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Das Trans-Schikanierungs-Gesetz

Das Trans-Schikanierungs-Gesetz

Es folgt der erste Beitrag aus einer Reihe von Mitgliederbeiträgen. Wir starten mit dem ersten von drei Beiträgen, die Laura für uns zum Themenkomplex trans schreibt. Sie behandelt hier die momentane rechtliche Situation in Deutschland und ihre Erfahrungen damit. Vielen Dank an Laura und bleibt informiert!

Wenn der Name auf dem Personalausweis nicht mit der eigenen Person übereinstimmt, führt das zwangsläufig zu Problemen. Im Alltag benötigt man seinen Ausweis oder andere Dokumente, die auf dem Personalausweis basieren, häufiger als man meinen möchte, z.B. bei Zahlungen mit der Bankkarte. Auch Mietverträge, Zeugnisse, Gesundheitskarte, Führerschein und vieles mehr beinhalten die Informationen vom Personalausweis. Eine bzw. zwei Angaben werden dabei schon vor oder spätestens direkt nach der Geburt festgelegt: der Name, und, da in Deutschland bis vor einigen Jahren ein Name eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden musste, eben das Geschlecht. Auf dem Personalausweis selbst ist das Geschlecht nicht vermerkt, aber anhand des Namens sollte das jeder Mensch zuordnen können.

Klingt einfach, wenn man von der Annahme ausgeht, dass sich das Geschlecht nach der Geburt nicht ändert. Die Wissenschaft – inklusive der Biologie jenseits des Sexualkundeunterrichts der 9. Klasse – belegt aber, dass diese Annahme nicht haltbar ist. Das Geschlecht einer Person wird nicht zwingend von den Genitalien oder Chromosomen bestimmt, sondern auch neuronal, das heißt im Gehirn eines Menschen, ähnlich wie ob man Linkshänder*in oder Rechtshänder*in ist. Dennoch wird bei der Geburt ein Geschlecht anhand der Genitalien zugewiesen. Einige Menschen stellen aber im Laufe ihres Lebens fest, dass das zugewiesene Geschlecht nicht passt. Diese Menschen sind transgeschlechtlich oder kurz trans.

Seit 1981 ist es in Deutschland durch das sogenannte „Transsexuellengesetz“ (kurz TSG) möglich, seinen Namen und seinen Geschlechtseintrag offiziell zu ändern. Was erst einmal gut klingt, zwingt trans Menschen in der Praxis durch mehrere Tretmühlen.

So verlangte dieses Gesetz ursprünglich, dass trans Menschen, die verheiratet waren, sich vor der offiziellen Vornamens- und Personenstandsänderung (kurz VäPä) scheiden lassen mussten. Der Grund dafür ist relativ einfach: der Gesetzgeber wollte keine gleichgeschlechtlichen Ehen ermöglichen. Erst 2009 wurde dieser Paragraph aufgelöst. Im Prinzip war es für trans Menschen dann also möglich, eine gleichgeschlechtliche Ehe einzugehen – acht Jahre, bevor die gleichgeschlechtliche Ehe offiziell möglich wurde. Das allerdings auch nur, wenn die Ehe zu dem Zeitpunkt vor der VäPä geschlossen wurde.

Außerdem musste sich eine trans Person bis 2011 vor der VäPä einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Während diese Operation(en) für viele trans Menschen durchaus ein Ziel sind, sind sie für einige doch keine Option. Viele trans Menschen können sich einer solchen Operation nicht unterziehen (aufgrund von eigenen gesundheitlichen Problemen) oder wollen es auch nicht. Eine Operation bedeutet auch immer Risiken, nur angefangen mit der Narkose, und viele trans Menschen haben kein so großes Unwohlsein (Dysphorie) mit ihren Genitalien, dass sie sich diesen Operationen unterziehen lassen wollen. Schließlich erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass dieser Absatz aus dem TSG gegen den Grundsatz der körperlichen Unversehrtheit verstößt und erklärte den Absatz daher für verfassungswidrig.

Trotz dieser Entscheidungen hält das TSG immer noch einige Schikanen für trans Menschen parat. Das fängt an mit dem Passus, dass nachgewiesen werden muss, dass eine trans Personen seit drei Jahren „unter dem Zwang steht, im anderen Geschlecht zu leben“. Zunächst wird hier klar, dass das TSG nur für Menschen offensteht, die im binären Geschlechtsverhältnis zu verordnen sind (männlich – weiblich). Für nicht-binäre Menschen, die sich selbst keinem dieser zwei Geschlechter zuordnen, steht dieser Gang also gar nicht offen.

