Buchrezension “ZEHN” von Franka Potente

Buchdetailszehn cover2
Titel: ZEHN
Autorin: Franka Potente
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Piper Verlag GmbH, München
Umfang: 165 Seiten
ISBN: 978-3-492-05423-2
Sprache: Deutsch
Preis: 8,99€


Motivation

Bei meiner Recherche nach einem passenden Buch für das Literaturforum war ich sehr überrascht darüber auf den Namen Franka Potente zu treffen. Die gebürtige Deutsche war mir als Schauspielerin, nicht aber als Buchautorin bekannt. Umso spannender fand ich es ein Buch über Japan zu lesen, das aus der deutschen Sichtweise geschrieben ist. Ein Beobachter, der den gemeinsamen kulturellen Hintergrund mit mir teilt und über kulturelle Unterschiede und Erlebnisse aus Japan berichtet.

Darüber hinaus hat mich das Buchcover direkt angesprochen, da sich schon hier der Japan-Fokus zeigt. Der abgedruckte Titel ZEHN wird nämlich doppelt angegeben: einmal in lateinischer Schrift wie auch im Hintergrund als rotes Kreuz, dem Kanji- Schriftzeichen für die Zahl „Zehn“. Auch die Farbgebung erinnert stark an die japanische Nationalflagge. Wo bereits so viel Japan drauf ist, muss auch viel Japan drinstecken – erhoffte ich mir bei der Wahl des Buches.


Die Autorin

Franka Potente wurde am 22. Juli 1974 in Dülmen, bei Münster (Nordrhein-Westfalen), geboren und ist eine bekannte deutsche Schauspielerin und Schriftstellerin. Momentan lebt sie in den USA. Mit ihrer Titelrolle in Tom Tykwers “Lola rennt” wurde Potente 1998 zum Star und auch international berühmt. Ihre erste Japanreise machte Potente 2005, als sie wegen Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm über „Underground Art“ nach Tokio reiste. Seither besucht sie Japan regelmäßig. Laut eigenen Angaben ist Potente von der ihr fremde Kultur, dem Kontrast zwischen Tradition und Moderne sowie von der japanischen Mentalität fasziniert. Ihre bisherigen Eindrücke aus Japan veröffentlichte sie in ihrem dritten Buch ZEHN als Erzählband.


Inhalt

Bei dem Buch ZEHN handelt es sich um eine Sammlung von Kurzgeschichten, die alle in Japan spielen und die Einblicke in das japanische Alltagsleben geben. ZEHN heißt es, weil es zehn Geschichten enthält.

Die Protagonisten der einzelnen Handlungen sind ganz normale Durchschnittsjapaner, die sich in den unterschiedlichsten Lebensabschnitten und Lebenslagen befinden und mit diversen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen haben. Es geht um die kleinen und großen Dinge, die das alltägliche Leben beschäftigen und um Schicksalsschläge, die emotional bewältigt werden müssen.
Franka Potente gewährt dabei sensible Blicke in die japanische Kultur, in ihre Riten und Traditionen, verpackt in kleine Familien- und Liebesgeschichten. Diese sind mal leidenschaftlich, mal heiter bis hin zu humorvoll, mal melancholisch, aber meist leise.
Um die Vielfältigkeit des Buches aufzuzeigen, werden im Folgenden einige Erzählungen kurz umrissen:

So erzählt sie unter anderem in der Kurzgeschichte „Viele Götter“ vom Aberglauben über die besondere Kraft, die sich in einem Reiskorn verbirgt. Kurz bevor er sich auf den Weg zu seinem Vorstellungsgespräch macht, vermisst ein junger Japaner das letzte Reiskorn seiner Mahlzeit. Er gerät deswegen in Panik, da nun die vielen Götter, die in diesem einzelnen Reiskorn wohnen, ihm an seinem wichtigen Tag nicht beistehen können.

Eine weitere Geschichte mit dem Titel „Kyôiku-Mama“ handelt vom Leistungsdruck der japanischen Gesellschaft, dem sich nicht einmal ein ungeborenes Kind entziehen kann, sowie vom Wunsch nach einem Stammhalter der Familie. Bereits vor der Geburt finden bei Marikos Baby pränatale Intellligenzförderungsmaßnahmen zur Optimierung der kognitiven Fähigkeiten wie auch die Planung des zukünftigen Bildungsverlaufs statt.

Die Geschichte „Welcome Home, Master!“ zeigt wiederum ein ganz anderes Bild Japans, die einer erotischen Welt abseits der Traditionen. In einem der vielen Vergnügungsvierteln Tokios arbeitet eine junge Frau tagsüber in einem Maid Café und nachts in einem Striplokal bis sie eines Tages ihrem Traumprinzen begegnet.

Daneben werden auch Begegnungen mit der westlichen Kultur thematisiert.  „Das schwedische Haar“ gibt ein völlig anderes Verständnis von Nähe und Intimität der Japaner preis. Ebenso zeigt es die Wichtigkeit einer klaren „Ordnung“ im Leben und in der Arbeit eines jeden Japaners.

Oder die traurige Erzählung „Tamago“, die vom Ableben des Herrn Masamori erzählt, der für sich das Phänomen des einsamen Alterstodes (kodoku-shi) wählt.


Fazit und Kritik

Franka Potente hat hier ein Buch mit zehn schlichten und zugleich einfühlsamen Kurzgeschichten verfasst, das die private Seite Japans zeigt. Es ist kein Buch, das Japan von außen betrachtet, sondern das Einblicke in das Allerheiligste, nämlich in die Privatsphäre von Japanern, gewährt. Im selben Zuge nimmt sich die Autorin komplett aus den Erzählungen heraus.

