Buchrezension: Zwei nach Shanghai – 13.600 Kilometer mit dem Fahrrad von Deutschland nach China

 

Titel: Zwei nach Shanghai – 13. 600 Kilometer mit dem Fahrrad von Deutschland nach China

Erscheinungsjahr: Neuauflage 2017

Autoren:Hansen und Paul Hoepner sowie Co-Autorin Marie-Sophie Müller

Verlag: Malik

Seitenzahl: 270 (mit 34 farbigen Fotos, 12 Filme und einer Karte)

ISBN:978-3-492-40573-7

Preis:15,00 Euro

 

Motivation:

Für mich ist ein interessantes Buch eines, das Informationen nicht hintereinander reiht, sondern selbst Spielraum gibt, diese herauszufiltern. Demnach war es mir wichtig, dass die Fakten über China in eine wahre Geschichte eingebettet sind und aus erster Hand stammen. Die Suche hatte sich schwieriger gestaltet als gedacht, doch bin ich auf Amazon auf Zwillingsbrüder gestoßen, die ich bereits aus einem anderen waghalsigen Projekt, das in „stern TV“ ausgestrahlt wurde, kannte. Bei dem Projekt ging es darum, ob es möglich ist, ohne Geld in 80 Tagen um die Welt zu kommen. Bereits da war ich fasziniert, was die beiden Abenteurer auf die Beine stellen und mir kam auch jetzt wieder die Frage auf: Warum machen die das? Dieser Frage auf den Grund zu gehen und gleichzeitig ein besseres Verständnis für China, die Kultur und die Geschichte zu entwickeln, ließen meine Motivation für das Buch „Zwei nach Shanghai – 13.600 Kilometer mit dem Fahrrad von Deutschland nach Shanghai“ steigen. Auch die Parallele, dass die zwei Brüder ein Abenteuer vor sich haben – so, wie ich demnächst eines vor mir haben werde –, empfand ich als sehr vielsprechend. Die  Auswahl des Buches wurde ebenfalls durch die Möglichkeit unterstützt, einzelne Etappen der beiden durch selbstaufgenommene Videos zu sehen oder Blogposts zu lesen, die realistische Bilder der Umgebung, der Menschen und Kultur vermitteln. Auch freue ich mich auf die dazugehörige Dokumentation, die ich mir nach dem Lesen des Buches gerne anschauen möchte.

Ãœber Autoren/Akteure:

Die Zwillingsbrüder Paul und Hansen Hoepner sind am 6. April 1982 in Siegen am Hohentwiel geboren. Trotz identischer DNA sind die beiden grundlegend verschieden, teilen jedoch die gemeinsame Leidenschaft für Abenteuer. Sie verkörpern die Rollen eines Abenteuers, eines Reisebuchautors und eines Dokumentarfilmers.

Hansen ist der – um wenige Minuten – ältere Bruder von beiden und studiert an der Akademie für Bildende Künste in Maastricht Produktdesign, Goldschmiede und Fotographie. Er arbeitet seit einigen Jahren an einem Kreativprojekt KAOS (www.kaosberlin.de) mit und hat sich dort mit einer Werkstatt für Produktdesign und Goldschmiede selbständig gemacht.

Paul hat in Köln Mediendesign studiert und arbeitet in Berlin als Web- und App-Entwickler. Zuletzt schloss er den Studiengang „Human Factors“ an der TU Berlin ab.

Unterstützt wurden die beiden von der Autorin Marie-Sophie Müller, die 1998 ihren ersten Studienabschluss in Texterschmiede in Hamburg erreichte und anschließend Germanistik, Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Köln und Amsterdam studiert hat. Sie arbeitet seit mehreren Jahren als freie Journalistin in Berlin.

Wie oben bereits erwähnt, sind die eineiigen Zwillinge sehr verschieden, aber auch in vielerlei Hinsicht gleich, wie es sich auch im Buch herausstellt. In puncto Frauen haben sie ganz unterschiedliche Ansichten. Auch sind materielle Dinge Paul wichtiger als Hansen. Darüber hinaus bezeichnet sich Paul als unflexibler und sogar unfreier, was sich hin und wieder in den unterschiedlichen Kapiteln zeigt. Sie nahmen sich vor, jedes Jahr aufs Neue eine Radtour zu planen und immer ein wenig weiter zu fahren. Und diese Mal ging es eben nach China.

