Im Land des Flüsterns – Geschichten aus dem Alltag in Nordkorea

Fakten zum Buch51AhGsnekbL
Titel: Im Land des Flüsterns – Geschichten aus dem Alltag in Nordkorea
Originaltitel: Nothing to Envy. Ordinary lives in north Korea
Autor: Barbara Demick
Verlag: Knaur
Erscheinungsjahr: 2013
ISBN: 978-3-426-78081-7
Seiten: 430
Preis: 9,99€

 

Autorinbarbara-demick

Barbara Demick ist eine amerikanische politische Journalistin. Sie war ab 1986 für den Philadelphia Inquirer vor allem in Osteuropa und dem Nahen Osten tätig. 1996 erschien das Buch „Die Rosen von Sarajevo“ für dessen zugrunde liegende Artikelserie sie den George Polk Award und den Robert F. Kennedy Journalism Award gewann. Seit 2001 berichtet sie für die Los Angeles Times aus Ostasien, weshalb sie erst in Seoul stationiert war, seit 2007 aber in Peking lebt. Während ihrer Zeit in Seoul interviewte sie zahlreiche nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea und China und berichtete intensiv über Menschenrechte in Nordkorea. Das hier rezensierte Buch wurde mit dem Human Rights Award ausgezeichnet.

Motivation
Der Grund, warum ich mich dazu entschieden habe ein Buch über das Alltagsleben in Nordkorea zu lesen, hängt vorrangig mit meiner Absicht ein Auslandssemester in Seoul zu verbringen zusammen. Die andauernden Kriegsdrohungen und Provokation der Nordkoreaner, unter anderem durch Raketentests und Militärübungen haben meinen Blick auf den Norden der koreanischen Halbinsel gelenkt. Um mehr über das Land Nordkorea zu erfahren und einen Einblick in das dortige Leben zu erhalten, von welchem ich zuvor nur eine sehr vage Vorstellung hatte, bot es sich mir, das Buch „Im Land des Flüsterns – Geschichten aus dem Alltag in Nordkorea“ von Barbara Demick zu lesen. Die Tatsache, dass die Geschichten, welche im Buch erzählt werden, auf Interviews mit nordkoreanischen Flüchtlingen basieren und dadurch ein sehr realistischen Einblick in die dortigen Lebensverhältnisse gegeben wird, hat meine Entscheidung für dieses Buch positiv beeinflusst.

Hintergrundinformationen
Da es Barbara Demick als Amerikanerin, und somit als Feindin der Nordkoreaner, schlichtweg unmöglich war, direkt vor Ort zu recherchieren, geschweige denn, direkt aus der Demokratischen Volksrepublik Korea zu berichten, führt sie über einen Zeitraum von sieben Jahren, zahlreiche Interviews mit nordkoreanischen Flüchtlingen, welche nach Südkorea oder China übergelaufen waren. Dabei konzentrierte sie sich besonders auf ehemalige Bewohner der Stadt Chongjin um das Leben in dieser Stadt, welche die drittgrößte Stadt in Nordkorea ist, an der nördlichen Küste des japanischen Meeres liegt und für Ausländer nahezu ausnahmslos gesperrt ist, möglichst präzise darstellen zu können. So gelingt es der Autorin, das wahre Leben in Chongjin in der Form eines Romans wiederzugeben und zusätzlich noch zahlreiche geschichtliche Informationen einfließen zu lassen.

Inhalt
Die Geschichten in diesem Buch beschreiben das Leben von sechs Personen, welchen die Flucht aus Nordkorea mit viel Glück gelungen ist, und deren Familien.

Mi-ran ist die Tochter einer nordkoreanischen Mutter und eines ehemaligen südkoreanischen Soldaten, welcher nach der Kriegsgefangenschaft die nordkoreanische Staatsbürgerschaft erhielt. Aufgrund der Vorgeschichte ihres Vaters gehört die gesamte Familie unwissend der Klasse der „feindlich Gesinnten“ an, da ihr Vater „vergiftetes Blut“ hat. Deshalb waren sie und ihre Familie auf der gesellschaftlichen Stufenleiter ganz unten angesiedelt – der Grund warum Mi-ran und ihren Geschwistern unter anderem der Zugang zur Hochschule verwehrt bleiben soll.
Jun-sangs Eltern wurden beide als ethnische Koreaner in Japan geboren. Seine Eltern lernten sich nach dessen Rückkehr in Nordkorea kennen und konnten ein besseres Leben als die meisten Nordkoreaner führen, da genügend Geld vorhanden war. Trotz des Wohlstandes gehörten aber auch die japanischen Koreaner und somit auch Jung-sans Familie der Klasse der „feindlichen Gesinnten“ an. Grund für diese Zuordnung war der vorhandene Kontakt zur Außenwelt zu den in Japan lebenden Verwandten und das dadurch eingeschränkte Vertrauen seitens des Regimes.
Jun-sang verliebte sich in Mi-ran. Zwischen den beiden entstand eine heimliche Liebesbeziehung, welche sich auf Spaziergänge in der Dunkelheit Nordkoreas (fehlende Stromversorgung) und intensive Gespräche beschränkte. Beide mussten aufpassen von niemandem gesehen zu werden, da sonst die Gefahr bestand von der inminban (Nachbarschaftsgruppe) verraten zu werden. Später, als Jun-sang in Pjöngjang studiert, in der Hoffnung anschließend in die Arbeiterpartei aufgenommen zu werden und dadurch das Ansehen seiner Familie zu erhöhen, geriet die Beziehung zwischen Mi-ran und ihm in eine immer aussichtslosere Situation. Briefe kamen nicht an. Eine Ehe zwischen Mi-ran und Jun-sang war ausgeschlossen, da er dadurch das Ansehen seiner Familie und die Hoffnung auf gesellschaftlicher Anerkennung unterwandern würde. Als Jun-sang sich verbotenerweise immer mehr Informationen über den wirklichen katastrophalen Zustand seines Landes verschaffte, beschloss er das Land zu verlassen. Er ahnt jedoch nicht, dass auch Mi-ran nach dem Tod ihres Vaters, seine südkoreanischen Verwandten aufsuchen wollte.

Frau Song war eine linientreue Genossin und glaubte aufrichtig an das nordkoreanische Regime. Sie heiratete den gutmütigen Chang-bo und hatte mit ihm drei Töchter und einen Sohn. Bezeichnend für ihre Linientreue war der Tagesablauf von Frau Song. Sie hatte 4 Kinder zu versorgen und einen Haushalt zu führen, arbeitet zusätzlich sechs Tage die Woche ganztägig in einer Kleiderfabrik und absolviert anschließend noch ideologische Schulungen, weshalb sie selten mehr als fünf Stunden Schlaf in der Nacht bekam. Ihre älteste und kluge Tochter Oak-hee jedoch begann mit der Pubertät immer rebellischer zu werden und das System in Frage zu stellen. Mithilfe der Beziehungen ihres Vaters bekam Oak-hee jedoch eine Stelle im Propagandaministerium und heirate. Doch schon bald kamen die Alkoholsucht ihres Ehemannes und seine Brutalität zum Vorschein. Sie beschließt zu fliehen und ihre zwei gemeinsamen Kinder zurückzulassen. Auch Frau Song, welche innerhalb eines Jahres ihre Schwiegermutter, ihren Ehemann und einzigen Sohn aufgrund der großen Hungersnot verliert, beginnt Zweifel am nordkoreanischen System zu hegen.

Dr. Kim ist die Tochter eines einfachen Arbeiters, die der Regierung sehr dankbar war, dass sie trotz ihrer niedrigen Herkunft ein Studium zur Kinderärztin absolvieren durfte. Das Blatt wendet sich, als ihr Vater sich nach dem Tod Kim Il Sungs zu Tode hungerte und sie den vielen Kindern während der Hungersnot in den 90er Jahren, aufgrund der fehlenden medizinischen Versorgung nicht mehr helfen konnte.

Hyucks Mutter starb als er drei Jahre alt war. Sein Vater heiratete erneut, jedoch wurden Hyuck und sein älterer Bruder nun vernachlässigt und sie begannen zu stehlen und ein Leben als „Wanderschwalben“ auf der Straße zu führen. Als er später einmal dabei erwischt wurde, wie er nordkoreanische Bügeleisen nach China schmuggelte, landete er in einem Arbeitslager. Nach seiner Entlassung entschied auch er sich endgültig dazu, seinem Heimatland auf Dauer den Rücken zu kehren.

