Frank Sieren: Angst vor China

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Das Buch

Titel: Angst vor China

Autor: Frank Sieren

Erscheinungsdatum: 30. September 2011

Verlag: Ullstein Buchverlage GmbH

Umfang: Gebunden,448 Seiten

ISBN: 978-3-37476-5

Preis:19,99€

Rezension: Alexander R.
(Vorstellung am 01.06.2015)

Abstract

Menschenrechtsverletzer, Neokolonialisten, Rohstoffvergeuder, Produktpiraten, Umweltverschmutzer und Cyber-Angreifer sind Titel, die oft von Deutschen gegenüber der chinesischen Bevölkerung verwendet werden. Ein amerikanisches Forschungsinstitut fand im Juli 2014 heraus, dass 64% der Deutschen China als negativ empfinden und 45% die wachsende Wirtschaft der Volksrepublik als schlecht für das eigene Land bewerten.[1] Aus diesen Zahlen wird ersichtlich, dass die „Angst vor China“ den deutschen Alltag bereits erreicht hat. Die Angst vor der rasant wachsenden Wirtschaft kann lähmen. Frank Sieren, der Autor dieses Buches, lebt seit 1994 in Peking und arbeitet unteranderem für deutsche Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung und Zeitschriften wie Die Zeit, Der Spiegel und die Deutsche Welle. Außerdem ist er seit 2010 Korrespondent des Handelsblatt in Peking und gilt als „einer der führenden China Spezialisten“[2]. Nach seinen Beststellern „Der China Code“ (2005), „Nachbar China“ (2006)  und „Der China Schock“ (2008) verfasste Frank Sieren „Die Angst vor China“ in neun aufwendig recherchierten Kapitel in denen er genau diese Angst vor China nehmen will. Er möchte zum Ausdruck bringen, dass das Reich der Mitte allenfalls ein Wettbewerber ist, dem wir uns stellen müssen oder sogar ein Partner, dessen Partnerschaft ausgebaut werden muss. Dabei sollte sich Deutschland nicht in die Enge treiben lassen, aber auch nicht versuchen, China unsere Überzeugungen aufzudrängen. Das Buch soll laut Autor die aktuelle starre Denkweise gegenüber China aufbrechen und neue Sichtweisen eröffnen.[3]

Motivation

Aufmerksam auf das Buch machte mich der zeitgleich veröffentlichte Artikel im September 2011 von Frank Sieren im Handelsblatt mit dem Titel „Angst vor China? Nein!“[4]. Dieser Titel hätte meiner Meinung nach die eigentliche Absicht des Buches besser ausgedrückt, aber dazu im Fazit mehr. Nach dem Lesen dieses Artikels wurde mir das deutsche Unbehagen gegenüber China erst richtig bewusst. Deutsche Medien tragen zu diesem Unbehagen bei, alleine im vergangenen Monat titelten die Medien mit „Die Kampfansage an Deutschland“[5], „Russisches Öl für China: Pumpen für die neue Weltordnung“[6] oder „Gestohlene Firmengeheimnisse: USA werfen chinesischen Professoren Spionage vor“[7]. Ich fragte mich, ob unsere Sorgen gegenüber China berechtigt sind. Im Klappentext des Buches formuliert Frank Sieren zwei Fragen: „Was passiert, wenn die Chinesen bald unsere Produkte ohne uns herstellen?“ und „Bedroht China unseren Wohlstand, oder hilft es uns, ihn zu halten?“. Mit der Gewissheit ein Auslandssemester in China zu absolvieren musste ich mir diese Fragen beantworten und zusätzlich die aktuellen und geschichtlichen Hintergründe der Volksrepublik besser verstehen. Aus diesen Gründen entschied ich mich, das Buch „Angst vor China – wie die Weltmacht unsere Krise nutzt“ zu lesen.

Inhalt

Das Sachbuch „Angst vor China“ verfasst Frank Sieren in neun Kapiteln mit Hauptaugenmerk auf Bereiche, in denen China eine technologische und/oder wirtschaftliche Überlegenheit erreichen wird – oder bereits erreicht hat. Dabei konzentriert er sich vor allem auf die chinesische Entwicklungsstrategie.

