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Warum wollt ihr unser Blut nicht?

Warum wollt ihr unser Blut nicht?

15.000 Blutkonserven werden täglich gebraucht! Warum dürfen wir nicht spenden?

English version below

In Deutschland ist es besonders für trans* Personen und schwule/bisexuelle Männer schwer bis unmöglich Blut zu spenden, da sie zu HIV-Risikogruppen gezählt werden. Die Regelung wurde 2017 bereits gelockert, sodass schwule und bisexuelle Männer nun nach einem Jahr Abstinenz (Sex natürlich, nicht Alkohol oder etwaiges) spenden dürfen. Wir sagen, diese Regelung ist mehr als überholt. Es gibt keinen medizinisch-wissenschaftlichen Grund für ein ganzes Jahr Abstinenz vor einer Blut- oder Plasmaspende. Wir möchten nicht die Existenz von HIV-Risikogruppen leugnen, die Daten dazu sind öffentlich verfügbar. Jedoch ist eine Infektion mit dem HI-Virus bereits nach einer Zeitspanne von sechs Wochen bis maximal vier Monaten nachweisbar. Außerdem unterläuft jede Spende in der Prozessierung einem Screening auf etwaige Infektionskrankheiten. Bei Plasmaspenden ist der Prozess noch penibler. Eine Plasmaspende wird vier Monate gelagert, um dann mit einer Folgespende abgeglichen zu werden. Dadurch wird sicher gegangen, dass es keine Krankheitserreger in den Spendenkreislauf schaffen. Wir fordern daher den Zeitraum der Abstinenz auf vier Monate nach einem Risikokontakt zu reduzieren. Länder, wie z.B. Großbritannien haben diese Regelung bereits eingeführt. Der Ausschluss bestimmter Personengruppen von der Blutspende ist willkürlich. Eine einheitliche Regelung, z.B. in Abhängigkeit der Anzahl wechselnder Sexualpartner wäre angemessener und fairer.

Eine weitere Absurdität ist, dass heterosexuelle Personen die z.B. einen HIV-positiven Sexualpartner haben lediglich eine viermonatige Frist einhalten müssen. Das gleiche gilt nach einem Aufenthalt in z.B. Malaria-Risikogebieten [1]. Wir nennen sowas Diskriminierung. Das Bewusstsein um die Risiken einer HIV-Infektion ist in der LGBTQIA+-Community omnipräsent.

Besonders die Lage von trans* Frauen ist prekär. Die Bundesärztekammer schreibt dazu folgendes [2]:

  • „Die AIDS-Aufklärungsprogramme erreichen häufig diese Zielgruppe nicht, da sich die besonders Betroffenen (male-to-female) als Frau fühlen, auch wenn das männliche Geschlechtsorgan nach operativen Korrekturmaßnahmen noch vorhanden ist“
  • „Die häufig anzutreffende, häufig vielleicht auch nur temporäre Arbeit im Sexgewerbe führt dazu, dass Transsexuelle ein hohes HIV-Risiko haben. Dies nicht nur im Vergleich zu Sexarbeiterinnen, sondern auch im Vergleich zu MSM.”

Zu aller erst sind diese Aussagen beschämend transfeindlich. Die Beschreibung „transsexuell“ ist überholt und impliziert einen Zusammenhang mit der Sexualität der Betroffenen. Weiterhin unterstellen sie trans* Personen, besonders trans* Frauen eine allgemeingültige Affinität zur Prostitution. Dabei beruft sich die Bundesärztekammer auf US-amerikanische Studien und gibt an, dass für Deutschland keine Zahlen verfügbar sind. Besagte Studien geben an, dass 11% aller befragten trans* Personen im Sexgewerbe aktiv sind oder waren. Dadurch auf alle trans* Personen zu schließen und eine ganze Personengruppe auszuschließen, klingt entweder nach Boshaftigkeit oder krasser Faulheit. Natürlich ist das HIV-Infektionsrisiko größer in den genannten Gruppen, jedoch ändert das nicht die unverhältnismäßigen Restriktionen im Bezug auf das Spenden von Blut und Plasma. Menschen aus den betroffenen Personengruppen wird unterstellt fahrlässig durchs Leben zu gehen, ohne Rücksicht auf etwaige Konsequenzen, wenn es gerade diese Menschen sind, die über jeden Schritt in ihrem Leben doppelt nachdenken müssen.