Jede Geschichte hat ihre eigenen kulturellen Aspekte zu bieten. In wenigen Seiten wechseln sich Romanzen, Verzweiflungsakte, Glaubensgespräche und einigen Klischees über Japan ab, was dazu führt, dass man als Leser das Buch nicht weglegen möchte. Dabei legt die Autorin sehr viel Wert auf das kulturelle Verständnis. Vor allem dem westeuropäischen Publikum versucht sie das fremde Land und den fremden Kulturraum näher zu bringen.

Franka Potente ist sehr genau, wenn sie von Japan erzählt und über Japan schreibt. Dies stellt auch ein Kritikpunkt dar. Für meinen Geschmack ist sie zu genau in ihrer Beschreibung. Anstatt den Zauber, den Japan auf sie auszuüben scheint, einfach wirken zu lassen, lässt sie nichts unerklärt und versucht möglichst viel Wissen über das Land zu transportieren. Dies ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass sie keine Japanerin ist. Dennoch überzeugt das Buch durch den einfach gehaltenen Schreibstil und den kurzen Sätzen, die angenehm zu lesen und prägnant sind.

Ich sehe das Buch als eine gute Vorbereitung für mein bevorstehendes Auslandssemester in Japan an. Während des Lesens konnte man sich gut in die Geschehnisse hineinversetzen und Informationen über den japanischen Alltag gewinnen. Für mich hat es Potente geschafft ein eindringliches und informatives Bild dieser fremden Kultur zu vermitteln, der ich bald in Japan selbst begegnen werde.

Leseempfehlung?
Ich kann das Buch ZEHN von Franka Potente jedem empfehlen, der Kurzgeschichten mag. Wer darüber hinaus noch etwas über die japanische Kultur, die japanische Denk- und Lebensweise erfahren möchte, wird definitiv auf seine Kosten kommen. Zwar ist es hier und da etwas klischeehaft und sehr detailreich beschrieben, aber deshalb umso gehaltvoller für alle Japan-Interessierte.

This entry was posted in German, Japan, Literature review. Bookmark the permalink.

2 Responses to Buchrezension “ZEHN” von Franka Potente

  1. Ünzile Gürsoy says:

    Hallo Jasmin,

    Auch ich möchte gerne einen Kommentar zu deiner Rezension abgeben. Deine Rezension erweckte direkt mein Interesse, weil das Buch dass du ausgewählt hast von einer Deutschen Autorin geschrieben ist, und das Buchcover auf mich den Eindruck machte als ob es sich bei dem Buch um einen Krimi oder ähnliches handelt.
    Noch erstaunlicher war es daher zu lesen, dass dieses Buch eine Zusammenstellung von mehreren japanischen Kurzgeschichten ist. Das finde ich sehr schön an dem Buch, vor allem wenn man wie du vor hat, Zeit in diesem Land zu verbringen und die Kultur schon im Voraus ein wenig besser kennenzulernen. Was ich zudem sehr schön an dem Buch finde, ist das es japanische “Privatgeschichten” sind, so wie du beschreibst. Ich denke das dieses Buch eine Informationsquelle ist die sich aber gleichzeitig wie ein Roman liest, dadurch das es Kurzgeschichten sind. Wie ich deiner Rezension entnehmen konnte, muss es dir mithilfe dieses Buches gelungen sein, ein Stückchen näher an die japanische Kultur zu kommen. Eine wirklich Interessante Buchauswahl für jeden der Interesse an Japan und japanischer Kultur, japanischem Leben etc. hat.
    Vielen Dank für diese Rezension.

    Liebe Grüße,
    Ãœnzile

  2. MadeleineH says:

    Hallo Jasmin,

    vielen Dank für Deine geschriebenen Worte. Ich wusste auch nicht, dass die Schauspielerin Franka Potente auch literarische Werke schreibt und dies auch noch über Japan. Deshalb fand ich es noch faszinierender, als ich über den Zusammenhang las, das Stück, welches in Tokio spielte.

    Auch mich hat das Cover des Buches begeistert und erinnert einen sehr, wie Du auch schon erwähnt hast, an die japanische Flagge. Es hat mir eine große Freude bereitet, Deine Rezension zu lesen und bedauere es sehr, persönlich nicht anwesend gewesen zu sein.

    Sehr beeindruckt hat mich, wie Du die Kurzgeschichten prägnant in kurzen und klar verständlichen Worten formuliert hast, ohne dabei die Pointe einer der Geschichten zu rauben und gleichzeitig so viel Spielraum gelassen, dass wenn man das Buch selber liest, alles noch selber erleben kann. Vielen Dank für diesen Schreibstil. Vor allem bin ich beeindruckt, wie einzigartig und speziell jeder der von Dir vorgestellten Kurzgeschichte sind und welche Themen diese umfassen. Man kann in Deinen Worten den Leistungsdruck, emotionalen Schmerz, Tragik sowie Bedauern und Einsamkeit verspüren. Ich freue mich schon sehr darauf, selbst einen Blick in Deine Buchauswahl zu werfen und die ein oder andere Kurzgeschichte selber zu lesen.

    Bei weiteren Rückfragen bin ich selbstverständlich jederzeit für Dich erreichbar.

    Liebe Grüße,
    Madeleine

Comments are closed.