Aufbau des Buches:

Bei dem Aufklappen des Buches fällt dem Leser eine Landkarte mit der eingezeichneten Route von Berlin nach Shanghai ins Auge. Genau an dieser Karte hangeln sich die elf Kapitel entlang. Die Route verläuft über Polen, Litauen, Lettland, Russland, Kasachstan, Kirgisistan bis hin nach China. Unterstützt werden die Kapitel durch QR-Codes, die am Ende jedes Kapitels dem Leser die Möglichkeit einräumen, in die Echtheit des Erzählten einzutauchen. Auch werden Fotos im Buch dargestellt, die die Reise dokumentieren und Abwechslung in den Lesefluss bringen. Die jeweiligen Geschichten wurden von den beiden immer im Wechsel auf einer sehr emotionalen und mitreißenden Ebene erzählt. Das Ganze ähnelt einem Tagebuch der zwei. Der Aufbau des Buches lässt sich entweder durch die einzelnen Länder und Erfahrungen gliedern oder durch die Hälfte der gefahrenen Kilometer – und damit vor China – und der anderen Hälfte der Kilometer in China. Letztere Gliederung ist insbesondere für meine Rezension passender und hilft mir dabei, den Fokus auf China zu richten.

Geschichte:

Die Geschichte begann 2011 damit, dass Hansen – der wenige Minuten ältere Zwillingsbruder – den jüngeren mitten in der Nacht anrief und „Shanghai“ als erstes Wort in den Hörer schrie. Paul wusste nicht wirklich etwas damit anzufangen und war im ersten Moment etwas verwirrt. Hansen erklärte ihm sein Vorhaben. Er glaubte, sein Bruder würde Späße machen und legte nach Äußerungen wie „du kannst doch nicht mit dem Fahrrad durch den Himalaja fahren! Weißt du, wie hoch das ist? Schon mal von Höhenkrankheit gehört?“ auf. Noch in dieser Nacht plante Hansen die komplette Route von etwa 13.000 Kilometern in 150 Etappen und schickte seinem Bruder diese in einer E-Mail. Nach dem Lesen dieser Mail wusste Paul, dass das Ganze wohl kein Scherz war und von jetzt auf gleich ist Hansen nach Berlin gezogen. Dort fand ein knappes Jahr lang mit Hunderten Vorbereitungsstunden die Planung der Route sowie des Equipments statt. Das Ziel, das die beiden verfolgten, war es nicht, die Stadt Shanghai zu erreichen, sondern vielmehr, sich besser kennenzulernen.

2012 an ihrem 30ten Geburtstag brachen die beiden mit einem Zelt, Isomatten und zwei Fahrrädern und ganz viel Tatendrang in Richtung Shanghai auf. Sie waren sieben Monate unterwegs und legten Tausende von Kilometern zurück.

