessary to gain one’s aim.” A Samurai knows that death without achieving the goal is worthless but there is no shame in it. A Samurai must always be ready to die. It has been mentioned many times in the book and Yamamoto believes that the highest virtue of one’s life is to accept the death with calmness and dignity. Even the next part which will be discussed is going back to Yamamoto’s belief about death.

A Samurai must always pay attention to his appearance. He should wake up early in the morning at 4 o’clock and eat his breakfast by the time of sunrise, take a shower and dress up his hair. A Samurai also rests from the time of sunset. He should always cut the fingernails and rubbing them with a kind of rock called pumice and then with wood sorrel. They always kept their armors totally clean and shined. But the reason for doing these things goes back to their most important aspect of their life which was the death. As they are expecting to die at any time, their appearance must be always in its best form to send the message to the enemy that they are always proud even in the moment of their death.

In the way of a Samurai, righteousness is an important matter but not the same as the view of the public’s opinion. It is suggested that paying too much attention to be righteous is not the best way of living. And the way of Samurai is in a higher place than being righteous. A person should learn from experiencing and if it is not always possible for them, he should consult others to find the best way.

Another important aspect of a way of a Samurai is to let people compensate for their faults. Once there was a council about promoting a person. They decided not to promote the man because he was once a participant in a drunken brawl. Then a person in the council said that if we want to eliminate everyone who had once made a mistake, then we won’t have any useful person in our community. Then he was asked if he can guarantee that man or not and he said yes, I will guarantee him. When he was asked why do you guarantee him? He answered: I guarantee him because once upon a time he made a mistake and if a person has not ever made a mistake, that person is dangerous and unreliable.

There are two things which put a Samurai’s life into trouble: honor and riches. If a person struggles with the hardships of life, he will make fewer mistakes. So, it seems that the life of a Samurai is not only about fighting and using Katanas. Yamamoto describes many different aspects of a Samurai’s life from his appearance to his even social behaviors which will be mentioned in the following part.

A Samurai should not yawn in front of other people. He also has to practice how to speak in front of people and take care of what he writes in his letters even the letter only consists of one line. A person has to make his life powerful and strong until the time he enters the 5th decade of his life and try to form a family life by entering the 6th decade of life. When people are happy, they should not show too much pride and extravagance because it is dangerous. If someone is not prudent in normal times of his life, he will not be able to compensate in hard times. When someone exaggerates in happy times, he will suffer in bad times.

Conclusion:

Although the book is about the thoughts of a Samurai back to around 350 years ago, its content has too many stories and lessons which are totally feasible in today’s life. The content of the book is interesting from the point of the author and there are for sure some critics about the book which in overall do not influence the greatness of the Hagakure. It has also to be mentioned about the very good translation of the book by William Scott Wilson.

The book is not only a good practice for studying the beliefs of the Samurai people, but also takes us back to the very old and rich culture of Japan and how the Japanese are influenced by the behaviors of the Samurai in their modern life.

I would like to finish this literature review by quoting a noteworthy part of the Hagakure:

“There is surely nothing other than the single purpose of the present moment. A man’s whole life is a succession of moment after moment. There will be nothing else to do, and nothing else to pursue. Live to being true to the single purpose of the moment.”

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Buchrezension: Das Schicksal der Drachentöchter

Titel: Das Schicksal der DrachentöchterCover
Autor: William Andrews
Erscheinungsjahr: April 2018, Originalausgabe 2016
Verlag: Tinte & Feder
Seitenanzahl: 413 Seiten
ISBN: 978-2919800025
Preis: 9,99 €

Motivation
Da ich mich schon seit längerer Zeit für Korea interessiere, habe ich mich häufig mit dem Land und auch dessen Geschichte beschäftigt. Daher habe ich für die Rezension nach einem Buch gesucht, in dem ich etwas mehr über Koreas Geschichte lernen kann. Ich stieß bei meiner Suche auf ,,Das Schicksal der Drachentöchter“ und die guten Rezensionen brachten mich dazu, einen näheren Blick auf das Buch zu werfen. Obwohl ich wusste, dass es während des zweiten Weltkriegs Trostfrauen gegeben hat, konnte ich mir nicht sehr viel über die wirklichen Umstände und wie heute mit diesem schrecklichen Teil der Geschichte umgegangen wird, vorstellen. Nachdem ich den Klappentext gelesen habe, wollte ich herausfinden, was es wirklich damit auf sich hatte und ob der Titel, der für mich anfangs nur wenig mit der Geschichte im Buch zu tun hatte, später Sinn ergeben würde.

