Interview mit Ines Werner: Wie gehe ich bei Stellenbewerbungen mit meinem Fachwechsel oder Studienabbruch um?

Viele Studierende unterbrechen zeitweise ihr Studium oder wechseln eines oder mehrere ihrer Fächer; teilweise wird auch die Entscheidung getroffen, komplett auszusteigen. Wie kann das aber in einer Bewerbung für einen Job verkauft werden? Möglichst unauffällig verstecken oder offensiv damit umgehen?

Ines Werner arbeitet in der Zentralen Studienberatung und hat in der Vergangenheit bereits einige Studierende bei Studienzweifeln, zur beruflichen Neuorientierung und beim Studienausstieg beraten. Als ehemalige Mitarbeiterin des Career Service stand sie zudem regelmäßig im Austausch mit Personalverantwortlichen.

Wie gehe ich am besten mit Zweifeln oder Abbruchgedanken um?

IW: Zunächst einmal sollte man sich die Gründe für die Unzufriedenheit und Zweifel im Studium bewusst machen. Die Gründe können sehr vielfältiger Natur sein. Neben Leistungsproblemen und mangelnder Motivation kann es auch finanzielle, persönliche oder familiäre Gründe geben. Aber auch die Bedingungen des Studiums, wie eine mangelnde Identifikation mit dem Studiengang oder der fehlende Praxisbezug können ausschlaggebend sein. Manchmal ist es einfach die Tatsache, dass sich die Interessenlage verändert hat. Vor kurzem hatte ich eine Beratung mit einem Lehramts-Studierenden, der im Laufe seines Studiums festgestellt hat, dass der Beruf des Lehrers nicht das Richtige für ihn ist. Auch sowas kann ein Grund für einen Studienausstieg sein. 

Wichtig ist die eigene Situation und die Beweggründe zu reflektieren und daraus Schlüsse auf seine individuellen Stärken und Schwächen zu schließen. In so einer Situation hilft es oft, mit anderen darüber zu sprechen. An erster Stelle stehen da Freunde und Familie, aber manchmal kann auch ein unbefangener externer Blick einer Beratungsstelle zu mehr Klarheit in den eigenen Gedanken verhelfen.

Viele Wechsler*innen oder Aussteiger*innen haben Zweifel daran, dass Sie überhaupt einen Job finden. Stellen Unternehmen Studienfachwechsler*innen oder Studienaussteiger*innen überhaupt ein?

IW: Ja, Studienfachwechsler*innen und Studienaussteiger*innen zeichnen sich häufig durch Qualitäten aus, welche für die Arbeitgeber*innen sehr interessant und wichtig sind. Hierzu sollte man wissen, dass Personaler*innen in Bewerbungsprozessen am stärksten auf die Persönlichkeit der Bewerber*innen achten.

Immer wieder haben mir Personaler*innen von ihren positiven Erfahrungen mit Studienaussteiger*innen berichtet. Eine Personalerin hat im Gespräch erwähnt, dass sie es sehr schätzt, dass Studienfachwechsler*innen und Studienaussteiger*innen eine große Motivation und Entschlossenheit, sowie die Fähigkeit zum selbstständigen Denken und Arbeiten mitbringen. Darüber hinaus ist ihr positiv aufgefallen, dass diese Personen in der Lage und auch bereit dazu sind, begründete Entscheidungen zu treffen, sowie ihre eigene Situation und Persönlichkeit zu reflektieren. All dies sind Qualitäten, welche auch im Arbeitsleben wichtig sind.

Wie stellt man einen Studienfachwechsel oder Studienausstieg am besten in der Bewerbung dar?

IW: Um einen Ausstieg oder einen Studienfachwechsel in der Bewerbung darzustellen sollte man eine selbstsichere und positive Formulierung nutzen. Der Studienfachwechsel oder Ausstieg wird dann als überlegter Schritt dargelegt und begründet. Außerdem sollte deutlich werden, was Sie aus dieser Erfahrung gelernt haben. Überlegen Sie auch, ob in dieser Zeit ein Zugewinn von bestimmten Kompetenzen oder neuen Einsichten stattgefunden hat (z.B. Ich habe dabei gelernt, auf meine eigenen Interessen zu schauen und nicht die Erwartungen meiner Eltern erfüllen zu wollen).

