Buchrezension: Tokyo Vice von Jake Adelstein

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Buchdaten:
Titel: Tokyo Vice
Autor: Jake Adelstein
Verlag: Corsair
Erscheinungsjahr: 2010 (G.B)
Umfang: 390 Seiten
ISBN: 978-1849014649
Preis: 10,90€

 
Motivation:
Für die Buchvorstellung habe ich ein Buch gesucht, das sich mit der Thematik Yakuza auseinandersetzt. Dieses Thema fand ich interessant, weil Japan einerseits eines der sichersten Länder auf der Welt ist, was die Kriminalität betrifft, und andererseits existiert dort trotzdem diese berühmt berüchtigte kriminelle Organisation. Außerdem gibt es in der Pop-Kultur oft dieses romantisierte Bild eines Yakuzas, der loyal gegenüber seiner Gruppe ist, Traditionen pflegt und Zivilisten vor anderen Kriminellen bewahrt. Deswegen hat mich auch das Buch „Tokyo Vice“ angesprochen, in dem wahre Geschichten und Erlebnisse eines Reporters in der kriminellen Welt von Japan erzählt werden. Ein weiterer Punkt, den ich außergewöhnlich fand, war, dass der Autor kein Japaner ist. Dadurch hatte ich mir auch paar interessante Eindrücke eines Nicht-Japaners in der japanischen Kultur und Arbeitswelt (vielleicht auch ein paar lustige Fettnäpfen, in die der Autor treten könnte) erhofft.

Autor:
Der Autor, Jake Adelstein, ist am 28. März 1969 geboren und ist in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Stadt Columbia des Bundesstaates Missouri aufgewachsen. Im Jahr 1988 ist er dann mit 19 Jahren als Austauschstudent nach Japan gekommen. Er studierte japanische Literatur an der Sophia Universität (jap. 上智大学, Jochi Daigaku) in Chiyoda, Tokio. Er lebte währenddessen in einem Soto Zen Buddhismus Tempel in Tokio für 3 Jahre. Im Jahr 1993 wurde Jake Adelstein dann als erster Nicht-Japaner als Polizeireporter bei der Zeitung Yomiuri Shinbun eingestellt. Yomiuri Shinbun ist die auflagenstärksten Zeitungen in Japan und sogar der Welt und ist Teil des größten Medienkonglomerats in Japan, der Yomiuri Group. Bei der Yomiuri Shinbun arbeitete er 12 Jahre bis zum Jahr 2005. Er und seine Familie wurden von Tadamasa Goto (後藤 忠政), dem Anführer einer Teilgruppe des größten Yakuza Syndikats Yamaguchi-gumi,  bedroht, weswegen er erstmal wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehrte. Von 2006 bis 2007 arbeitete er als Chefermittler bei einer von der U.S. Regierung finanzierten Studie über den Menschenhandel in Japan. Im Jahr 2008 veröffentlichte er dann ein Exposé in der Washington Post über die Yakuza und Tadamasa Goto. (http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/05/09/AR2008050902544.html)
Anschließend veröffentlichte er eine Art Autobiographie und Enthüllungsroman über sein Leben als Reporter in Japan: „Tokyo Vice“. Jake Adelstein arbeitete außerdem temporär als Leiter der PR-Abteilung des Projekts „Lighthouse: Center for Human Trafficking Victims“ (ehemals „Polaris Projekt Japan“), das gegen Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Frauen kämpft. Er führt auch einen Blog über die Gesellschaft, Kriminalität und Yakuza in Japan (http://www.japansubculture.com/)

 
Inhalt:
Die Geschichte beginnt damit, dass Jake Adelstein einem Mitglied der Goto-gumi gegenübersitzt. Die Goto-gumi ist eine Teilgruppe der Yamaguchi-gumi, welche die größte Gruppe der japanischen Mafia, auch Yakuza genannt, ist. Die Forderung dieses Yakuzas lautet: „Either erase the story, or we’ll erase you. And maybe your family. But we’ll do them first, so you learn your lesson before you die“.
Danach gibt es einen Zeitsprung in die Vergangenheit. Der amerikanisch-jüdische Autor und Protagonist des Buches, Jake Adelstein, ist Student an der Sophia Universität und verdient sein Geld damit Englisch zu unterrichten und gelegentlich wohlhabenden japanischen Hausfrauen schwedische Massagen zu geben. Dann entscheidet er sich dazu, sich bei der japanischen Zeitung Yomiuri Shinbun zu bewerben. Um bei dieser Zeitung eingestellt zu werden, muss er aber zuerst diverse Einstellungstests und Interviews überstehen. Trotz aller Strapazen schafft er es aber der erste ausländische  Polizeireporter bei der Yomiuri Shinbun zu werden.
Anschließend wird das Leben von Jake als Journalist beschrieben. Dieser landet hierbei zuerst in dem Stadtbezirk Urawa von Saitama, ein Ort, der so langweilig ist, dass er sein eigenes Adjektiv („dasei“) dafür hervorgebracht hat. Dort muss er lästige Aufgaben erledigen, wie über lokale Sportergebnisse oder Wettervorhersagen schreiben, und lernen als Gaijin (Ausländer) ernstgenommen zu werden. Um überhaupt einen Scoop landen zu können, braucht er Kontakte. Also muss sich Jake für exklusive Informationen bei der lokalen Polizei einschmeicheln, indem er Donuts und Eintrittskarten für die Yomiuri Giants verschenkt und die Polizisten zu Hause besucht mit Zigaretten, Alkohol und Eis für die Kinder. Somit erlernt Jake das Handwerk eines Journalisten und Enthüllungsreporters in Japan.
Im weiteren Verlauf des Buches kommt Jake in Kontakt mit Serienmörder, wie den „Saitama Dog Lover“, wird in das Rotlichtviertel Kabukicho versetzt, arbeitet einen Abend als Host und lernt die Sexindustrie in Japan kennen, und trifft auf diverse Yakuzas, die dubiose Kreditgeschäfte machen und in den Menschenhandel in Japan verstrickt sind. Schlussendlich stößt er auf die Story, dass Tadamasa Goto, der Anführer einer besonders gewalttätigen Gruppe der Yakuza, einen Deal mit dem FBI gemacht hat, um in die USA einreisen zu können und es dadurch möglich war ein Lebertransplantat an der Universität von Kalifornien, Los Angeles (UCLA) zu bekommen. Er wird nun gezwungen diesen Artikel nicht zu veröffentlichen und kehrt in die USA zurück, was jedoch nicht das Ende dieser Geschichte ist.

