Sun Tsu – Die Kunst des Krieges

Cover Kunst des Krieges

Rezension von Johanna Richter; Vorstellung am 18.05.2015

„Die Kunst des Krieges“ ist ein Sachbuch, welches Sun Tsu ca. 500 v. Chr. niederschrieb.  Die hier rezensierte Ausgabe wurde 2014 in der 13. Auflage im Nikol Verlag mit einem Vorwort von James Clavell herausgegeben. Bei der Übersetzung von James Clavell handelt es sich um eine Übersetzung einer Übersetzung. Lionel Giles fertigte 1910 eine zweite englische Übersetzung des chinesischen Originaltextes an und James Clavell übersetzte diese, wie er selbst im Vorwort dieser Ausgabe zugibt, sehr frei ins Deutsche.

Über den Autor und Militärstrategen Sun Tsu selbst ist wenig bekannt. Er war General des Königs von Wu, dessen Armeen dank Sun Tsus Weisheiten zwei Jahrzehnte lang siegreich blieben.

Auf 157 Seiten und in 13 Kapiteln zusammengefasst stellt Sun Tsu verschiedene Thesen zur strategischen Kriegsführung auf. Dabei geht er kapitelweise auf verschiedene Gesichtspunkte wie bspw. „Planung“ (Kapitel I), „Taktik“ (IV), „Schwache und starke Punkte“ (VI) oder „De[n] Einsatz von Spionen“ ein (XIII).
Weitere Kapitel lauten „Über die Kriegsführung“, „Das Schwert in der Scheide“, „Energie“, „Manöver“, „Taktische Varianten“, „Die Armee auf dem Marsch“, „Terrain“, „Die neun Situationen“ und „Angriff durch Feuer“.

Im ersten Kapitel beschreibt er mehrere Faktoren, welche die Planung bestimmen. Dies sind das Gesetz der Moral, Himmel, Erde, der Befehlshaber, Methode und Disziplin. Er nennt weiterhin Bedingungen mit denen sich Sieg und Niederlage voraussagen lassen, nämlich indem er fragt, wer die oben genannten Faktoren besser befolgt oder: Welche Armee ist die stärkere? Wessen Offiziere und Mannschaften sind besser ausgebildet?
Der Titel des dritten Kapitels „Das Schwert in der Scheide“ bezieht sich auf die Art einen Kampf zu führen, nämlich indem man den Widerstand des Gegners ohne einen Kampf bricht. Dies sei laut Sun Tsu die größte Leistung. Allerdings, so schreibt er, gibt es drei Arten, auf die ein Herrscher seiner Armee Unglück bringen kann. Wenn er Befehle erteilt, aber nicht erkennt, dass die Armee nicht gehorchen kann. Wenn er die Armee ähnlich wie ein Königreich führen möchte, was auf Grund unterschiedlicher Bedingungen nicht funktionieren kann und wenn er das Prinzip der Anpassungsfähigkeit vernachlässigt. Gleichwohl nennt Sun Tsu einige wesentliche Voraussetzungen für den Sieg und stellt nicht zuletzt fest: „Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht fürchten“ (S.35).
Das vierte Kapitel geht auf defensives sowie offensives Taktikverhalten im Krieg ein. Des Weiteren sagt Sun Tsu, dass es in der eigenen Hand läge sich zu verteidigen, aber die Gelegenheit siegreich zu sein, gebe einem der Feind selbst.
„Schwache und starke Punkte“ (Kapitel 6) beschreibt eben solche Punkte in der Kriegsführung und daraus resultierende Vor- und Nachteile gewissenhaft auszunutzen bzw. zu vermeiden. Bspw. spricht Sun Tsu hier davon den Feind mit Ködern zu locken oder ihn zum Aufbruch zu zwingen, wenn er sich ausruhen möchte.
Im siebten Kapitel über das Manöver weist Sun Tsu auf die Kunst der Ablenkung hin, welche den Gegner siegessicher glauben lassen soll, doch nur um ihn mit geheimen Taktiken doch zu schlagen. Es geht in diesem Kapitel darum, den Gegner zu täuschen, große Massen anzuführen, Stimmungen zu studieren und darauf zu reagieren, Selbstbeherrschung zu bewahren und die eigenen Kräfte einzuteilen.
Im achten Kapitel über taktische Varianten erklärt Sun Tsu u.a. fünf Fehler, die ein General begehen und zur Niederlage im Kampf führen können: Unbekümmertheit, Feigheit, Empfindliches Ehrgefühl, ungezügeltes Temperament und übergroße Sorge um das Wohl der Männer.
Das neunte Kapitel „Die Armee auf dem Marsch“ erläutert einige Kampftaktiken, wie man am besten an den Gegner heran geht. Des Weiteren wird darauf eingegangen wie der General seine Soldaten behandeln muss damit sie ihm zugetan sind, nämlich menschlich, doch mit eiserner Disziplin.
Das zehnte Kapitel beschäftigt sich vor allem mit den verschiedenen Arten des Terrains und seinen jeweiligen Vor- und Nachteilen. Insgesamt listet Sun Tsu sechs unterschiedliche Arten: zugängliches Gelände, behinderndes Gelände, ausgleichendes Gelände, enge Pässe, steile Anhöhen und Positionen, die weit vom Feind entfernt sind.
Das elfte Kapitel geht auf weitere Arten von Geländen ein und wie sich jeweils zu verhalten ist. Beispielsweise ist eingeengtes Gelände nur durch enge Schluchten und mühselige Pfade zu erreichen. Daher sollte man hier eher Kriegslisten anwenden. Hoffnungsloses Gelände dagegen beschreibt eine ausweglose Situation, der man nur entkommt, wenn man ohne Zögern kämpft.
Im zwölften Kapitel „Angriff durch Feuer“ geht Sun Tsu auf die fünf Möglichkeiten mit Feuern anzugreifen ein: die Soldaten im Lager zu verbrennen, Vorräte zu verbrennen, Gepäckzüge zu verbrennen, Arsenale und Magazine zu verbrennen und schließlich Feuer zwischen die Reihen des Gegners zu schleudern.
Das letzte Kapitel widmet sich fünf Klassen von Spionen: eingeborene Spione, innere Spione, übergelaufene Spione, todgeweihte Spione und überlebende Spione.

