Interview mit Jan-Martin Müller: Wie funktioniert gutes Zeitmanagement im Studium?

Wie läuft das eigentlich so mit dem Zeitmanagement und der Prüfungsvorbereitung an der Uni? Welche Unterschiede gibt es im Vergleich zur Schule? Jan-Martin Müller ist Mitarbeiter in der Zentralen Studienberatung und berät Studierende unter anderem auch bei Schwierigkeiten bei der Prüfungsvorbereitung und beim Zeitmanagement. Aus der Beratung kennt er schwierige Situationen der Studierenden und bietet Workshops sowie Vorträge zum Zeitmanagement und zur Prüfungsvorbereitung an.

WAS IST DAS BESONDERE AM ZEITMANAGEMENT UND AN DER PRÜFUNGSVORBEREITUNG AN DER UNI IM VERGLEICH ZUR SCHULE?

JM: In der Universität hat man im Vergleich zur Schule viel mehr Möglichkeiten, sich selbst zu organisieren und viel mehr Gestaltungsfreiraum im Studium. Zu den Freiheiten und der Selbstorganisation gehört aber auch dazu, dass man sich selbst motiviert. Das Studium wird zum Beispiel nicht als feste Gruppe absolviert, wie z. B. als Klasse in der Schule und es gibt nicht immer eine Anwesenheitspflicht in den Veranstaltungen. Die meisten Studierenden tun sich aber mit anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen zusammen, denn gemeinsam in Lerngruppen zu lernen ist für viele eine hilfreiche Möglichkeit, mit dem vielen Lernstoff umzugehen. In der Uni entfallen zudem die Noten für die mündliche Beteiligung (außer natürlich in mündlichen Prüfungen). Es ist meist viel mehr Lernstoff für eine einzelne Prüfung vorhanden als in der Schule. Selbstorganisation heißt auch, dass man sich den Lernstoff selbst besorgen muss, sei es die Materialien auf einer der Uniplattformen wie PANDA herunterzuladen oder Literatur in der Bibliothek zu suchen.

WIE LAUFEN DIE PRÜFUNGEN AN DER UNI?

JM: Während man in der Uni in manchen Veranstaltungen die Freiheit hat, die Prüfungsleistungen über das Halbjahr zu verteilen, finden Prüfungen in anderen Studiengängen auch geballt in einem bestimmten Zeitraum statt. Die Gesamtnote eines Moduls kann aus unterschiedlichen Prüfungsleistungen zusammengesetzt sein: u. a. Klausuren, Referate, Hausarbeiten, mündlichen oder praktischen Prüfungen, Projektarbeiten, Praktikumsberichten, Protokollen, Portfolios, Abschlussarbeiten. In manchen Veranstaltungen, in denen Projektarbeiten und Hausarbeiten geschrieben werden, können die Inhalte oft auch selbst bestimmt werden. So hat man beispielsweise die Möglichkeit, seine eigenen Interessenschwerpunkte zu legen und in diesen zu forschen. Die Gestaltung des Studiums und der Studiendauer liegt bei einem selbst und solange eine Prüfung nicht endgültig nicht bestanden wird und der Semesterbeitrag bezahlt wird, geht das Studium weiter.

BEKOMMT MAN AN DER UNI FEEDBACK WIE IN DER SCHULE?

JM: Nein, ob man in der Uni Übungsblätter bearbeitet oder die vorgegebene Literatur gelesen hat, wird hier in der Regel nicht kontrolliert. Es liegt bei einem selbst, sich regelmäßig vorzubereiten, bei Seminaren aktiv zu werden und den Lernstand mit Kommilitoninnen und Kommilitonen abzugleichen. Wer sich neben den Prüfungsergebnissen mehr Feedback wünscht, kann jedoch selbst Kontakt mit den Lehrenden aufnehmen.

WELCHE PROBLEME GIBT ES BEIM ZEITMANAGEMENT UND BEI DER PRÜFUNGSVORBEREITUNG AN DER UNI?

JM: Einige Studierende haben Schwierigkeiten mit der Selbstorganisation und der Freiheit im Studium. Die vielen Möglichkeiten, Veranstaltungen zu belegen und Prüfungsleistungen zu erbringen, erfordern teilweise längerfristige Planungen. Das ist für viele erst mal ungewohnt, wenn man nicht nur über ein, sondern über mehrere Semester einplanen muss, welche Veranstaltungen wann zu belegen sind. Bei der Wahl der Veranstaltungen kann es dann auch zu Entscheidungsschwierigkeiten kommen: Entscheide ich mich für eine Veranstaltung, die mir Spaß machen würde oder für die, die gut in den Stundenplan passt oder für die, die ich vermutlich für andere Veranstaltungen brauche? Also grundsätzlich gilt: Ein Plan ist gut und wichtig, er muss aber auch flexibel anpassbar sein, wenn sich die Interessen im Laufe des Studiums verändern, wenn man Veranstaltungen nicht belegen kann oder wenn man durch eine Prüfung durchfällt.