Was ist, wenn ich durch den Fachwechsel oder den Ausstieg eine Lücke im Lebenslauf habe?

IW: Auch das kommt vor. Je nach Gründen ist eine Lücke gar nicht so unwahrscheinlich. Wenn man beispielsweise eine Zeitlang selbst krank war oder sich um ein krankes Familienmitglied gekümmert hat, sollte man das offen kommunizieren. Hierzu muss nicht die ganze Krankheitsgeschichte dargelegt werden. Es reicht, im Lebenslauf zu schreiben, dass man sich krankheitsbedingt oder aufgrund einer beruflichen Neuorientierung eine Auszeit genommen hat. Versuchen Sie in keinem Fall, Lücken im Lebenslauf zu verdecken. Vermerken Sie lieber direkt, wenn der Studienabschluss nicht erreicht wurde (z.B. 10/2020 – 03/2022 Studium der Musterwissenschaften; ohne Abschluss) und gehen Sie im Bewerbungsschreiben darauf ein, wenn es für die Stellenausschreibung relevant ist.

Manchmal ist es aber auch so, dass man erstmal eine Auszeit braucht, um eine Alternative zu finden. Viele haben Sorge, dass dies von den Arbeitgeber*innen als negativ aufgefasst wird und es so rüberkommt, als hätte man nichts gemacht. Was raten Sie diesen Personen?

IW: Hier sollte man ebenfalls ehrlich sein und ruhig sagen, dass man erstmal etwas Zeit gebraucht hat, um das Ganze zu verarbeiten. Ich rate den Studierenden, dass sie gegenüber den Arbeitgeber*innen aufzeigen sollen, was sie unternommen haben, um eine Alternative zu finden und warum sie sich sicher sind, nun das Richtige gefunden zu haben. Dies gibt auch dem Unternehmen eine gewisse Sicherheit, sodass diese nicht vermuten, dass der/die Studierende erneut das Handtuch wirft.

Wie thematisiere ich den Studienfachwechsel oder den Studienausstieg im Vorstellungsgespräch?

IW: Eine Studentin hat mir berichtet, dass sie ihren Studienausstieg gleich zu Beginn ihres Vorstellungsgespräches von selbst angesprochen hat. Sie hat hierfür die kurze Vorstellungsrunde genutzt, welche es heutzutage häufig in Bewerbungsgesprächen gibt. Somit konnte sie das Thema direkt positiv darstellen und hatte keine Angst vor unangenehmen Nachfragen. Sie hatte so die Möglichkeit, das Gespräch über dieses Thema selbst zu steuern.

Ich kann daher nur dazu raten, selbstbewusst mit der damaligen Entscheidung und Neuorientierung umzugehen und zu zeigen, dass Sie sich und Ihre Situation reflektieren können und den Wechsel oder Ausstieg bewusst gewählt haben. Manchmal hilft es auch, sich selbst vor Augen zu führen, dass Personaler*innen nur Bewerber*innen zu Vorstellungsgesprächen einladen, die mit den Bewerbungsunterlagen neugierig gemacht haben. Die Zeit von Personaler*innen ist begrenzt, sodass diese keine Personen einladen, bei denen sie anhand der Unterlagen schon feststellen, dass der/die Bewerber*in fachlich ungeeignet ist.

Wie überzeuge ich im Vorstellungsgespräch trotz Studienfachwechsel oder Studienausstieg?

IW: Am besten überzeugt man mit der eigenen Motivation. Erläutern Sie, warum Sie für das Unternehmen arbeiten wollen und warum Sie sich gerade für diese Stelle interessieren. Zudem sollten Sie erklären, was durch diese Erfahrung über sich selbst gelernt haben und wie dieses Wissen konstruktiv von Ihnen genutzt wird. Am besten konzentriert man sich auf das Positive an dieser Erfahrung. Personaler*innen werden die Lebenserfahrung, die man gewonnen hat, zu schätzen wissen. Auch wenn man keinen Abschluss erworben hat, heißt es nicht, dass man nichts im Studium gelernt hat.

Was kann ich tun, wenn ich mir immer noch nicht sicher bin, wie ich mit dem Thema umgehen soll?

IW: Bei Fragen zur beruflichen Orientierung können Sie sich gerne jederzeit an den Career Service wenden und einen Termin vereinbaren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert