Buchrezension: China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

BUCHCOVER

Titel: China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: Zwei alternative Sichten
Autoren: Thomas Heberer, Jörg-M. Rudolph
Erscheinungsjahr: 2010
Umfang: 297 Seiten (Taschenbuch)
Verlag: Hessische Landeszentrale für Politische Bildung, Wiesbaden
Sprache: Deutsch
Sachgruppe: Sozialwissenschaften, Soziologie, Anthropologie
ISBN: 978-3927127876

 

Motivation

Beschäftigt man sich mit der globalen Ökonomie, gibt es definitiv kein Vorbeikommen an China. Das Land ist nicht nur das ökonomische Zentrum des asiatischen Kontinents, sondern hat sich auch zu einem Kraftwerk der Weltwirtschaft entwickelt. Die OECD (Organization for Economic Co-operation and Development) prognostiziert, dass es nur noch wenige Jahre dauert bis China die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt ablösen wird. Die außenwirtschaftliche Öffnung, die ökonomischen Reformen sowie die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten von jährlich 10% über viele Jahre hinweg, haben zum Aufstieg des Landes geführt und eine neue Wirtschaftsmacht erschaffen, die nicht nur regionale, sondern auch globale Ambitionen verfolgt. Dieser Aufstieg bringt nicht nur wirtschaftliche Folgen mit sich, sondern auch politische, geopolitische und ökologische. Bereits während meines Bachelor-Studiums entwickelte ich ein starkes Interesse für sozialpolitische und volkswirtschaftliche Themen. Aus diesem Grund war mir sehr schnell klar, welche Richtung meine ASBE-Projektarbeit nehmen könnte. Um mich vorab darauf vorzubereiten, empfand ich es als sinnvoll, mich mit diesem Buch auseinanderzusetzen und somit mehr über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Chinas zu erfahren.

Autoren

Thomas Heberer (*1947) ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Ostasien an der Universität Duisburg-Essen. Nachdem er 1973 sein Studium in Politologie, Sinologie, Ethnologie und Philosophie abschloss, promovierte er 1977 im Fach Sozialwissenschaften und habilitierte 1989 in Politikwissenschaft. Im selben Jahr begann er mit der Tätigkeit als Lektor und Übersetzer am Verlag für Fremdsprachige Literatur in Peking. Seit 1981 führt er jährlich Feldforschungen in verschiedenen Regionen Chinas durch. Heberer war bereits als Professor für Wirtschaftssinologie an der Hochschule Bremen und als Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Trier tätig. Seit 1997 war er zudem Gastprofessor an mehreren Universitäten, darunter die Seoul National Universität in Korea, die National Taiwan University und die Zhongshan University in Taiwan, die Zhejiang Universität in Hangzhou und die Universität Wien. Er ist Mitglied mehrerer Redaktionsausschüsse verschiedener Zeitschriften sowie akademischer und wissenschaftlicher Beiräte. Seit 2010 ist er außerdem Kodirektor des Konfuzius-Instituts “Metropole Ruhr” der Universität Duisburg-Essen sowie des “Institute of Environment and Energy Policies” der Zhejiang Universität.

Jörg-Meinhard Rudolph (*1951) ist Geschäftsführer des Ostasieninstituts der Fachhochschule für Wirtschaft Ludwigshafen, an dem er ebenfalls als Dozent für Geschichte, Landeskunde und aktuelle Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft Chinas tätig ist. Rudolph war von 1980 bis 1982 (wie auch bereits Heberer) als Übersetzer und Lektor im Verlag für Fremdsprachige Literatur in Peking tätig. Nach seinem Studium der Sinologie am Ostasiatischen Seminar der Freien Universität Berlin promovierte er im Jahre 1986 mit der Arbeit „Die Taiwan-Politik der KP Chinas“. Nach seiner Position als China-Manager im Vorstandsbüro der Krone AG Berlin war er von 1988 bis 1992 als Projektmanager für Auslandsmessen bei der Messegesellschaft Berlin tätig. Anschließend war er von 1992 fünf Jahre lang Deutschland-Direktor des Hong Kong Trade Development Council in Frankfurt. Nachdem er 1997 zum Gründungspräsidenten der Deutschen Handelskammer in Peking gewählt wurde, war er von 1997 bis 2002 Delegierter der Deutschen Wirtschaft (DIHK) in Peking.