Exemplarisch beschreibt der Autor dafür im ersten Kapitel die Entwicklung der Atomtechnologie in China und Deutschland. Beginn seiner Erzählung ist der erste Schritt Richtung deutschen Atomausstieg Ende der 1980er Jahre, in denen beschlossen wurde, keine neuen Kernkraftwerke in Deutschland zu bauen. Mit dem Atomausstieg hatte das bis dahin aufgebaute Know-how aus der deutschen Atomindustrie in Deutschland keinen Wert mehr. Somit wurde das Know-how an chinesische Ingenieure weitergegeben. Dabei handelte es sich unter anderem um die sogenannte Kugelhaufentechnologie von Siemens, die durch eine spezielle Bauweise als besonders sicher gilt, in Deutschland aber nie zum Einsatz kam. Neben der Nutzung von erneuerbaren Energien und Kohlekraftwerken baut China jetzt bis 2030 über 200 dieser Kernkraftwerke, teilweise abgesetzt durch Siemens.  China betrachtet sie als sicher, sauber und eine fortschrittliche Energiequelle.[8] Noch nie wurden so viele neue Atomkraftwerde in so kurzer Zeit errichtet. China entwickelte die deutsche Kugelhaufentechnologie weiter und besitzt heute den modernsten Reaktor der Welt. Außerdem übernimmt China die Führung der Technologie der nächsten Generation und verkauft diese Technologie unter anderem an deutsche Nachbarländer.[9]

Mit Zahlen, Daten und Fakten stellt Frank Sieren klar heraus, dass Deutschland sich gegen einen Trend bewegt und mit dem Atomausstieg auf wenig Verständnis stößt. Er spricht sogar von einer aktuellen „Renaissance der Atomenergie“. Während Deutschland bis 2020 zehn Gigawatt an Atomkraft abbaut, baut die Welt knapp hundert Gigawatt auf.[10] Sieren betont, dass Deutschland oft dazu neigt seine europäische und globale Wettbewerbsposition zu überschätzen und China als ökologischen Schmutzfink mit veralteten Energieformen hinstellt. Jedoch investiert kein anderes Land der Welt derzeit mehr Geld in erneuerbare Energien als China, bereits seit 2008 sind die Chinesen der größte Photovoltaikhersteller der Welt.[11]

Mit diesen Beispielen möchte Frank Sieren auf eine engere weltweite Zusammenarbeit hinweisen und die Wichtigkeit der deutschen Export in die asiatische Wirtschaftsmacht unterstreichen. Anstatt mit dem Atomausstieg andere Länder, die weiterhin auf Atomkraft setzen,  zu kritisieren und als Umweltverschmutzer darzustellen, hätte man diese mit deutschen Know-how unterstützen und damit unsere hohen Sicherheitsstandards weltweit etablieren können. Es ist Zeit, dem Konsens der Globalisierung zu folgen und nicht am Alleingang aufgrund tiefem Nationalstolz festzuhalten. Bei der Entwicklung von alternativen Energien wäre eine Zusammenarbeit von China und Deutschland durchaus denkbar. So könnte aus einem Wettbewerber ein Partner werden und eine „Angst vor China“ wäre ungerechtfertigt.

Die bereits angesprochene Ignoranz anderer Länder gegenüber China belegt Sieren mit der Karriere eines Arbeitssohnes Kris aus den USA im zweiten Kapitel. Als stellvertretender Geschäftsführer eines Medienberatungsunternehmens finanziert er heute die Familienschulden aus Ohio. Auch im dritten Kapitel legt Frank Sieren eine erfolgreiche chinesische Strategie im Kampf um Einfluss und Ressourcen offen. In Ländern wie Iran, Irak, Pakistan und Afghanistan setzt China erfolgreich auf Kooperation, Verständnis und Nachsicht, anstatt auf Sanktionen, Härte und Konfrontation wie der Westen. Im vierten Kapitel spricht Frank Sieren über den chinesischen Flugzeugbau. Auch hier setzte der staatseigene Luftfahrtkonzern Cormac auf gemeinsame Projekte mit ausländischen Partnern und erreichte so die Wettbewerbsfähigkeiten gegenüber Boeing und Airbus. Auch in den weiteren fünf Kapiteln, über die Tibet-Frage, die Wasserverschmutzung durch unsere Jeans und andere innenpolitische Strömungen und Machtpositionen, möchte Frank Sieren ausdrücken, dass eine Angst gegenüber China die falsche Reaktion ist. Zusammenfassend kann folgendes Zitat von Sieren genannt werden: „Wenn wir die asiatische Großmacht weiter als Gegner betrachten, haben wir verloren – nur wenn Europa mit China zusammen arbeitet, kann es wirtschaftlich wieder stabil werden. Der Westen muss lernen die rasante Entwicklung des Landes in den letzten 45 Jahren wertzuschätzen und den Chinesen Angebote zu Austausch und Kooperation zu machen.“ [12]