Fazit
Die Geschichten dieser 6 Personen veranschaulichen das Leben in Nordkorea sehr detailgetreu. Es ist spannend und sehr aufwühlend zugleich, das Leben dieser Personen zu betrachten. Besonders faszinierend und schockierend ist die Propagandapolitik dieses Landes. Wir schmunzeln über die Methoden, welche uns so paradox erscheinen. Versucht man sich aber hineinzuversetzen in die Menschen, welche diese von Kindestagen an und tagtäglich eingetrichtert bekommen und berücksichtigt man die hermetische Abkapselung Nordkoreas vom Rest der Welt, ist nachvollziehbar, warum die Menschen daran glauben. Der Schulunterricht läuft beispielweise folgendermaßen ab: Zu Beginn gibt es ideologischen Unterricht, um die Kinder auf Kurs zu halten. Anschließend erfolgt dann unter anderem Unterricht in Mathematik und Musik. So werden in Mathematikaufgaben und Volksliedern deutlich die Feinde als eben diese hervorgetan.
Auch beschreibt die Autorin eindrucksvoll, wie Kim Il Sung von sich selbst ein gottähnliches Bild kreiert und seinen Sohn Kim Jong Il als Sohn Gottes vermarktet.
Wirklich interessant sind auch die Wendepunkte, die Momente in denen die einzelnen Protagonisten ihren Glauben an ihr Land verlieren. Diese Einsicht bringt zugleich Fluch und Segen mit sich. So beschreibt die Autorin zum einen die jeweilige gefährliche Flucht der Protagonisten aus Nordkorea und die unterschiedlich schwierige Integration in die südkoreanische Gesellschaft.
Dieses Buch ist es wert gelesen zu werden. So erhält man eine große Menge an Fakten verpackt in einem fesselnden Roman.

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57 Responses to Im Land des Flüsterns – Geschichten aus dem Alltag in Nordkorea

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  48. weidenkellerm says:

    Hallo Anna,

    obwohl du die Schicksale der Flüchtlinge aus Nord-Korea nur kurz angerissen hast, nehmen die Schilderungen den Leser mit. Die Tatsache, dass Demick sieben Jahre sorgfältig recherchiert hatte, bevor Sie das Buch verfasste, lässt dieses Werk glaubwürdig und authentisch erscheinen. Die Inhalte sind so erschreckend, dass man gar nicht fassen kann, dass solche Zustände im 21. Jahrhundert noch Realität sind.
    Demicks Erzählungen scheinen wie Momentaufnahmen aus dem tristen Alltag eines versklavten Volkes in einer für uns extrem fremden Welt zu sein. Dabei finde ich es besonders interessant, dass verschiedene Schicksale dargestellt werden. So spricht sie von Liebe, von Begegnungen, dem täglichen Kampf des Überlebens hinter den gigantischen Kulissen des diktatorischen Regimes, das sich selbstherrlich in Szene setzt.

    Diese Lektüre scheint sich nicht nur für Personen zu lohnen, die ein tieferes Verständnis über die sozialen Strukturen Nordkoreas erlangen möchten , sondern für jeden, der an politischen und sozial aktuellen Themen interessiert ist.

  49. scheibnerl says:

    Hallo Anna,

    deiner Meinung und dem Kommentar von Christina kann ich mich nur anschließen.
    Auch wenn ich nicht in Korea mein Auslandssemester verbringen werde, interessiere ich mich sehr für das Land und den Konflikt zwischen Norden und Süden. Da die Entfernung zwischen Japan und Südkorea nicht allzu groß ist, werde ich mit Sicherheit die Chance nutzen und einige Tage in Seoul verbringen. Da bin ich schon sehr gespannt, ob und was man von Nordkorea mitbekommt.

    Ich finde es auch sehr gut, dass das Buch auf Interviews mit Nordkoreanern basiert. Im Grunde sind solche Erfahrungsberichte die einzige Möglichkeit einen Einblick in das Leben unter dem nordkoreanischen Regime zu erhalten. Da die Einreise quasi unmöglich ist, sind solche Quellen und Interviews besonders wichtig. Gut finde ich zudem, dass die Interviews nicht von politischen Zielen geprägt sind (wie doch leider so oft die mediale Berichtserstattung), was dem Buch Glaubwürdigkeit verleiht.

