Ohne Deadlines und Struktur – Ein persönlicher Erfahrungsbericht über Prokrastination im Studium

KENNST DU DAS AUCH?

Du sitzt an einer Aufgabe, die du für eine Veranstaltung erledigen musst, aber irgendwie kannst du dich nicht motivieren, anzufangen oder lässt dich so schnell ablenken, dass du kaum vorwärtskommst. Für manche – mich damit eingeschlossen – beeinträchtigt das erheblich die eigene Lebensqualität. Ich bin Steffen (Name geändert), studiere nun (schon) 26 Semester an der UPB und berichte euch, wie ich gelernt habe, mit meiner Prokrastination umzugehen.

Was bedeutet Prokrastination?

Prokrastination versteht man als das bewusste Aufschieben von einer beabsichtigten Handlung, obwohl negative Konsequenzen zu erwarten sind. Aufschieben selbst ist nicht immer schlimm, kann sogar eine wichtige Kompetenz sein, um den Alltag zu regeln. Hierunter verstehen die meisten aber eher eine Form der Priorisierung.

Meine Erfahrungen mit Prokrastination im Studium

Am Anfang des Studiums (erst Informatik, dann Wirtschaftsinformatik) war ich noch motiviert und habe die Veranstaltungen direkt, wie sie im Verlaufsplan von meinem Studiengang eingeplant sind, bestanden. Ab dem dritten Semester wurde es dann immer schwieriger, mich selbst zu motivieren. Ich konnte mich aber auch nicht dazu durchringen, zu sagen, dass das Studienfach nichts für mich ist oder mir Alternativen zum jetzigen Studium suchen. Diese Schwierigkeiten mit anderen Menschen in meinem Leben zu teilen, gelang mir allerdings auch nicht. Ich habe es eher als eine Schwäche von mir gesehen, die ich allein meistern müsste.

Zwei Dinge, die es für mich persönlich im Studium besonders schwer gemacht haben, sind die fast fehlenden Deadlines und wenig Struktur. Das ist natürlich von Studiengang zu Studiengang unterschiedlich und Klausurtermine kann man als Deadline für die Vorbereitungen sehen, diese können aber in den meisten Fällen vorher abgemeldet werden oder (beim Nichtbestehen) wiederholt werden. Vorlesungen und Übungen geben eine gewisse Struktur in dem Studienalltag, aber es fehlt die Verbindlichkeit.

Für mich persönlich ist die Klausurvorbereitung ein gutes Beispiel: Zum einen bin ich zum großen Teil auf mich allein gestellt, wenn es darum geht, den Stoff einer Vorlesung zu wiederholen und das in machbare Arbeitspakete einzuteilen. Zum anderen waren diese Phasen für mich mit großer Unlust verbunden. Das ist etwas sehr Individuelles und da muss jeder für sich herausfinden, warum das bei ihm/ihr so ist.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt, wo ich an meiner Bachelorarbeit schreibe, haben sich diese Grundprobleme für mich wenig geändert. Dennoch komme ich besser zurecht als noch vor einigen Semestern. Das liegt zum einen daran, dass ich es z.T. geschafft habe, aus meiner sozialen Isolation, in der ich während der schlimmeren Phase war, zu entkommen und ich verschiedene Hilfsangebote in Anspruch nehmen konnte, die mir geholfen haben, mit den Herausforderungen während des Studiums besser zurecht zu kommen.

Was mir im Umgang mit Prokrastination geholfen hat

Ab einem gewissen Punkt war das Aufschieben auch mit immer größerem Leidensdruck verbunden. Zum Teil habe ich mich zwar damit abgefunden, Langzeitstudent zu sein und mit den Aufgaben im Studium immer etwas hinterher zu sein. Ich bin aber auch froh, für mich Methoden gefunden/entwickelt zu haben, mit denen ich meine Aufgaben mittlerweile erledigt bekomme. Dazu gehört für mich – neben vielen auf dem Blog beschriebenen Techniken zum Zeitmanagement – insbesondere die Pomodoro-Technik, bei der Arbeitseinheiten von einer halben Stunde sowie anschließende Pausen (zwischen 5 – 20 Minuten) geplant werden, um so dem eigenen Fokus einen Rahmen zu geben und gleichzeitig gezielt Erholungsphasen mit einzubeziehen.