Wir möchten hier nicht die Mitarbeiter des DRK oder anderer ähnlicher Organisationen verunglimpfen, sie leisten tolle Arbeit! Es geht uns um das Prinzip der systematischen Diskriminierung von nicht cis-heterosexuellen Menschen, obwohl auch diese Blut- und Plasmaspenden dringend gebraucht werden. Bei oft zu hörenden Klagen über mangelnde Vorräte an Blutkonserven macht es keinen Sinn ganze Personengruppen pauschal auszuschließen oder den Zugang maximal zu begrenzen.

English version:

Why don’t you want our blood?

15.000 doses of donated blood are needed every day! Why are we not allowed to donate?

In Germany it is extremely hard to impossible to donate blood as a gay/bisexual man or trans* person. These groups are considered HIV risk groups. 2017 the regulations were loosened, so that gay and bisexual men can donate blood after living abstinent for at least one year. We say, that regulation is obsolete. There is no mediacl-scientific reason for one year of abstinence before donating blood or plasma. We are not denying the existence of HIV risk groups, the data is public and well understood. But an infection with HIV is already detectable after six weeks to four months. Also, every donation is being screened for infectious diseases. For plasma donations the process is even more painstaking. The donated plasma is stored for four months to be compared to a follow-up donation of the same person. By this procedure, it is ensured that no infections can enter the donation cycle. Because of that, we call for a reduction of the abstinence period down to four months after having a risk contact. Countries like Great Britain already have this regulation. The exclusion of certain groups from doanting blood is just arbitrary. A coherent regulation, e.g. depending on the number of changing sexual partners seems more suiting and fair.

Another absurdity is that heterosexuals which have an HIV-positive sexual partner only have to wait four months. The same thing applies for people who went to e.g. malaria risk areas. We call that discrimination. The awareness of the risk of an HIV infection is well known in the LGBTQIA+ community.

Especially the situation of trans* women is sensitive. The German medical council says:

  • „The AIDS-related education programm often do not reach the target audience, because the affected persons (male-to-female) are seeing themselves as women, even if the male reproductive organ is still present after surgical corrective actions.“
  • „The often seen, often maybe temporary sex work leads to transsexuals having a higher HIV risk. Not only compared to sex workers but also to MSM (men having sex with men).

First of all, these statements are deeply transphobic. The description „transsexual“ is outdated and is implying a connection to a persons sexual identity. Beyond that, the German medical council is assigning trans* women a high affinity to prostitution. The studies referring to this statement are US-American studies, numbers for Germany are not available. Said studies state that 11% of all interviewed trans* people are or have been active in sex work. To ban a whole group of people from donating blood, based on these number sounds like viciousness or just laziness. Of course, the HIV infection risk is greater in the mentioned groups, but this does not make the disproportionate measures legitimate. People from the affected groups are ascribed to carelessly go through life without thinking about the consequences. Obviously, it is the opposite. Most people from the LGBTQIA+ community have to think twice about every step they make in life.

We do not want to attack the employees of the DRK or other similar organizations, they do great work! For us, it is a matter of principle of systematic discrimination of non-cis-heterosexual people, although their blood and plasma is needed as well. You can often hear or read the lamentations of a shortage of donated blood, so it makes no sense to just generally exlude whole groups of people or make access as hard as possible.

Quellen/Sources:

[1] https://www.queer.de/detail.php?article_id=33079

[2] https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MuE/Blutspende_22072016.pdf

[3] https://www.mdr.de/wissen/tag-der-blutspende-100.html

[4] https://www.deutschlandfunk.de/richtlinie-fuer-blutspenden-die-unterscheidung-in-homo-und.1769.de.html?dram:article_id=400050

[5] https://www.einfachlebenretten.de/rund-um-die-blutspende/was-passiert-mit-dem-blut-nach-der-spende.html

Alle Links im Text verweisen auf Definitionen von https://queer-lexikon.net/. Wir danken für die gute und nötige Arbeit!

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