Inhalt

Thomas Heberer und Jörg-M. Rudolph behandeln unabhängig voneinander eine ganze Reihe interessanter Themen, bezüglich derer sie jedoch nicht immer die gleichen Ansichten vertreten. Somit bekommt der Leser die Möglichkeit die verschiedenen Problematiken aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und eigene Schlüsse zu ziehen. Dabei übernimmt Heberer die Rolle des optimistischeren und Rudolph die des pessimistischeren Beobachters. Zu den behandelten Themen gehören beispielsweise die Entwicklung des Staates und der Gesellschaft, die sozialen Konflikte innerhalb des Landes, die Rechte der Chinesen und der ethnischen Minderheiten, die Umwelt und Umweltpolitik sowie die chinesische Wirtschaft und ihre Rolle in der Welt. Die verschiedenen Standpunkte der beiden Autoren werden vor allem bei der Entwicklungsbeschreibung der KP (Kommunistische Partei Chinas) deutlich. Während Heberer die Meinung vertritt, dass das politische System heute mehr einem autoritären als einem totalitären Regime entspricht, sieht Rudolph die KP als einen Geheimbund an, der den Staat nur als Beute betrachtet und das eigene Volk unterdrückt. Zudem beklagt er, dass es bis heute weder eine öffentliche Opposition gibt, noch unabhängige Gerichte existieren. Bei den sozialen Konflikten geht es um die steigende Arbeitslosigkeit, die zunehmenden Einkommensunterschiede zwischen der ländlichen und städtischen Bevölkerung, die verbreitete Korruption und den fehlenden oder unzureichenden sozialen Sicherungen der Menschen. Ein weiteres heikles Thema ist die stetig steigende Umweltverschmutzung und die gravierenden Folgen, die sich daraus ergeben. Nur 1% der städtischen Bevölkerung atmet Luft, die nach EU-Standards „sauber“ ist. Nach einer Studie der Weltbank sterben jährlich ca. 400.000 Chinesen an den Folgen der schlechten Luft und ca. 350.000 aufgrund des schlechten Wassers. Hinzu kommen erhöhte Kindersterblichkeits- und Missbildungsraten. Mittlerweile zählen Ökologie und Umweltschutz zu den Schwerpunkten in Wissenschaft und Forschung und auch von Seiten des Staates gibt es hohe Investitionen in nachhaltige Entwicklung. Außerdem hat die Regierung bereits staatliche Institutionen für den Umweltschutz eingerichtet, Umweltziele in ihre Fünfjahrespläne integriert und Umweltschutzgesetze erlassen. Nichtsdestotrotz hindert der Zielkonflikt zwischen Umweltschutz und Wirtschaftswachstum nur all zu oft deren Einhaltung.

Fazit

Chinas Aufstieg zu einer beherrschenden globalen Macht ist auf der einen Seite faszinierend, auf der anderen Seite wächst aber auch die Angst des Westens. Noch ist nämlich nicht eindeutig zu erkennen, ob diese aufstrebende Supermacht eine Chance, eine Bedrohung oder eventuell beides darstellt. Der chinesische Staatsphilosoph Konfuzius sagte einst: „Wo alle kritisieren, da heißt es prüfen. Wo alle loben, da heißt es prüfen”, was mithilfe dieses Buches hervorragend gelingt. Was es besonders spannend für mich gemacht hat ist, dass die vielfältigen Themen des Buches aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden, sodass es mir möglich war, neue Erkenntnisse zu erzielen. Beim Lesen gewinnt man den Eindruck, dass die renommierten Autoren durchaus Experten des Landes sind, da sie bei ihren Ausführungen stets schlüssige Darstellungen und stichhaltige Argumente anführen. Darüber hinaus arbeiten sie mit einer Vielzahl von Daten und Fakten und beziehen sich auf mehrere Studien. Des Weiteren enthält das Buch wichtige Denkanstöße bezüglich globaler Zukunftsfragen, die von extremer Wichtigkeit für die künftige Existenz der Menschheit sein können. Alles in allem ist das Buch definitiv lesenswert und ich kann es jedem ans Herz legen, der sich für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen begeistern kann.