Doch auch für binäre trans Menschen ist dieser Absatz schwierig. Durch die Formulierung „unter dem Zwang stehen“ wird zunächst eine Pathologisierung von trans Menschen vorgenommen, d.h. ihre eigene Geschlechtszuordnung wird erst einmal als Krankheit verstanden. In der Praxis äußert sich das dadurch, dass eine trans Person zwei psychiatrische Gutachten vorlegen muss, um den Vornamen und Geschlechtseintrag ändern zu können. Häufig sieht man die Gutachter*innen für ein Gespräch, das eine Stunde, oder aber auch viele Stunden dauern kann. Genauso kann es passieren, dass man mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen muss. Dabei muss erwähnt werden, dass es in Deutschland nicht wahnsinnig viele Psychiater*innen gibt, die sich mit der Thematik der Transgeschlechtlichkeit auskennen. Besonders in ländlichen Regionen muss man da häufig weite Wege auf sich nehmen. Darüber hinaus verfügen einige dieser Gutachter*innen über ein Geschlechtsverhältnis aus den 50er Jahren.

Das äußert sich häufig in den Gesprächen: trans Menschen sollen sich ausziehen, wobei bewertet wird, ob sie sich auf „männliche“ oder „weibliche“ Art ausziehen. Auch die Gangart wird ähnlich bewertet. Dazu kommen übergriffige Fragen, wie man sie nicht einmal von einem betrunkenen Macho um 3 Uhr morgens in der Dorfdisko erwarten könnte. Klassiker sind dabei Fragen wie nach der Häufigkeit des Onanierens, wobei man da so denkt, welche Sexualpraktiken man denn so bevorzugt… Die Frage nach der eigenen sexuellen Anziehung kann dabei tatsächlich schon ein Ausschlusskriterium sein, d.h. eine trans Frau, die sich sexuell von Frauen angezogen fühlt, kann aufgrund dessen abgelehnt werden. Es kommt außerdem vor, dass die Psychiater*innen auch physisch übergriffig werden und bspw. die Brüste einer trans Frau berühren will. Letzten Endes wird dabei nicht überprüft, wie wohl man sich in dem Geschlecht fühlt, sondern wie sehr man dabei den Vorstellungen aus einem vergangenen Jahrhundert entspricht.

Jetzt kann man fragen, warum trans Menschen das in dem Gespräch nicht einfach ablehnen oder die Antwort auf übergriffige Fragen verweigern. Die Möglichkeit besteht – theoretisch. Dann kann es allerdings passieren, dass der*die Psychiater*in mangelnde Kooperation beanstandet und ein negatives Gutachten ausstellt. Und wenn eines der zwei verlangten Gutachten negativ ausfällt, wird man vom zuständigen Gericht noch zu einem entscheidenden dritten Gutachten verpflichtet. Da man nicht weiß, ob der*die dritte Gutachter*in mehr Anstand besitzt, lässt man solche Übergriffe also über sich ergehen.

Ein Punkt, der den Gang über das TSG für viele Menschen unmöglich macht, ist die Tatsache, dass die Kosten für die Gutachten und die Gerichtskosten selbst getragen werden müssen. Die Höhe der Kosten variiert, aber grob gesagt muss man dabei mit 1.000€ bis 5.000€ rechnen, die man nur dafür bezahlen muss. Den Löwenanteil machen dabei die Kosten für die Gutachten aus. Für ärmere Menschen besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Prozesskostenbeihilfe, d.h. die Kosten werden zunächst von staatlicher Seite übernommen. Die Anforderungen dabei entsprechen allerdings in etwa denen für Bafög oder ALG2. Wenn man also bspw. noch bei den Eltern wohnt, die genügend Geld verdienen, die einen aber nicht unterstützen wollen, hat man erst einmal Pech gehabt und muss warten, bis man selbst ausreichend Geld erspart hat.

