Buchrezension: DARUM SPINNEN JAPANER – Neues vom Wahnsinn des japanischen Alltags

Buchdetails:

Titel: Darum Spinnen Japaner – Neues vom Wahnsinn des japanischen Alltags

Autor: Christoph Neumann      buch

Erscheinungsjahr: 11.05.2013

Verlag: Piper

Seitenumfang: 235 Seiten

ISBN: 978-3-492-30263-0

Sprache: Deutsch

Preis: 9,99 €

 

Meine Motivation:

Während meines Aufenthaltes am LSI in Bochum wurde mir das Buch „Darum spinnen Japaner“ empfohlen. Nach kurzer Recherche überzeugte es mich, ein Buch aus der Perspektive eines in Japan lebenden Deutschen zu lesen. Mich hat besonders interessiert, wie die Sichtweise eines Deutschen auf die japanische Kultur und auf den japanischen Alltag ist. Ich habe mich für das Buch entschieden, in der Hoffnung einen Ratgeber mit hilfreichen Einblicken über das Land und dessen Einwohner zu lesen. Daher wollte ich das Buch als Vorbereitung für mein anstehendes Auslandssemester in Japan nutzen.

Zum Autor:

Der Autor Christoph Neumann wurde im Jahr 1967 in München geboren und wuchs in Würzburg auf. Er absolvierte sein Studium in Sprachwissenschaften mit den Nebenfächern Japanologie und Journalistik. Im Jahr 1995 begab er sich erstmalig nach Japan im Rahmen eines Auslandssemesters an die Universität Tsukuba. Seinen Doktortitel in Computerlinguistik erlangte er im Jahr 2000 an der Technischen Universität in Tokio. Seither ist Neumann neben dem Beruf als Schriftsteller und Journalist auch als Softwareentwickler in Tokio tätig. Bisher hat er zwei Bücher über den japanischen Alltag veröffentlicht („Darum nerven Japaner – Der ungeschminkte Wahnsinn des japanischen Alltags“ und „Darum spinnen Japaner – Neues vom Wahnsinn des japanischen Alltags“). In Japan trat er vier Jahre lang als wöchentlicher Gast in der Talkshow „Die spinnen, die Japaner“ auf. In dieser Talkshow diskutierten in Japan lebende Ausländer mit Einheimischen unter anderem über Themen des japanischen Alltags.

Inhalt und Gliederung:

Der Autor schildert in seinem Buch 17 verschiedene Themenbereiche und behandelt neben ökonomischen und politischen, insbesondere auch kulturelle Aspekte des japanischen Lebens. In dem Buch beschreibt er neben seinen persönlichen Erfahrungen auch Geschichten und Erzählungen von Bekannten und Freunden. Mich haben besonders die zwei Kapitel „Knast“ und „Jobs – Firma, lass mich dein Sklave sein!“ interessiert, auf die ich im Folgenden näher eingehen werde.

„Knast“ 

Neumann beschreibt in diesem Kapitel das japanische Justizsystem. Auf der einen Seite gibt es in Japan die Gefängnisse, wo die Insassen fließendes Wasser haben, lesen, fernsehen oder Karten spielen können und sich an jedem zweiten Tag im Gefängnis eigenen Badehaus waschen. In diesen Gefängnissen kommen allerdings nur diejenigen, denen ein Gerichtsprozess gemacht wurde. Dies bedeutet, dass sie zu einer Freiheitsstrafe oder zum Tode verurteilt wurden. Auf der anderen Seite gibt es die sogenannten „Verwahrcenter“. Diese sind knapp zwei Quadratmeter groß, meist fensterlos und in einem aggressiven Gelbton gestrichen. Der Gefangene bleibt dort in der Regel bis zu 23 Tage eingesperrt, oftmals sowohl ohne Gerichtsverfahren als auch ohne Anwalt. Das Wegsperren in die Verwahrcenter bezeichnet die japanische Regierung als Untersuchungshaft. Im Allgemeinen liegt die Entscheidung über den Aufenthalt in einem Gefängnis beim Gericht, wohingegen ausschließlich die japanische Polizei die Entscheidung darüber trifft, wer, wann in welchem Verwahrcenter eingesperrt wird. Der japanischen Polizei ist es gestattet, jede Person ohne große Formalitäten in ein Verwahrcenter festzuhalten. Diese befinden sich in den Polizeipräsidien und nehmen ein ganzes Stockwerk ein. Die Insassen sitzen den ganzen Tag auf den Boden und starren die Wand an. Es ist ihnen verboten, persönliche Gegenstände mit in die Zelle zu nehmen, lediglich die Kleidung, die sie zum Zeitpunkt der Inhaftierung am Körper getragen haben, ist ihnen gestattet. Es ist beabsichtigt, den Insassen das Leben so unerträglich wie möglich zu machen. Folglich verwundert es nicht unter diesen Umständen, dass rund 80% der sich in Untersuchungshaft Befindenden freiwillig gestehen, oftmals auch Unschuldige. Viele wollen einfach in ein „richtiges“ Gefängnis versetzt werden, da sie dort besser behandelt werden. Es werden ohnehin 99% der Angeklagten, welche einem Richter vorgeführt werden, als schuldig deklariert. Mit anderen Worten steht das Urteil eines Gerichtsprozesses zu Beginn des Prozesses bereits fest, da jeder Angeklagte in Japan auch schuldig gesprochen wird. Der Autor sieht die Ursache ist in erster Linie darin, dass aus japanischer Sichtweise die Justiz „keine Fehler“ begeht. Die Richter haben einerseits großes Vertrauen in die Vorarbeit der Staatsanwaltschaft und andererseits möchten die Richter die Staatsanwaltschaft nicht bloßstellen, damit ihr Gesicht gewahrt werden kann. Als Folge aus einem verlorenen Fall würde aus japanischer Denkweise geschlussfolgert werden, dass die Staatsanwaltschaft nicht zuverlässig beim Zusammentragen der Beweise gearbeitet hätte.