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2 Responses to Buchrezension: China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

  1. spaetkaroline says:

    Hallo lieber Muammer,
    zuerst einmal vielen Dank für deine Rezension.
    Deine Motivation dieses Buch zu lesen, kann ich sehr gut nachvollziehen und auch auf meine Entscheidung mich für einen Auslandsaufenthalt in China zu bewerben übertragen. Besonders als wirtschaftswissenschaftliche Studenten weckt die „aufsteigende Supermacht“ China natürlich ein großes Interesse. Umso spannender sind dementsprechend die Probleme mit denen dieses Land zu kämpfen hat, besonders auf Grund dieses rasanten Wachstums und vor allem natürlich die damit verbundene Ansätze zur Problemlösung sowie die gesellschaftliche und politische Entwicklung des Staates.
    Vor allem ist interessant, dass die beiden Autoren teilweise unterschiedliche Haltung bezüglich der behandelten Themen einnehmen und diese schlüssig und stichhaltig begründen. Dies gefällt mir sehr gut, da es eine Grundlage dafür bietet die behandelten Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und dementsprechend die Entwicklung eines eigenen Standpunktes fördert.
    Auch die von dir beschriebene inhaltliche Thematik ist sehr spannend. Zum einen werden Probleme, wie beispielsweise die hohe Luftverschmutzung Chinas, unseren Aufenthalt in China sehr beeinflussen. Zum anderen haben viele Entwicklungen Chinas, wie das rasante Wachstum und die damit verbundenen steigenden Lebensstandards und das Konsumverhalten der Bevölkerung, nicht nur regionale sondern auch globale Konsequenzen.
    Aus diesem Grund denke ich, dass dein Buch eine gute Wahl war und auch die weitere Entwicklung und Problemlösungsansätze Chinas mit sehr großem Interesse weiterverfolgt werden.

  2. SchumannAngelika says:

    Lieber Muammer,

    vielen Dank für deine spannende und aufschlussreiche Rezension. Dank deiner Rezension konnte ich einen guten Ãœberblick bzw. eine Idee über das Buch “China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft” gewinnen.
    Positiv fällt auf, dass du keinen Roman gelesen und vorgestellt hast, sondern dass es sich um Fachliteratur handelt. Vor allem werden die Aspekte aus zwei verschiedenen unabhängigen Perspektiven dargestellt, da es von zwei Autoren verfasst wurde und diese nicht immer einer Meinung sind. Besonders dies empfinde ich als spannend und Bereicherung für das Werk, denn es zeigt, wie kompliziert die angesprochenen Themen sind, so dass selbst Experten sich nicht einig sind.
    Nicht zu vergessen ist die Bedeutung Chinas als wirtschaftliche Macht und die Folgen auch auf politischer, geopolitischer und ökologischer Ebene. Mich würde vor allem genauer interessieren, wie die beiden Autoren die Entwicklung der Kommunistischen Partei Chinas beschreiben und ob die Autoren die aufstrebende Supermacht als eine Chance oder Bedrohung sehen. Ich denke, dass wir Deutsche zu wenig über China und die Kultur wissen und daher ist es für mich besonders interessant, diese Buch zu lesen. Auch das von dir genannte Zitat von Konfuzius finde ich sehr treffend und sehr gut ausgewählt für die Rezension des Buches.

    Lieben Dank für deine ausführliche Rezension. Ich bin schon gespannt, was du aus China zu berichten haben wirst – ob du eher die Meinung von Thomas Hebere oder die von Jörg-M. Rudolph vertreten wirst.

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