Beruflich in China – eine Rezension von Thomas Große Honebrink

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Für das ASBE-Literaturforum im Sommersemester 2016 musste ich nicht lange überlegen, welches Buch ich gerne vorstellen würde. Das Sachbuch Beruflich in China von Alexander Thomas ist Teil einer Reihe und unter anderem auch für Japan und Südkorea erhältlich. Grundsätzlich geht es um Handlungskompetenz im Ausland und in diesem Fall eben um kompetentes Handeln von in China beruflich tätigen deutschen Managern. Die Basis bildet eine mehrjährige Forschung, welche durch die Volkswagen-Stiftung finanziell unterstützt wurde. Die Entscheidung für dieses Buch fiel auch unter dem Gesichtspunkt, dass es über die vom ASBE-Programm gebotenen Angebote hinausgeht und sich dadurch als ergänzende Vorbereitung sehr gut eignet. Daher sei vorweg genommen, dass ich persönlich diese Buch absolut empfehlen kann, nicht zuletzt da es sehr anschaulich und gut geschrieben ist.

Die deutschen Manager wurden zu ihren Beobachtungen und Erfahrung im Umgang mit ihren chinesischen Kollegen befragt. Danach wurden die Ergebnisse analysiert und auf deren Grundlage ein interkulturelles Training konzipiert. Unter anderem wurde ein Modelltraining durchgeführt und deren Wirksamkeit evaluiert. Es zeigte sich, dass die eingesetzten Trainings durch die Teilnehmenden positiv bewertet wurden. Aufgrund des Lernerfolges konnten viele kritische Situationen beziehungsweise Interaktionen besser bewältigt werden, da das Verhalten der Chinesen besser verstanden wurde und dadurch kulturadäquat damit umgegangen werden konnte. Dabei wird allerdings ausdrücklich betont, dass dieses Buch als Selbstlernmaterial zu verstehen ist und lediglich eine gute Basis für interkulturell kompetentes Verhalten darstellt. Der Leser sollte also nicht erwarten, dass er durch das lesen alle denkbaren Konfliktsituationen bewältigen kann. Das Buch eignet sich jedoch hervorragend, um einen Überblick zu gewinnen. Es kann zum Beispiel neben weiteren landeskundlichen Seminaren oder allgemeinen Vorbereitungsveranstaltungen als Ergänzung herangezogen werden und damit zur direkten Vorbereitung auf einen anstehenden Auslandsaufenthalt oder als Begleitlektüre genutzt werden.

Nicht einzig und allein durch die Bevölkerungszahl bildet der chinesische Markt ein enormes Potential für eine zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen. Dabei ist zu beachten, dass der Entwicklungsstand in China noch nicht mit dem deutschen verglichen werden kann aber die Chinesen in den letzten Jahren deutliche Fortschritte und Erfolge zu vermelden hatten. Allerdings bestehen weiterhin Schwierigkeiten, wie zum Beispiel die räumliche Distanz oder die höchst unterschiedliche Sprache. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass Kultur ein sehr komplexes Gebilde ist und weit über Sprache, Essen, Architektur, Kunst und natürlich viele weite Dinge hinausgeht. Kultur ist ein spezifisches System in dem es bestimmte Werte, Normen und Regeln gibt, die durch die Mitglieder wie selbstverständlich befolgt werden und eine Verletzung dieser womöglich sanktioniert wird. Kultur entsteht auch nicht über Nacht, sondern unterliegt einem fortlaufenden Entwicklungsprozess. So ist beispielsweise China bei weitem nicht mehr das kommunistische Land, welches sich vom Westen abschottet und von der Partei mit harter Hand regiert. Vielmehr öffnet sich das Land immer weiter und versucht durch den Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen auch die kapitalistischen Bedürfnisse zu befriedigen. Allerdings benötigt ein solcher Prozess Zeit, um sich in die bestehenden kulturellen Strukturen einzugliedern. Kultur beeinflusst das Denken, Fühlen und Handeln seiner Mitglieder, wodurch sich Unwissende teilweise unangemessen oder kontraproduktiv verhalten.

Auf den ersten Seiten des Buches werden die Zielsetzung und die theoretischen Hintergründe beschrieben. Danach wird der Aufbau und Ablauf des Trainings erläutert, sowie abschließende Hinweise gegeben. Die zunächst recht allgemeine Einführung bildet einen ersten Einblick in die Thematik, bevor dann die insgesamt sieben Themenbereiche Hierarchie, Strategie & Taktik, Gesicht wahren, soziale Harmonie, das Guanxi-System, Bürokratie und Regelrelativismus behandelt werden. Am Ende des jeweiligen Kapitels wird die kulturelle Verankerung aufgezeigt. Abgerundet wird das Buch mit interkulturellen Bemerkungen zum Thema Humor, einer kurzen Zusammenfassung, sowie Literaturempfehlungen. Die Autoren beschreiben ihr Werk mit „Handlungswirksamkeit zentraler Kulturstandards in der Interaktion zwischen Deutschen und Chinesen”. Anhand der gewählten Themenbereiche lässt sich bereits erahnen, auf welchen Ebenen im Vergleich zu Deutschland deutliche Unterschiede mit konfliktpotenzial bestehen. Als kurze Beispiele sollen hier die Bereiche Hierarchie und das Guanxi-System dienen.

Die hierarchische Struktur in China lebt auf den ersten Blick von der absoluten Unterwürfigkeit der weiter unten stehenden Personen. Schaut man jedoch genauer hin, steckt weit mehr dahinter. Während in Deutschland ein Individuum in der Regel bestrebt ist, seine hierarchische Position zu verbessern und mitunter gegenüber höhergestellten Personen Neid besteht. Die Chinesen hingegen verstehen sich eher als ein Teil eines kollektivistischen Gefüges, welches nur funktionieren kann, wenn die Weisungen von Vorgesetzten befolgt werden. Dadurch entsteht jedoch bei uns gelegentlich der Eindruck, die Chinesen seien unselbständig es mangelt ihnen an Kreativität.

Das Guanxi-System in China beruht auf einem weit verzweigten Beziehungsgeflecht, welches am ehesten mit dem in Deutschland bekannten Vitamin B oder der stark negativ konnotierten Vetternwirtschaft zu vergleichen wäre. Wenn ich jemanden kenne, der einen Job organisieren kann und ich ihn darum bitte, dann bekomme ich diesen Job auch. Ein Chinese würde daher mit großem Unverständnis reagieren oder womöglich sogar den Kontakt vollständig abbrechen, selbst wenn sie ihm verdeutlichen würden, dass es nach dem deutschen Verständnis eine korrupte und strafbare Handlung darstellt, jemandem einzustellen, nur weil man ihn persönlich kennt. Die Bedeutung von Beziehungen ist also in Deutschland, frei nach dem Motto jeder ist sich selbst der nächste, eine ganz andere als in China.

Die als Grundlage dienenden Befragungen der deutschen Managern geben authentische Einblicke in das zusammenarbeiten und zusammenleben mit Chinesen. Die sieben Themenbereiche werden dem Leser mit insgesamt 20 Beispielen nähergebracht. Dabei ist anzumerken, dass nicht jedes Thema gleich viele Beispiele enthält und im Laufe der Jahre auch einige Beispiele ausgetauscht wurden, weil sie zum Beispiel nicht mehr zeitgemäß waren und um der sich schrittweise verändernden Kultur gerecht zu werden.

Besonders positiv ist hervorzuheben, dass der Aufbau des Buches dazu führt, dass der Leser stets angeregt wird, sich intensiv mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen. Nach einer kurzen Beschreibung der Situation werden vier alternative Erklärungsansätze präsentiert, die teilweise auch bewusst unrealistisch gestaltet sind. Die Teilnehmer des Trainings beziehungsweise in diesem Fall die Leser des Buches werden dazu aufgefordert eine Einschätzung abzugeben, für wie realistisch sie die jeweilige Alternative halten und auf einer Skala zwischen sehr zutreffend und nicht zutreffend einzuordnen. In einem weiteren Schritt werden dann schriftliche Begründungen verlangt, warum eine solche Einschätzung getroffen wurde, um sich abschließend gedanklich mit einer geeigneten Lösungsstrategie auseinanderzusetzen. Ganz bewusst sollen an dieser Stelle keine konkreten Beispiele gegeben werden, um einem potenziellen Leser den Spaß nicht zu verderben.

Auffällig ist, dass die gewählten Beispiele sich ausschließlich auf Konfliktsituationen beziehungsweise einen ungünstigen Ausgang der beschriebenen Ausgangssituation beziehen. Dadurch soll nicht etwa suggeriert werden, dass in China ständig Konflikte zu erwarten sind, sondern vielmehr dafür sensibilisiert werden, wie entscheidend es sein kann, den Gegenüber zu verstehen und sein Verhalten richtig deuten zu können. Oft unterscheiden sich auch die Methoden und Lösungsansätze der Chinesen erheblich von unseren und nur wer in der Lage ist, sie besser zu verstehen, kann auch Erfolg haben.

Wie bereits zu Beginn erwähnt, handelt es sich um ein außerordentlich lesenswertes Buch für jeden, der einen Auslandsaufenthalt in China plant. Die Thematik ist zwar auf eine berufliche Tätigkeit ausgelegt, jedoch trägt sie auf eine sehr interessante Art und Weise dazu bei, sich mit der chinesischen Kultur näher auseinanderzusetzen und mögliche Unterschiede zu unserer festzustellen. Außerdem bieten die in den Ausgangssituationen erwähnten deutschen Manager die Gelegenheit, sich emotional in sie hineinzuversetzen und der Aufbau des Trainings vermittelt einem beinahe das Gefühl, selbst in dieser schwierigen Situation zu stecken. Daher ist es sehr anregend und motivierend, die Kapitel Schritt für Schritt durchzuarbeiten. Nach einer Weile bekommt man zudem ein besseres Gefühl dafür, welche Antwortalternative die zutreffende sein könnte oder welche Aspekte noch zu berücksichtigen sind. Dadurch wird auch die Lesemotivation angeregt, da man den Lernzuwachs förmlich spüren kann. Abschließend sei zudem erwähnt, dass auch noch genügend Spielraum übrig bleibt für eine weitere vertiefende Auseinandersetzung mit der chinesischen Kultur und keineswegs der Eindruck entsteht, nun bereits alles zu wissen. Vielmehr entsteht der Eindruck eine ganze Menge gelernt zu haben und dies als hervorragende Basis für eine weitere interkulturelle Vorbereitung nutzen kann, sodass Vorfreude auf den anstehenden Auslandsaufenthalt entsteht.

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