Sobald die Gutachten ausgestellt sind, geht es noch zum zuständigen Amtsgericht. Zu beachten ist da, dass der*die Richterin nicht zwingend an die Gutachten gebunden ist. In den meisten Fällen gibt es bei zwei positiven Gutachten keine Probleme, aber rein rechtlich ist es möglich, im Urteilsspruch von den Gutachten abzuweichen. Und auch nach einem Urteil, das die Vornamens- und Personenstandsänderung bestätigt, ist man noch nicht fertig. Zunächst benötigt man selbst das schriftliche Urteil. Das kann einige Wochen dauern. Erst mit dem rechtskräftigen Beschluss kann man Änderungen der Dokumente in Angriff nehmen: Geburtsurkunde, Personalausweis etc. Aus persönlicher Erfahrung war besonders das Ändern des Studierendentickets problematisch. Vor der offiziellen Namensänderung weigerte sich die Universität, die Daten in ihrem System zu ändern, und somit war auch das Semesterticket auf einem falschen Namen und mit einem falschen Geschlecht vermerkt. Das führte dann bei Fahrscheinkontrollen zu wenig angenehmen Diskussionen wie, „aber das sind ja nicht Sie, da steht männlich, und Sie sind doch nicht männlich!“ Man möchte da antworten, „danke, das weiß ich auch, aber sagen Sie das der Universität und dem deutschen Staat…“, aber in einem vollen Bus überlegt man sich das dann doch zweimal. Nicht angenehmer wurde es dann, als ich mein Semesterticket, das auf meinen Deadname (Name, der mir bei der Geburt gegeben wurde) bei der Uni abgeben musste, damit sie ein neues Ticket beantragen konnten. Letzten Endes bedeutete das, dass ich einige Tage auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten musste oder hoffen, dass es zu keiner Kontrolle kommen würde. Und auch bei anderen Einrichtungen war es nicht wirklich einfacher. Laut §5 TSG besteht ein Offenbarungsverbot, d.h. dass der Deadname oder Hinweise auf das falsche Geschlecht aus Dokumenten zu ersetzen sind. Ein Beispiel sind Zeugnisse, die auf den „neuen“ Namen geändert werden müssen. Als trans Person besteht ein Anrecht auf die Ausstellung der Zeugnisse auf den geänderten Namen, auch damit man im späteren Berufsleben in der Hinsicht nicht offensichtlich diskriminiert werden kann. Dieser Paragraph mag der beste Abschnitt des TSG sein, aber viele Stellen kennen die Rechtslage hier nicht und verweigern die Neuausstellung von Zeugnissen. Auch hier muss man sich also, wenn man Pech hat, auf einen weiteren Kampf einstellen.

Eine Sache möchte ich auch nicht vorenthalten: die Frage, wie lange der ganze Prozess dauert. Bei mir dauerte der reine amtliche Prozess bis zum Termin beim Amtsgericht etwa neun Monate. Den größten Teil machten die Wartezeiten bei den Gutachter*innen und die Zeit der Ausstellung der Gutachten aus. Danach folgten noch etwa zwei Monate, in denen weitere Dokumente geändert wurden.

Dieser gesamte Prozess kostet unfassbar viel Kraft, Zeit, und auch Geld. Dass es sehr viel einfacher geht, haben schon viele andere Länder eingesehen. In Norwegen, Portugal, Dänemark, Irland, Uruguay, Chile und einigen anderen Ländern ist die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags nur eine Formsache. Mit einem Gang zu den Behörden ist es da getan, und man kann die ganzen weiteren Dokumente anpassen. Die aktuelle Bundesregierung aber hat es seit Jahren nicht geschafft, eine Reform des TSG auf den Weg zu bringen, die die Lage von trans Menschen hierzulande tatsächlich verbessern könnte. Stattdessen wurde im Mai 2019 ein Reformvorschlag eingebracht, der zwar non-binären Menschen auch eine Vornamens- und Personenstandsänderung ermöglicht hätte, aber unter anderem auch eine dreijährige Sperrfrist nach Ablauf eines Verfahrens mit sich gezogen hätte. Auch nach einem negativen Beschluss hätte eine trans Person also noch drei Jahre lang unter einem falschen Namen leben müssen. Auch Ehepartner*innen sollten den Vorschlägen gemäß vor Gericht aussagen. Hier sieht man wieder, dass die Regierung sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Stimmen der Betroffenen einfach nicht einlassen will: trans Menschen selbst wissen am besten, wer sie sind und welches Geschlecht sie haben. Das kann man durch keine Fragen danach erkennen, ob man im Alter von fünf Jahren vielleicht mal mit Puppen gespielt hat. Das Prinzip heißt Selbstbestimmung, und genau das ermöglicht ein Reformantrag aus der Opposition. Dieser Gesetzesantrag entspricht dem Wissensstand zu trans Menschen und ermöglicht ihnen ein freieres Leben ohne eine riesige Schikane.

Und bevor es heißt, „dann kann ja jeder (sic!) jeden Tag sein (sic!) Geschlecht wechseln (sic!)“ – ein neuer Personalausweis kostet ca. 25€ Bearbeitungsgebühr und es dauert mindestens zwei Wochen bis zur Ausstellung. Es ist also besonders zeitlich nicht möglich, „jeden Tag“ den Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Und wem das noch nicht reicht, der*die kann gerne in Norwegen anrufen und nachfragen, wieso wir hier nichts davon hören, dass das Menschen die ganze Zeit machen würden…

Wenn euch das Thema am Herzen liegt, würden wir kurz darum bitten euch für die ernsthafte Diskussion und Zustimmung des verlinkten Gesetzentwurfes bei eurem zuständigen Abgeordneten einzusetzen. Selbstbestimmung sollte kein Thema von Parteipolitik sein, sondern selbstverständlich.

Quellen:
[1] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/neues-transsexuellengesetz-das-geschlecht-bleibt-fremdbestimmt/24335498.html
[2] https://www.lsvd.de/de/ct/1473-Ratgeber-zum-Transsexuellengesetz

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