Ãœber den Autor
Der amerikanische Autor William Andrews arbeitete über dreißig Jahre lang als Marketingleiter für verschiedene Konzerne und gründete später seine eigene Werbeagentur. Nachts und an Wochenenden schrieb er fiktive Geschichten. Sein dritter Roman ,,Das Schicksal der Drachentöchter“ wurde durch seine in Korea geborene Adoptivtochter inspiriert. Durch sie hat Andrews eine starke Verbindung zu Korea und ist fasziniert von dem Land. Seit Andrews in Rente gegangen ist, widmet er sich dem Schreiben komplett, sodass 2018 ein weiterer Teil der Geschichte um Anna Carlson veröffentlicht wurde.

Gliederung und Inhalt
Der Roman umfasst 49 Kapitel und gibt am Ende noch einige Informationen zu der heutigen Lage von ehemaligen Trostfrauen und wie Korea und Japan dieses Thema aufarbeiten beziehungsweise zu den Akten legen möchten. Außerdem findet sich im letzten Teil des Buches ein kleines Interview mit Andrews, in dem er erklärt, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt, die allerdings auf wahren Ereignissen beruht.
Im Roman, der einen Einblick in die Geschichte Koreas zulässt, gibt es zwei Hauptfiguren, die jeweils im Wechsel aus der Ich-Perspektive erzählen. Diese Wechsel sind gut zu erkennen, da jeweils sowohl das Jahr als auch der Ort, an dem die Geschichte nun spielt, angegeben werden.

Die Geschichte beginnt mit der amerikanischen Studentin Anna Carlson, die nach dem Tod ihrer Adoptivmutter nach Seoul in Korea reist, um ihre leibliche Mutter zu finden. Dort angekommen, muss sie feststellen, dass diese bereits bei ihrer Geburt verstorben ist. Anna trifft allerdings auf ihre Großmutter Jae-hee, die ihr von ihrem Leben erzählen möchte und dabei mit den schrecklichen Erlebnissen während des zweiten Weltkriegs beginnt.

Das Leiden als Trostfrau
Jae-hee ist erst 14 Jahre alt, als sie und ihre zwei Jahre ältere Schwester Soo-hee einen Befehl der japanischen Armee bekommen, in dem geschrieben steht, dass sie in einer Stiefelfabrik arbeiten sollen, um dort Japan zu dienen. Dort angekommen, müssen die Mädchen feststellen, dass die besagte Stiefelfabrik nicht existiert und es eine Falle war, um sie in eine Troststation zu locken. Dort werden die jungen Koreanerinnen tagtäglich von mehreren Dutzenden japanischen Soldaten vergewaltigt. Gehorchen sie nicht, werden sie brutal ausgepeitscht oder erschossen. Viele ihrer Freundinnen, die auch gezwungen werden, dort zu leben, nehmen sich in ihrer Verzweiflung selbst das Leben oder sterben durch gefährliche Abtreibungen, die lediglich mit einem Draht durchgeführt werden. Nach zwei Jahren voll von Qualen, Schmerzen und dem Gefühl, den Verstand zu verlieren, verlieren die Japaner den Krieg und versuchen, die Troststation dem Boden gleich zu machen und alle Beweise zu vernichten. So kann Jae-hee aus einem Versteck nur dabei zusehen, wie alle Baracken niedergebrannt werden und ihre Freundinnen und Leidensgenossinnen nach und nach erschossen werden. Sie selbst kann nur durch einen Moment der Gnade eines Schützen überleben und wird daraufhin von russischen Soldaten als vermeintlich einzige Überlebende gefunden.

Nordkorea und der Versuch, zu vergessen
Nach der Befreiung aus der Troststation kehrt Jae-hee nach einer langen Reise zu Fuß zu ihrem Elternhaus zurück und stellt fest, dass niemand mehr dort ist. Sie erfährt, dass ihre Eltern verstorben sind und sie somit keine Familie mehr hat. Sie macht sich auf den Weg nach Pjöngjang, um dort als Übersetzerin zu arbeiten. Dort trifft sie den Kommunisten Jin-mo, der später der Vater ihrer Tochter werden soll. Obwohl es zunächst nach einer Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea aussieht, zeigen sich nach einiger Zeit viele Konflikte und so werden beide Länder endgültig geteilt. Befürworter für ein gemeinsames Korea, so wie Jin-mo, werden getötet und so steht Jae-hee mit einem ungeborenen Baby in einer Ideologie da, mit der sie sich schon lange nicht mehr identifizieren kann. Als Glück im Unglück hinterlässt Jin-mo ihr vor seinem Tod etwas Geld und beschreibt einen Weg, wie Jae-hee nach Südkorea fliehen kann. Sie verliert keine Zeit und macht sich schon am nächsten Tag mit nichts außer den Kleidern an ihrem Körper, Jin-mos Geld und dem Baby im Bauch auf den Weg. Nach einer gefährlichen Reise mitten in der Nacht wird sie von Soldaten im offenen Feld aufgegriffen – sie ist in der Republik Südkorea angekommen.