Es ist nicht selbstverständlich, immer gut einschätzen zu können, wie die Anforderungen der Veranstaltung sind und wie viel Zeit man zum Lernen einplanen sollte. Manchmal kommt in der Prüfungsvorbereitung auch Unvorhergesehenes dazwischen. Wenn dann nicht klar wird, ob man genug gelernt hat und es in der stressverstärkenden Prüfungssituation abrufen kann, ist Unsicherheit die Folge und Prüfungsangst kann entstehen. Mit der Zeit lernen viele Studierende aber auch, wie sie am besten mit der Prüfungsphase umgehen. Neben der Planung des Zeitumfangs für jede Prüfung ist das Thema Motivation zum Lernen für einige eine zusätzliche neue Herausforderung. Man muss sich also immer wieder selbst motivieren mit dem Lernen zu beginnen, durchzuhalten, mit Ablenkungen umzugehen und sich selbst für Geschafftes zu belohnen. Viele Studierende haben den Eindruck, nie mit dem Lernen fertig zu sein oder vor einem Berg von Lernstoff zu stehen, bei dem man nicht weiß, wo man anfangen soll. Hat man geschafft, was man sich vorgenommen hatte, können Selbstbelohnungen helfen, dies gerne zu wiederholen. Um zu wissen, womit man sich belohnen kann, ist es wichtig, persönliche motivierende Faktoren zu kennen!

WELCHE TIPPS GIBT ES ZUM ZEITMANAGEMENT UND ZUR PRÜFUNGSVORBEREITUNG?

Um mit den Freiheiten im Studium zurechtzukommen und die Prüfungen im Überblick zu behalten, ist es sinnvoll, für die Selbstorganisation und Prüfungsvorbereitung „rückwärts“ zu planen, also vom Prüfungstermin ausgehend zu planen. Dabei kann man sich folgende Fragen stellen: Wie viel Zeit brauche ich für die einzelnen Lernphasen? Wie viel Zeit brauche ich, ein Thema für die Hausarbeit zu finden, Literatur zu suchen und zu lesen, eine Gliederung zu entwickeln und zu schreiben? Oder wie viel Zeit brauche ich, um ein Kapitel aus dem Vorlesungsskript zu lesen und zu lernen? Dabei sollte man natürlich auch die Wiederholung und einen Zeitpuffer für Unvorhergesehenes nicht vergessen. Eine Planung kann wochen- und tageweise erfolgen. Für jeden Tag sollten feste Zeiten zum Lernen festgelegt werden. In jedem Zeitfenster die Aufgaben. Dabei kann es auch helfen, To-dos zu priorisieren (also Aufgaben als „wichtig“ und/oder „dringend“ zu deklarieren) und sich auf die wichtigen UND dringenden zu konzentrieren. Eine Sammlung aller To-dos für eine Lern- und Arbeitsaufgabe kann man dann wochenweise in den eigenen Kalender eintragen, um einen realistischen Überblick zu behalten. To-dos kann man zudem nach dem SMART-Modell beschreiben: spezifisch, messbar, aktionsorientiert, realistisch, terminiert. Bei komplexeren Aufgaben ist es hilfreich, sie in kleinere Schritte zu unterteilen, damit die Aufgaben machbarer erscheinen und man sich auf einzelne Schritte konzentrieren kann. So ist es wahrscheinlicher, dass man sie auch umsetzt. Man sollte sich auch die Frage stellen, wann und wo (und mit wem) kann ich eigentlich besser lernen? Viele arbeiten lieber in einer Umgebung mit weniger Ablenkung wie in der Bibliothek oder an einem der studentischen Lernarbeitsplätze in der Universität.

LIEBER DURCHLERNEN ODER AUCH ERHOLUNG GÖNNEN?

JM: Erholungszeiten sind auf jeden Fall wichtig! Eine Aufteilung in Lern- und Nichtlernphasen am Tag / in der Woche kann hilfreich sein, um Lernzeiten sowie Erholungszeiten zu intensivieren. Gerade wenn das Gefühl entsteht, nicht genug gelernt zu haben, lassen manche diese Erholungsphasen „schleifen“, selbst wenn sie in dieser Zeit insgesamt weniger „schaffen“. Gerade langfristig hilft es, eine Idee zu bekommen, wie man das Studium, Nebenjob, Familie, Partner, Freunde, Freizeit, Auslandssemester usw. gut miteinander kombinieren kann. Wenn man während des Semesters regelmäßig Zeit für das Lernen einräumt, reduziert man einen möglichen „Lernberg“ vor der Prüfung und durch bereits verarbeitetes Wissen fallen Wiederholungen leichter.

UND WAS KANN MAN TUN, WENN MAN DAS GEFÜHL HAT, DASS NICHTS MEHR GEHT?

JM: Kommen Sie bei auftretenden Schwierigkeiten immer gerne zu uns in die Zentrale Studienberatung! Wir können gemeinsam analysieren, wo die Schwierigkeiten liegen und welche Handlungsoptionen bestehen.

Interview mit Jan-Martin Müller
durchgeführt im Oktober 2019

Beitragsbild: ZSB Universität Paderborn

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