Sie bezeichneten es als die Fahrt ihres Lebens. Auf der einen Seite erlebten sie unzählige Momente des größten Glücks, die mit unvergesslichen Momenten in der Natur, der Liebe und Gutmütigkeit der verschiedensten Menschen sowie dem Kennenlernen der eigenen und der Grenzen der besseren Hälfte verbunden waren. Auf der anderen Seite verliefen sie sich in ausweglose Situationen. Dabei wurden sie ausgeraubt, mussten die Schmerzen von eisiger Kälte, Höhe oder einem Hexenschuss aushalten, wurden am Checkpoint Tibet zurückgewiesen oder waren körperlich und psychisch am Ende. Dieser Absatz zur Geschichte umfasst einen sehr allgemeinen Teil, nun möchte ich mich der Zeit in China widmen. Als sie China erreichen, merken sie, wie verrückt das Leben dort ist. Sie sind noch nie an einem Ort gewesen, an dem man weder die Sprache noch die Gesten versteht. Einfach alles ist komplett weltfremd. Die Zwillinge haben in Sary Tash noch ein paar Basics von anderen Reisenden wie „Hallo!“, „Tschüss!“ oder „Ich heiße …“ gelernt, doch kein Mensch versteht diese Laute. Auch die Sensibilität im Hinblick auf die Einreise, das Visum und die Polizei stellt die beiden immer wieder aufs Neue vor Herausforderungen. Entweder haben sie an den Grenzen Probleme, ihr gesamtes Equipment mit all ihren Speicherkarten mitzunehmen, oder ein Hotel zu finden, dass eine „Temporary Residence Registration“ ausstellt, oder ein neues Visum vor Ablauf aufgrund von zeitlichen und chinesischen Besonderheiten vorzeitig ausgestellt bzw. verlängert zu bekommen. In letzterer Situation merken die beiden, dass ein „NEIN“ nicht endgültig ist. Fünf Stunden später wird aus dem „NEIN“ ein „JA“. Während ihrer Fahrt merken die beiden: Je näher sie Shanghai kommen, desto westlicher werden die Umgebung und die Menschen. Die Landschaft weist weit weniger Platz zum Zelten auf, sodass weniger Natur und Reisfelder die Route nach Shanghai bestimmen. Sie zelten nur noch sehr selten aufgrund des mangelnden Platzes und wegen der vergleichsweise günstigen Preise, in einem Hostel abzusteigen. Während ihrer Zeit in China fällt ihnen auf, dass das Land sehr unterschiedliche Schichten und Charakterzüge der Chinesen aufzeigt. Hansen und Paul nehmen die Chinesen vor allem in der ersten Zeit in China als gaffende, nervende und teilnahmslose Mitmenschen wahr, die weder Distanz noch Privatsphäre kennen. Das untermalt auch eine Situation, die passiert, als die beiden ein Hostel betreten, das vorher mit 69 Yuan draußen angeschlagen war, plötzlich aber auf 96 Yuan geändert wird. Doch sie revidieren ihre Ansichten, denn als es den Zwillingen schlecht geht, sie kein Geld mehr haben und auf die Hilfe angewiesen sind, helfen die Chinesen den beiden mit großzügigen Spenden aus der Patsche

Fazit:

Die Autoren haben schon einige Bücher über ihre Abenteuer geschrieben. Es war das erste Buch, das ich von den beiden gelesen habe. Es war teilweise sehr fesselnd, da sie den Leser auf ihre Reise mitnehmen und die Länder auf eine ganz andere Art und Weise präsentieren als es beispielsweise Sachbücher tun. Die Untermauerung mit den Videos, Bildern und Blogposts verleiht der Geschichte noch mehr Realität. Durch die vermittelten Eindrücke und Inhalte konnte ich mir ein gutes Bild von der Vielfalt Chinas machen. Von Ländern, die in ihrem Entwicklungsstadium eher unterentwickelt sind, aber auch von denen, die gerade ihre Hochphase erreichen, z. B. in puncto Digitalisierung. Darüber hinaus vermittelt das Buch so viele verstrecke Inhalte, so etwa über das Verhalten, die Sitten und Normen sowie die Kultur der chinesischen Bevölkerung. Auch Kritik wird geäußert, dass in China der Polizei nicht widersprochen wird und die Chinesen sehr unterdrückt werden. Gerade kritische Erlebnisse der beiden regen mich zum Nachdenken an und zeigen mir, dass es nicht überall von Vorteil ist, seine Meinung frei zu äußern.

Durch ihren straffen Zeitplan kam es mir manchmal so vor, als wäre an einem Ort nur das nötigste gemacht worden, und dann ging es bereits weiter. Gerade in China hätte ich mir ein häufigeres Aufeinandertreffen mit Chinesen gewünscht, damit ich noch mehr Input aus den Treffen ziehen kann. Doch waren die Aufenthalte eben sehr eng getaktet, was ich auch gut verstehen kann. Der Grund dafür, warum Shanghai das Endziel der Reise der beiden sein soll, ist für mich leider nicht ganz ersichtlich. Trotz der genannten Kritik kann ich das Buch und die dazugehörige Dokumentation „Berlin2Shanghai“ nur empfehlen. Es ist alles in allem eine interessante Geschichte, die auch und vor allem auf die Parallele verweist, dass wir alle uns in naher Zukunft in ein Abenteuer stürzen werden.

 

Hilfreiche Links:

Offizielle Seite der Zwei

http://hoepner-hoepner.de/abenteuer-zwei-nach-shanghai/

Dokumentation „Berlin2Shanghai“

http://hoepner-hoepner.de/portfolio/berlin2shanghai-3-teilige-tv-dokumentation/

 

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