Insgesamt verzichtet Sun Tsu in seinem Buch auf Argumentationen und stellt seine Weisheiten schlicht in Thesen dar. Es gibt auch keinen richtigen Hauptprotagonisten, da es sich um ein Sachbuch handelt, jedoch stellt Sun Tsu die Bedeutung des Generals heraus, der für Erfolge sowie Niederlagen in vielen Fällen verantwortlich ist.

Obwohl das Buch inhaltlich viel auf die mobile Kriegsführung eingeht, schreibt Sun Tsu schon zu Beginn, dass man den Gegner möglichst im gewaltlosen Kampf besiegen solle.  Es sollten also durch kluges Verhalten Bedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen den Gegner mit möglichst geringem Gewalteinsatz zu besiegen. Jedoch behandelt der Großteil des Buchs Strategien und Taktiken der Kampfkunst, Sun Tsu lässt die Gewalt also auch nicht außen vor. Wenn solche zuvor genannten gewaltfreien Bedingungen demnach nicht geschaffen werden können, so ist der Sieg dennoch gewaltsam zu erringen.

Das außergewöhnliche an diesem Buch ist zweifelsohne seine heutige Bedeutung. Es wurde vor 2500 Jahren verfasst, aber zeigt dennoch einen zeitlosen Charakter, denn Sun Tsus Weisheiten sind teilweise sehr gut auf die Gegenwart übertragbar. Egal ob geschäftliche Konflikte oder der Kampf ums Überleben, alle diese Formen des Krieges folgen den gleichen Regeln. So schreibt Sun Tsu: „Jede Kriegführung gründet auf Täuschung. Wenn wir also fähig sind anzugreifen, müssen wir unfähig erscheinen; wenn wir unsere Streitkräfte einsetzen, müssen wir inaktiv erscheinen (…)“ (S.21). Übertragen auf die heutige Welt könnte man sich Tarifverhandlungen ansehen. Diese dauern manchmal mehrere Tage und werden nur für einige Stunden als kurze Verschnaufpause unterbrochen. Diese Zeit könnten die jeweiligen Parteien auch für weitere Recherchen etc. nutzen, sodass man im nächsten Treffen möglicherweise einen taktischen Vorteil hat.
Im ersten Kapitel geht Sun Tsu auf fünf Faktoren ein, die die Planung beeinflussen. Unter anderem nennt er „Disziplin“, welches auf heute übertragen bedeuten kann, dass die im Unternehmen aufgestellten Gesetze für alle gleich gelten. Wer vorbildlich ist und mit Disziplin und moralischem Beispiel voraus geht, der kann sicher sein, dass andere ihm folgen.

Das Werk, obgleich es einen durchgehend autoritären, imperativischen Charakter aufweist, zeigt sich an einigen Stellen bemerkenswert aufgeklärt.
„Menschlichkeit und Gerechtigkeit sind Prinzipien, nach denen ein Staat geführt wird, doch nicht die Armee; Opportunismus und Flexibilität dagegen sind militärische und keine zivilen Tugenden“ (S.33).
„Es gibt Armeen, die nicht angegriffen werden dürfen, Stellungen, um die nicht gefochten, Befehle des Herrschers, denen nicht gehorcht werden darf“ (S.76).

Laut Clavell ist Die Kunst des Krieges auch Basis für Mao Tsetungs Kriegesstrategien gewesen, was in Teilen stimmen mag. Jedoch beruhten Maos militärische Prinzipien keinesfalls auf Gewaltlosigkeit, da er selbst im eigenen Land die Opposition gewaltsam unterdrückte bzw. unterdrücken ließ (vgl. z.B. Kulturrevolution).

Die erste Übersetzung des Buchs in eine europäische Sprache war ins Französische und einer Legende nach, soll Napoleon I. die Weisheiten in seinen Kämpfen genutzt haben. Erst als er Sun Tsus Regeln nicht mehr befolgte, soll er geschlagen worden sein.  In den Medien ist das Buch zuletzt 2006 aufgetaucht, als der damalige chinesische Präsident Hu Jintao bei einem Staatsbesuch in den USA, dem damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush eine seidenbestickte Ausgabe des Buchs als Geschenk überreichte, möglicherweise um anzudeuten, das die Kriege im Irak und Afghanistan unnötigerweise gekämpft werden.

Zusammengefasst, kann ich sagen, dass sich das Lesen für mich auf jeden Fall gelohnt hat, da ich selbst später auch im Bereich Personalmanagement arbeiten möchte. Dieses Buch gibt hilfreiche Hinweise wie man mit Menschen in Verhandlungssituationen umgehen kann, um an sein Ziel zu kommen. Daher kann ich auch jedem, der in diesem Bereich arbeitet oder arbeiten möchte, eine Kaufempfehlung aussprechen. Aber auch solche, die Interesse am Taktieren haben, finden ihren Spaß an diesem Buch.

This entry was posted in China, Literature review. Bookmark the permalink.