„Jobs – Firma, lass mich dein Sklave sein!“

Der Autor leitet das Kapitel mit der Behauptung ein, dass Japaner nicht fähig seien, selbstständig zu denken und dass gerade diese Eigenschaft sie zu den idealen „Untergebenen“ mache. Eine Firma bekommt von seinen Angestellten bedingungslosen Gehorsam, da sich die Angestellten selbst einreden, keine andere Wahl zu haben, als ihr gesamtes Leben der Firma zu widmen. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Japaner üblicherweise ihren bezahlten Urlaub für den Fall, dass sie krank werden, nehmen. Ein japanischer Arbeitnehmer hat anfänglich kaum mehr als zehn Tage Jahresurlaub zur Verfügung. Daher ist es für einen Japaner undenkbar, seinen Urlaub für Erholung zu nutzen, da die Möglichkeit besteht, dass er krank werden könnte und ihm dementsprechend die Urlaubstage fehlen würden. Neben der beträchtlich hohen Anzahl an jährlichen Arbeitstagen ist auch die tägliche Arbeitszeit enorm. Es gilt in nahezu jedem Arbeitssektor in Japan, dass Überstunden als Bestandteil der zu verrichteten beruflichen Leistung gehören. Ein gewöhnlicher Arbeitstag endet für Japaner im Durchschnitt erst um 23 Uhr. Die ersten vierzig verrichteten Überstunden pro Monat werden nicht bezahlt, sondern erst ab der 41. Überstunde kommt es zu einer Entlohnung von 125 Prozent, gemessen an dem regulären Stundenlohn. Außerdem betont der Autor, dass die Überstunden nicht zwingend mehr Arbeit bedeuten. Vielmehr gilt, dass die Angestellten erst Feierabend machen, wenn der Chef das Büro verlassen hat. Die Verpflichtung eines Angestellten für die Firma geht über das gewöhnliche Arbeitsverhältnis hinaus, wie beispielsweise das gemeinschaftliche Pflichttrinken nach Feierabend, welches relevant für kollegiale Beziehungen ist. Vor allem, wenn der Vorschlag seitens des Chefs gemacht wird, wagt es selten ein Angestellter diesen zurückzuweisen. Christoph Neumann erwähnt zudem, dass es in Kombinis (Convenience Stores) immer einen schwarzen Farbton zum Haarefärben zu kaufen gibt. Die Zielgruppe sind dabei vorzugsweise junge Japaner, die sich kurzfristig ihre Haare zurückfärben müssen. Insbesondere bei Bewerbungsgesprächen in japanischen Firmen gilt der Bewerber nur als seriös, wenn er natürliche schwarze Haare hat, denn ein beispielsweise blonder Farbton gilt als unseriös. Die Haarfarbe der Angestellten wird oftmals von Firmen vorgeschrieben. Zum Beispiel sind japanische Bankangestellte schwarzhaarig, um so deren Seriosität zu suggerieren. Firmen mischen sich in vieler Hinsicht in das private Leben ihrer Angestellten ein. Beispielsweise berichtet der Autor, dass sein ehemaliger Chef seinen Festangestellten zum 30. Geburtstag immer persönlich gratuliert hat. Denjenigen, die noch Single waren, legte er nahe, sich möglichst bald einen Ehepartner zu suchen. Der Hintergrund dafür wird darin gesehen, dass ein verheirateter Angestellter produktiver sei. Im Vergleich zu einem nicht verheirateten Angestellten kann ein Verheirateter mit Gehaltserhöhungen sowie Beförderungen rechnen.

Fazit:

In diesem Buch beschreibt der Autor in einer Reihe von Kapiteln zu unterschiedlichen Themen aus dem japanischen Alltag. Viele Themen waren einerseits für mich neu, insbesondere das Kapitel „Knast“, welches mich auch am meisten schockiert hat. Andererseits waren mir auch einige Themen im Vorfeld bekannt, wie beispielsweise die allgemeine Unfreiheit der Japaner, die sich dem Druck ihrer Firma und ihres Chefs beugen. Im Großen und Ganzen schreibt Neumann sehr flüssig, unterhaltsam und durchgehend spannend, was das Lesen des Buches vereinfachte.

Insgesamt empfand ich das Buch als sehr informativ und ich freue mich die Wahrnehmung Neumanns über die Japaner mit meinen eigenen Erfahrungen in Japan zu vergleichen. Dieses Buch würde ich nur bedingt weiterempfehlen, weil einige der Themen nicht immer positiv dargestellt sind und dadurch abschreckend auf den Leser wirken können. Mich hat aber besonders seine authentische Sichtweise über das alltägliche Leben in Japan mit all seinen Vorzügen und negativen Eindrücken überzeugt.

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