    Deine Rezension hat mich definitiv dazu ermutigt das Buch selbst zu lesen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass deine Inhaltswiedergabe die verschiedenen Schicksale nur anreist und den Leser neugierig auf die gesamten Erlebnisse der Nordkoreaner macht.

  50. warneckec says:

    Liebe Anna,

    Vielen Dank für deine Rezension und vorweg schon einmal viel Erfolg bei deiner heutigen Präsentation!
    Da wir ja das nächste Semester gemeinsam an der Ewha in Seoul verbringen werden interessiere ich mich natürlich genau wie du auch für das Thema Nordkorea. Besonders die in letzter Zeit verstärkt und andauernd verbreiteten Kriegsdrohungen und Provokationen in Richtung Süden lenken den Fokus auf ein Land – das man meiner Meinung nach durchaus als „Parallelwelt“ bezeichnen kann, mit Hungersnöten und Katastrophen, die wir uns im Westen nicht mal im Ansatz vorstellen können. Beispielsweise habe ich im vergangenen Monat einen Bericht in der Süddeutschen Zeitung gelesen, wonach die Menschen in Nord-Korea keine Socken tragen, da diese als Luxusobjekte gelten. So absurd dies auf den ersten Blick vielleicht wirkt, gibt es dennoch meiner Meinung nach einen schockierenden und kaum nachvollziehbaren Einblick in dieses Land. Hungersnöte und der tägliche Kampf ums Überleben der Menschen, während das Regime sich für die Außenwelt in Szene setzt ist für mich unvorstellbar.

    Bezogen auf deinen Roman gefällt mir besonders, dass die Autorin wahre Geschichten von Flüchtlingen nacherzählt, welche authentisch von ihrem Alltag in der ehemaligen Heimat, sowie von ihrer Flucht berichten. Spannend finde ich zudem, dass der Roman vornehmlich Geschichten aus dem Ort Chongijn thematisiert, welcher wie du sagst, im nordöstlichen Zipfel Nordkoreas liegt und somit in weiter Entfernung von Pjöngjang. Hinzu kommt das er für Ausländer vollkommen gesperrt ist, und somit seinem Ruf als Verbannungsort nachkommt und das durchschnittliche nordkoreanische Leben porträtiert. Pjöngjang hingehen scheint ein Ort für die „Nordkoreanische Elite zu sein, die Gesunden und Regimetreuen“.
    Darüber hinaus finde ich es interessant, dass die erzählenden Personen unterschiedliche Hintergründe, Familienabstammungen und Ränge inne haben, und somit ein umfassenderes Bild von Nordkorea liefern können. Einzelschicksale verbunden mit den uns Deutschen noch gut bekannten Begriffen wie „Führerkult“ oder organisieret Spionage unter Nachbarn und Familienmitgliedern erwecken bei mir ebenfalls den Eindruck, dass du dir einen sehr lesenswerten Roman herausgesucht hast.
    Das Buch scheint außerdem dabei zu helfen zu verstehen, warum die Nordkoreaner nicht permanent an Flucht oder Aufstand denken. Der von dir angesprochene „Ideologische Unterricht“ versucht die Menschen von frühster Kindheit an zu indoktrinieren. Dennoch faszinieren eben die von dir angesprochenen Wendepunkte und die Frage „Wie schlecht muss es Menschen erst gehen, bis sie den Glauben an ihr Land etc. verlieren?“

    Deine Rezension hat mich auf jeden Fall dazu ermutigt, das Buch vor unserem Aufenthalt vielleicht selbst noch einmal zu lesen, um Nordkorea aber vor allem auch die dort herrschenden dramatischen Verhältnisse besser verstehen zu können. Darüber hinaus hoffe ich auch im Rahmen des ASBE Programmes mehr darüber zu lernen, wie man mit diesem Spannungsfeld Nord/Südkorea umgehen sollte, vor allem auch im Umgang mit Südkoreanern vor Ort.
    Ich freue mich schon auf weitere Rezension rund um Nord/Süd-Korea :)

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