Die Nutzung verschiedener Workshops und weiterer Angebote der Uni (z.B. vom Kompetenzzentrum Schreiben, den Workshops  “ProGRess” und „Endlich Schluss mit dem ewigen Aufschieben“ von ProLernen sowie die Psychosoziale Beratung und andere Angebote der ZSB) waren auch wichtige Aspekte für mich. So wurden bspw. im ProGRess-Workshop Konzepte vom Züricher Ressourcen Modell (ZRM) vermittelt, wo es unter anderem darum geht Bilder und Sprüche zu finden, die einem Kraft geben und motivieren, die eigenen studienbezogenen Ziele weiter zu verfolgen (Bei mir war es z.B.: „Schritt für Schritt, mit Ruhe und Gelassenheit komme ich meinen Zielen näher“ mit einem Bild, das eine Buddha-Statue zeigt).

Auch die Anti-Prokrastinations-Gruppe von ProLernen hat mir geholfen im Umgang mit den Herausforderungen im Studium. Der Austausch mit Kommilitonen, die ein ähnliches Problem mit Prokrastination haben, hilft dabei, Ideen zu sammeln und sich nicht allein zu fühlen. Die Reflektion, was in der letzten Zeit gut oder weniger gut geklappt hat, sowie das Setzen neuer Ziele ist wichtiger Bestandteil bei den wöchentlichen Terminen und schaffen eine gewisse Verbindlichkeit, die einem oft den noch nötigen Schub gibt, um das selbstgesteckte Ziel für die Woche auch zu erreichen.

    Hier will ich auch noch kurz auf andere Dinge eingehen, die mir geholfen haben, etwas besser mit den Anforderungen im Studium umzugehen:

  • Prioritäten setzen: Ich habe mehrere Neben-Projekte während des Studiums angefangen. Ich bin zwar überzeugt, dass es wichtig ist, nebenbei Hobbies als Ausgleich zu haben. Dennoch musste ich die Erfahrung machen, dass ich häufiger so sehr in ein Projekt eingetaucht bin, das nicht mit dem Studium in Verbindung stand, dass ich anschließend Schwierigkeiten hatte, mich wieder auf studienbezogene Aufgaben zu konzentrieren. Der Artikel zum Eisenhower-Prinzip gibt einen Überblick wie man Aufgabe sinnvoll priorisieren kann.
  • Gefühlsregulation: Wenn ich mit den eigenen Gefühlen oder Gedanken auf Kriegsfuß stehe, dann geht nichts mehr. Die Zeit, um mich bewusst mit meinen Gefühlen und Gedanken auseinanderzusetzen muss ich mir nehmen, um meine Situation im Studium angemessen bewerten zu können und daraus Schlüsse ziehen zu können.
  • Mehr Struktur: Ohne die richtige Struktur hilft leider die beste Absicht nicht. Wenn ich nicht weiß, wie ich meinen Bemühungen im Studium einen Rahmen geben kann dann versickert die initiale Motivation oft schnell im Sand. Was mir am meisten hilft, sind Pläne mit Zielen zu erstellen für den Tag/Woche/Monat und dabei Pausen und Belohnungen bewusst mit einzuplanen.

Solltet ihr euch beim Lesen in manchen Dingen wieder erkannt haben, helfen euch vielleicht Teile meines Berichts und/oder die erwähnten Anlaufstellen wie die Anti-Prokrastinationsgruppe von ProLernen, das Kompetenzzentrum Schreiben oder die Psychosoziale Beratung sowie die anderen Angebote der ZSB. Manchmal hilft es auch, sich daran zurück zu erinnern, warum man sein Studienfach ausgewählt hat und was anfangs daran begeistert hat. Wenn ich auf meine 26 Semester zurückblicke, bin ich natürlich nicht stolz darauf, dass ich für meinen Abschluss länger gebraucht habe als viele Mitstudierende. Worauf ich aber stolz bin, ist, dass ich mich meiner extremen Form der Prokrastination gestellt habe und dabei sehr viel über mich selbst gelernt habe bzw. mir dabei helfen werden, auch nach dem Studium auf mich Acht zu geben und Aufgaben zu bewältigen

Tipp: Falls euch das Thema Prokrastination über die Inhalte dieses Artikels hinaus interessiert, empfehlen wir euch diesen TED-Talk von Tim Urban auf YouTube

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