Buchrezension: “Die chinesische Verunsicherung” von Mark Siemons

Buchrezension Yannik Knickmeier
https://www.youtube.com/watch?v=-y0uOUr5wos
Bildergebnis für die chinesische verunsicherung
Titel: Die chinesische Verunsicherung
Autor: Mark Siemons

Erschienen: 13. März 2017

Seiten: 192

Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG

ISBN-10: 3446255370

ISBN-13: 978-3446255371


Motivation:
Auf der Suche nach dem passenden Buch für die Buchrezension im Rahmen des ASBE-Programms der Universität Paderborn bin ich nach eine kurzen Recherche auf das Buch “Die chinesische Verunsicherung” von Mark Siemons gestoßen. Der Autor beschäftigt sich mit den kulturellen und intellektuellen Voraussetzungen des Aufstiegs des Partei- und Staatschefs Xi Jinpin. Dieser treibt die Widersprüche zwischen Kapitalismus und Kommunismus auf die Spitze und betreibt das offene Programm einer “Wiedergeburt der Nation”. Ich habe das Buch gewählt, da ich keine fiktionale Geschichte lesen wollte, sondern einen ernstzunehmenden Zeitbericht. Das Buch sollte besonderen Fokus auf die chinesische Wirtschaft, Kultur und Geschichte haben. Als Auslandskorrespondent der FAZ zeichnete der Autor sich offensichtlich durch seine Expertise aus.


Der Autor:
Mark Siemons, 1959 in Mainz geboren, studierte Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn und Köln. Seit 1987 ist er Mitarbeiter in der Feuilletonredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Von 2005 bis 2014 berichtete er als Feuilletonkorrespondent aus China. Seit 2015 schreibt er wieder aus Berlin. Im März 2017 erschien bei Hanser “Die Chinesische Verunsicherung – Stichworte zu einem nervösen System”. 2001 wurde Siemons der Erik-Reger-Preis für herausragende Darstellungen der modernen Lebens- und Arbeitswelt zuerkannt.


Aufbau:
Nach einem dreiteiligen Prolog ist das Buch in sechs Kapitel unterteilt:

Inhalt:
Prolog in drei Anläufen
1. Verwirrung am Tiananmen
2. Xi Jinpings Gegenreformation
3. Bewegung denken

Chinesische Werte (25)
1. Mainstream oder: Die Neutralisierung der Ideen
2. Kosmopolitismus oder: »Alles unter dem Himmel«
3. Mittelschicht oder: Die Illusion der Unverletzlichkeit
4. Verborgene Regeln oder: Das System hinter dem System
5. Petition oder: Die planmäßige Herstellung von Fiktionen

Elemente der Herrschaft Xi Jinpings (55)
1. Reform oder: Das Rad der Geschichte herumreißen
2. Tocqueville oder: Die Angst vor der Revolution
3. Chinesischer Traum oder: Das Wiederaufblühen der Nation
4. Regieren durch Gesetze oder: Eine starke Waffe
5. Xu Zhiyong oder: Eine neue Art Dissidenz

Recycelte Traditionen (77)
1. Identität oder: China muss der Welt Ideen liefern
2. Körper oder: Die ungeschriebene Überlieferung
3. Konfuzius oder: Ein geistiges Zuhause für die Nation
4. Marxismus oder: Die Einheit der Gegensätze
5. Tsingtau oder: Das Pompeji des Kolonialismus

Das kulturelle System (103)
1. Kulturindustrie oder: Dem Markte dienen
2. Konfuzius-Institut oder: Der Kampf um sanfte Macht
3. Li Dongtian oder: Die Ökonomie der Schönheit
4. Kunstmarkt oder: Kultivierte Bestechung
5. Museen oder: Umwertung durch Kunst

Kulturelle Akteure (127)
1. Guo Jingming oder: Der Literaturunternehmer
2. Chao Hai oder: Die Wildheit der Tusche
3. Pang Fei oder: Der Denker des Alltäglichen
4. Mo Yan oder: Der nicht verbotene Schriftsteller
5. Han Han oder: Das Leben mit der zensierten
Sprache

Das neue Leben (149)
1. Straßenverkehr oder: Die Gesetze des Fließens
2. U-Bahn oder: Kampfplatz für ein besseres Leben
3. Beidaihe oder: Das Recht auf Urlaub
4. Huang Nubo oder: Der Weltkulturreisende
5. Peking oder: Die Schönheit liegt im Detail
6. Europa oder: Eine Wohnanlage im klassischen Stil
7. Frühlingsfest oder: Die größte Massenmobilisierung der Welt
8. Hochgeschwindigkeit oder: Die Reise in den Süden

Im Anschluss gibt der Autor verschiedene Quellen als Empfehlungen für Personen an, die sich über die chinesische Gegenwart auf dem Laufenden halten wollen.