Fazit

Insgesamt betrachte ich das Sachbuch von Frank Sieren als sehr lesenswert und hochaktuell. Jedoch sind der Titel und auch das Titelbild, der erlegte Bundesadler im kommunistisch-roten Einkaufswagen, sehr irreführend. Wie bereits in meiner Motivation erwähnt, hätte der Titel „Keine Angst vor China“ besser gepasst. Außerdem verliert er sich oft zu sehr in Zahlen und Fakten, die zwar interessant anzusehen sind, das lesen aber sehr anstrengend machen. Nichts desto trotz ist es meiner Meinung nach ein sehr informatives Buch mit Hintergründen der ökonomischen und kulturellen Veränderungen Chinas. Die Bewertung der einzelnen Fakten und Zusammenhänge überlässt Frank Sieren dem Leser selbst. Er betont aber, wie wichtig und entscheidend die Rolle Chinas für die zukünftige Entwicklung des internationalen Marktes ist und Deutschland mit Kooperation auf den rasanten Wachstum reagieren sollte.

 


Literaturverzeichnis

[1]
Vgl. PewResearchCenter (2014).

PewResearchCenter. (14. Juli 2014). Chinas´s Image: pewglobal.org. Abgerufen am 20. Mai 2015 von http://www.pewglobal.org/2014/07/14/chapter-2-chinas-image/

[2]
Vgl. Stelter, Kay (2006).

Stelter, Kay. (24. September 2006). Helmut Schmidt und Frank Sieren “Nachbar China”: Die Zeit. Abgerufen am 28. Mai 2015 von http://www.zeit-verlagsgruppe.de/veranstaltungen/2006/09/helmut-schmidt-und-frank-sieren-nachbar-china/

[3]
Vgl. Sieren, Frank (2011), S. 14.

Sieren, Frank. (2011). Angst vor China – Wie die neue Weltmacht unsere Krise nutzt. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH/Econ Verlag.

[4]
Vgl. Sieren, Frank (2011).

Sieren, Frank. (2011). Angst vor China? Nein! Das Handelsblatt, 2. Abgerufen am 29. Mai 2015 von http://www.sieren.net/data/article/DE/20110930-T_FORM1-092a.pdf

[5]
Vgl. Die Zeit (2015).

Die Zeit. (2015). Die Kampfansage an Deutschland. Die Zeit. Abgerufen am 29. Mai 2015 von http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-05/china-industrie-technologie-innovation/komplettansicht

[6]
Vgl. Lokshin, Pavel (2015).

Lokshin, Pavel. (2015). Russisches Öl für China: Pumpen für die neue Weltmacht. Der Spiegel. Abgerufen am 29. Mai 2015 von http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oel-aus-russland-fuer-china-pumpen-fuer-die-neue-weltordnung-a-1029294.html

[7]
Vgl. Der Spiegel (2015).

Der Spiegel. (2015). Gestohlene Firmengeheimnisse: USA werfen chinesischen Professoren Spionage vor. Der Spiegel. Abgerufen am 29. Mai 2015 von http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/usa-werfen-chinesischen-professoren-spionage-vor-a-1034608.html

[8]
Vgl. Sieren, Frank (2011), S. 30.

Sieren, Frank. (2011). Angst vor China – Wie die neue Weltmacht unsere Krise nutzt. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH/Econ Verlag.

[10]
Vgl. Sieren, Frank (2011), S. 75.

Sieren, Frank. (2011). Angst vor China – Wie die neue Weltmacht unsere Krise nutzt. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH/Econ Verlag.

[11]
Vgl. Sieren, Frank (2011), S. 81 f.

Sieren, Frank. (2011). Angst vor China – Wie die neue Weltmacht unsere Krise nutzt. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH/Econ Verlag.

[12]
Vgl. Gabler, Claudia (2011).

Gabler, Claudia. (2011). Ein Experte zerstreut die Angst. Badische Zeitung. Abgerufen am 29. Mai 2015 von http://www.badische-zeitung.de/loerrach/ein-experte-zerstreut-die-angst–50568810.html

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One Response to Frank Sieren: Angst vor China

  1. Katarina says:

    Hallo Alexander,

    ich fand deine Präsentation sehr schön und übersichtlich gestaltet.
    Man hat gemerkt, dass du dich intensiv mit dem Buch auseinander gesetzt hast und es war sehr spannend, von dir die Einblicke in die chinesische Atomindustrie zu bekommen.

    Viele Grüße

    Katarina

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