 
Fazit:
Insgesamt würde ich dieses Buch auf jeden Fall als Lesenswert bezeichnen und weiterempfehlen. Jedoch darf man sich nicht von dem Klappentext und dem ersten Kapitel des Buches nicht täuschen lassen. Im ersten Kapitel wird Jake von einem Yakuza bedroht seinen Artikel  über einen Yakuza-Boss nicht zu veröffentlichen. Dies macht den Eindruck, dass sich das Buch hauptsächlich um Yakuzas und diese Geschichte dreht. Dabei geht es eher um die Erfahrungen des Autors als Polizeireporter in Japan und damit um seine Erfahrungen mit der Unterwelt Japans (wobei Yakuzas oftmals involviert sind). Erst im letzten Drittel des Buches tritt die Geschichte des ersten Kapitels wieder in den Fokus. Nichtsdestotrotz ist das Buch sehr interessant und bietet einen guten Einblick in die Kriminalität von Japan und auf den modernen Yakuza.
Außerdem sind die kulturellen Einblicke des Autors sehr informativ. Der Autor berichtet vom richtigen „meishi“-Austausch (Visitenkartenaustausch), dass man keinen schwarzen Anzug zum Vorstellungsgespräch tragen sollte, weil diese zur Beerdigung getragen werden und der „bonenkai“ (Vergiss-das-Jahr-Party) in japanischen Unternehmen. Sehr interessant fand ich z.B. auch das Kapitel in dem Jake für einen Abend in einem Host-Club arbeitet und diese typisch japanischen Etablissements näher beleuchtet oder das Kapitel, in dem beschrieben wird, dass viele junge Japaner „manual ningen“ (Menschen, die nur Instruktionen/ einer Anleitung folgen) sind und deswegen die Bestsellerliste Japans zu einem gewissen Zeitpunkt nur aus Anleitungen bestand (wozu auch eine Anleitung zum Selbstmord gehörte).
Allerdings habe ich auch Kritik an der Schreibweise des Autors. Oftmals werden Charaktere ziemlich lange und mühselig beschrieben, welche dann nach ein paar Seiten nie wieder auftauchen. Außerdem verliert sich der Autor manchmal in seinen Erzählungen. Es wird gerade eine besonders spannende Geschichte berichtet, aber dann fängt der Autor mit einer Geschichte in der Geschichte an, die auch mal über mehrere Seiten gehen kann, was oftmals sehr nervig ist.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass man das Buch lesen sollte, wenn man sich für die kriminelle Seite Japans gepaart mit kulturellen Eindrücken interessiert.

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One Response to Buchrezension: Tokyo Vice von Jake Adelstein

  1. Anna says:

    Hallo Mark,
    vielen Dank für deine Rezension!
    Da ich selber im September nach Japan gehen werde, lese ich natürlich besonders gerne Rezensionen, die dieses Land auch betreffen. Ich kann deine Motivation bei der Buchauswahl sehr gut verstehen; auch ich fand es für mein Buch interessant, bewusst einen Autor zu wählen, der kein Japaner ist. So erhofft man sich schon einmal eine nicht-asiatische Sichtweise auf das Land, die man wahrscheinlich (gefühlt zumindest) eher nachvollziehen kann, wenn man selber vor Ort ist.
    Die ganze Thematik der Yakuza kommt ja in vielen Büchern vor. Ein eigenes über sie und dann auch noch einen Roman, stelle ich mir sehr spannend zu lesen vor; besonders vor dem Hintergrund, dass der Autor selbst lange in Japan gelebt und als Polizeireporter direkt an diesem Thema gearbeitet und auch geforscht hat! Davon verspreche ich mir als Leser natürlich einen sehr fundierten Einblick in die Geschehnisse. Dass der Autor auch noch selbst die Hauptfigur ist und quasi autobiographisch berichtet, macht alles noch spannender. Wie du anschließend aber feststellte, geht es um die Yakuza ja doch eher zweitrangig; die Arbeit als Polizeireporter steht im Vordergrund, obwohl der Klappentext etwas anderes erahnen lässt. Nichtsdestotrotz werde ich dieses Buch aber als Vorbereitung auf meinen Aufenthalt in Japan lesen, denke ich. Ich glaube zwar nicht, dass mir irgendetwas aus dem Buch dort begegnen wird, aber ich finde, es ist immer gut, auch die andere Seite der Medaille zu kennen.

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