Thematik:
In seinem Buch beschreibt der Autor sechs verschiedene Thematiken um sowohl das Leben als auch die Wirtschaft in China darzustellen. Diese Kapitel unterstützt Mark Siemons mit verschiedenen kulturellen, geschichtlichen und wirtschaftlichen Beispielen.

Chinesische Werte (25)
Im ersten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den Normen hinter den Kulissen, die Neutralisierung von Ideen, die Illusion der Unverletzlichkeit und dem System hinter dem System. Hierbei berichtet er unter anderem von den so genannten “schwarzen Gefängnissen”. Als Hotel angemeldete Häuser werden genutzt um Petitionäre so lange einzusperren, bis die Petiotionen abgelaufen sind oder der Petitionär aufgibt.

Elemente der Herrschaft Xi Jinpings (55)
In diesem Kapitel geht es darum, inwieweit die Chinesische Regierung, vorallem die höchsten Funktionäre, versuchen mögliche Revolutionen zu unterdrücken und auf den Einfluss der globalisierten Moderne zu reagieren, ohne Macht einzubüßen. Welche Art der Reform benötigt China? Was genau ist das “Große Wiederaufblühen der Nation” aus dem der sogenannte “Chinesische Traum” entstehen soll? Was sind die Konsequenzen der unvermuteten Offensive, mit der die Partei eine Flucht nach vorn anzutreten versucht?

Recycelte Traditionen (77)
Was genau ist die Identität von China? Was für eine Art Konfuzianismus versucht die Kommunistische Partei jetzt zu beleben, ohne dabei zugleich vom Kapitalismus abzulassen? “Die Stichworte des dritten Kapitels beschäftigen sich mit den Materialien, aus denen sich Chinas eine neue Corporate Identity zu zimmern versucht”.

Das kulturelle System (103)
Die Kommunistische Partei hat aus dem Begriff “Kulturindustrie” ein Schlüsselwort ihres Modells einer leninistisch organisierten Postmoderne gemacht. Jetzt sollen Künste, gerade auch die zeitgenössischen, zum Upgrading des Staats beitragen. Gleichzeitig werden Ãœberwachung und Zensur verstärkt. Außerdem sollen die “Konfuzius-Institute” weltweit definieren, was heute unter “China” zu verstehen ist. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den erstaunlichen Synergien zwischen Kultur, Politik und Business in China.

Kulturelle Akteure (127)
Die Stichworte des fünften Kapitels beschäftigen sich mit Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen, die zwischen Anpassung und Selbstbehauptung navigieren und dabei mehr Reales zu erkennen geben, als dem System lieb sein kann. Darunter Guo Jingming, ein Literaturunternehmer, Pang Fei, ein Denker des Alltäglichen, und Mo Yan, ein  Schriftsteller.

Das neue Leben (149)
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Modernisierung Chinas, dem neuen Schienenverkehr mit dem man durch Hochgeschwindigkeitszüge nur einen Bruchteil der bisherigen Fahrtzeit benötigt, dem allgemeinen Fluss der Zeit und des Straßenverkehr in China, bei welchem  “Bewegung kommt vor Ruhe, Ereignis vor dem Recht, Hauptsache weiterfahren.” gilt. Im Anschluss werden die verschiedenen Ausdrucksformen des Chinesischen Alltags dargestellt.


Fazit:
Mark Siemons berichtet in seinem Buch “Die chinesische Verunsicherung” von 9 Jahren Erfahrungen als langjähriger China-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Durch zahlreiche, teils verschreckende Beispiele, Anekdoten und Erfahrungen beschreibt der Autor mehrere große Bereiche: chinesische Werte, Elemente der Herrschaft Xi Jinpings und recycelte Traditionen. Dies ist zwar alles ziemlich knapp gehalten, jedoch sehr aufschlussreich. Er nutzt seine langjährigen Erfahrung im Feuilleton um seine Thematik mit Beispielen zu untersützten. Dies macht besonders die zweite Hälfte lesenswert, in der er das kulturelle System und den Alltag der Chinesen genauer beschreibt und mit teils witzigen, teils kontroversen Geschichten eine Vielzahl an Missverständnissen darstellt. Siemons Buch dient vorallem als Warnung, nicht über etwas zu urteilen, dass man nicht verstanden hat.
Ich empfehle das Buch, da es eine gute Vorbereitung auf ein Auslandsemester im Reich der Mitte ist und sowohl die Vergangenheit, die Gegenwart als auch die vermeintliche Zukunft Chinas vorstellt.

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