Überleben in Südkorea
Die mittlerweile 25-jährige Jae-hee muss nach ihrer Flucht nach Südkorea nun auch ihre 3-jährige Tochter Soo-bo versorgen, was ihr nicht gelingt. Sie sieht sich gezwungen, einen Job an der Bar eines Bordells in einer US-Militärbasis anzunehmen. Wieder befindet sie sich in einer Umgebung, die sie die Zeit als Trostfrau nicht vergessen lässt. Glücklicherweise lernt Jae-hee in der Bar General Crawford kennen, der ihr nach einem Jahr im Camp genug Geld gibt, um nach Seoul zu gehen und dort Arbeit zu finden. Dieses Unterfangen ist in einem Ort, der von Arbeitslosigkeit nach dem Krieg geprägt ist, allerdings sehr schwierig und so müssen Jae-hee und Soo-bo lange in Armut leben, bis sich das Blatt endlich für sie wendet.
Zehn Jahre später, im Jahr 1964, hat Jae-hee endlich einen tollen Job gefunden, kann ihrer Tochter Bildung ermöglichen und bekommt sogar einen Heiratsantrag von einem Arbeitskollegen. Als dieser jedoch erfährt, was Jae-hee in jungen Jahren durchstehen musste, bezeichnet er sie als unehrenhaft. Er sorgt dafür, dass sie ihren Job verliert und somit beginnt das Leiden in Armut von Neuem.
Einige Jahre später versucht Jae-hee verzweifelt, ihre Geschichte zu erzählen, doch den Koreanern scheint ein ehrenhaftes Land zu sein wichtiger als das Wohl von tausenden Frauen. Als Soo-bo schwanger wird, wird die Lage der beiden immer komplizierter. Jae-hee widerfährt ein erneuter Schicksalsschlag, als ihre Tochter bei der Geburt ihrer Enkelin Ja-young stirbt. Jae-hee gibt das Baby zur Adoption frei und findet das Kind Jahre später als Anna Carlson wieder. Anna hört sich die Geschichte ihrer Großmutter an und erfährt auch, dass Jae-hees Schwester Soo-hee noch am Leben ist. Daher organisiert Anna mit sehr viel Bemühen und mehreren Zehntausend Dollar ein Treffen zwischen den Schwestern, die all die Jahre von der Grenze zwischen Nord- und Südkorea getrennt waren.

Fazit
Andrews hat mit seinem Roman bei mir genau den Nerv getroffen, den er beim Schreiben vermutlich im Visier hatte. Die Geschichte von Jae-hee, die zwar fiktiv ist, aber auf wahren Begebenheiten beruht, lässt mich erschüttert zurück. Der Schock, der nach dem Lesen bleibt, beschränkt sich hierbei nicht nur auf die schrecklichen Ereignisse in den Troststationen, in denen Tausende Koreanerinnen während des zweiten Weltkriegs jahrelang auf brutalste Weise gequält und missbraucht wurden, sondern auch über die Weise, wie bis heute mit diesen Tatsachen umgegangen wird. Vor allem Japan scheint dieses Thema am liebsten unter den Teppich kehren zu wollen, was vermuten lässt, dass die Frauen sich teilweise bis heute noch selbst für das verantwortlich fühlen, was ihnen widerfahren ist. ,,Das einzige Ehrenwerte wäre gewesen, Nein zu sagen und den Tod zu wählen! (…) Du hast mich entehrt.“ (S. 340f). Laut Williams hat Japan nach jahrelangen Protesten zugestimmt, sich zu entschuldigen, allerdings wurde nie zugegeben, dass die Frauen zu all den Taten gezwungen wurden. Genauso wenig muss in den Geschichtsbüchern in japanischen Schulen darüber berichtet werden. Dies ist eine Tatsache, die mich sehr nachdenklich und verärgert zurücklässt.
Nichtsdestotrotz kann ich den Roman weiterempfehlen. Auch wenn einige Passagen sehr schwierig zu lesen sind und teilweise die Tränen in die Augen treiben, ist das Buch trotzdem oder gerade deswegen sehr fesselnd und nur schwer aus der Hand zu legen. Ich finde es wichtig, sein Geschichtswissen nicht nur auf das eigene Heimatland zu beschränken und dieser Roman hat mir geholfen, mein Wissen mithilfe einer packenden Geschichte zu erweitern. Andrews trifft es mit seiner Beschreibung auf der Rückseite des Buches auf den Punkt, es ist ,,die dramatische Geschichte einer starken Frau, ihren Mut und die Macht der Vergebung.“

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