Adrian Geiges: Gebrauchsanweisung für Peking und Shanghai

Buchrezension im Rahmen des ASBE-Programms von Julian Garber

Fakten zum Buch

  • gebrauchsanweisung_fuer_peking_und_shanghaiTitel: Gebrauchsanweisung für Peking und Shanghai
  • Autor: Adrian Geiges
  • Verlag: Pieper Verlag
  • Erscheinunsjahr: 2009
  • ISBN: 978-3492275774
  • Seiten: 224
  • Preis: 14,95 €

 

 

 

Motivation
Als Ende 2012 feststand, dass ich ab September 2013 in China sein werde war mir klar, dass ich eigentlich zu wenig über dieses Land weiß. Man hört zwar tagtäglich so vieles über alle möglichen Nachrichtenkanäle, meistens geht es dabei jedoch um Wirtschaft oder Politik. Wirklich tiefe Einblicke und Hintergründe sucht man meist vergeblich. Ich habe mir einige Bücher angeschaut, die mir solche Hintergründe liefern könnten, und mich schließlich für eine eher leichte Lektüre zu Anfang entschieden: „Gebrauchsanweisung für Peking und Shanghai“. Obwohl die Volksrepublik China natürlich nicht auf diese zwei Städte reduziert werden kann, so sind sie doch boomende Wirtschaftsstädte und internationale Aushängeschilder. Insbesondere die Unterschiede und die Rivalität zwischen diesen beiden Städten machten für mich den Reiz des Buches aus.

Ich werde  vorraussichtlich beide Städte selber kennenlernen. Wohnen werde ich während des Auslandssemester in Peking, möchte aber auch die anderen ASBE-Teilnehmer in Shanghai besuchen. Näheres über beide Städte zu erfahren, ist also sicherlich hilfreich. Des Weiteren war mir wichtig, dass der Autor möglichst authentisch ist und China selbst erlebt hat. Das ist bei Adrian Geiges definitiv der Fall; er verbrachte einige Jahre in verschiedenen Städten Chinas und hat mit seiner chinesischen Ehefrau 2 Kinder. Er wuchs außerdem in dem Ort auf, in dem ich zur Schule ging, wodurch ich noch eine persönliche Vorliebe zum Autor entwickelt habe.

Der Autor
Adrian GeigesAdrian Geiges wurde 1960 in Basel, Schweiz, geboren und wuchs in Staufen im Breisgau an der Schweizer Grenze auf. Er studierte Publizistik, Geschichte und Politik in Münster, Russisch in Bochum und schließlich widmete er sich in Peking einem Chinesisch-Studium. 1990 arbeitete er für diverse Verlage und Fernsehsender als Russland-Korrespondent, drehte Magazinbeiträge und Dokumentationen. Ab 1997 lebte Adrian Geiges in Hongkong, ebenfalls als Auslandskorrespondent tätig. Nach einem Aufenthalt in New York kam er im Jahr 2000 nach China zurück und leitete in Shanghai eine Tochterfirma des Bertelsmann Konzerns. Von 2004 bis 2008 folgte die dritte Station in China: als Korrespondent für den stern lebte er in Peking und berichtete unter anderem über die olympischen Spiele.

Inzwischen lebt Adrian Geiges in Rio de Janeiro um dort über die Fußball-WM 2014 sowie die olympischen Spiele 2016 zu berichten. Adrian Geiges ist mit einer Chinesin verheiratet, zusammen haben sie 2 Kinder. Weitere Bücher des Autors sind u.a. „China. Die Geschichte einer neuen Weltmacht“, „Mit Konfuzius zur Weltmacht“ und „Wie die Weltrevolution einmal aus Versehen im Schwarzwald begann“.

Inhalt
Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird Peking thematisiert, während Shanghai den zweiten Teil bestimmt. Das Buch hat keine klare Reihenfolge der Themen, sondern ist eher eine Sammlung von zusammenhangslosen Geschichten, Berichten und Anekdoten, die meistens mit eigenen Erfahrungen des Autors versehen sind. In 24 meist relativ kurzen Kapiteln versucht der Autor dem Leser einen Eindruck von den beiden Aushängeschildern der chinesischen Wirtschaftsmacht, Peking und Shanghai, zu geben. Die zentralen Themen werde ich im Folgenden kurz umreißen.

In einem kurzen Vorwort stellt Geiges erst einmal klar, dass Pekinger und Shanghaier sich gegenseitig nicht sehr wohlwollend gesinnt sind. Bei seinem Umzug von Shanghai nach Peking beispielsweise bedauerten ihn seine Shanghaier Freunde. Sie sagten, er werde es schwer haben, man könne sich auf die Pekinger nicht verlassen und außerdem sei der Service schlecht. Umgekehrt zeigten sich Pekinger verwundert darüber, wie Geiges es so lange in Shanghai hatte aushalten können. In Shanghai sei es schwer, Freunde zu finden, denn die Shanghaier achten nur aufs Geld und hauen einen gerne über das Ohr. Mit der Klarstellung, dass Chinesen nicht alle gleich sind, beginnt der Einstieg ins Buch. Zu Beginn der beiden Teile zu Peking sowie Shanghai beschreibt Geiges das boomende Wachstum dieser beiden Metropolen. So waren zur Zeit seiner ersten Pekingreise 1986, 9.5 Millionen Menschen in Peking wohnhaft, während es beim Verfassen des Buches bereits 17,4 Millionen waren. Inzwischen leben über 20 Millionen Menschen in der Hauptstadt. Shanghai hat eine ähnliche Entwicklung hinter sich und zählt derzeit 23 Millionen Einwohner. Die Folgen dieses rasanten Bevölkerungswachstums, so wie beispielsweise verstopfte Straßen (die durchschnittliche PKW-Geschwindigkeit in Peking beträgt 12 km/h) oder rasant steigende Mietpreise, werden von Geiges anschaulich dargestellt.

Ein weiteres Thema ist die Geschichte der beiden Städte. Peking wurde 1000 Jahre vor Christus das erste Mal urkundlich erwähnt und ist somit eine der ältesten Städte Chinas. Shanghai hingegen ist wesentlich jünger und war in der frühen Geschichte Chinas nicht ansatzweise so wichtig wie die Hauptstadt. Nicht nur deshalb werden die Shanghaier von Pekingern oft als Emporkömmlinge gesehen. Auch die Jahre unter dem ersten, sowie dem letzten Kaiser Chinas und dessen Abdankung, sowie die Öffnung der Verbotenen Stadt für die Öffentlichkeit werden beschrieben. Kontrastiert werden die geschichtlichen Hintergründe mit dem aktuellen Leben und Gewohnheiten der Chinesen. So sind heutige Bewohner der Hauptstadt nach Erfahrungen des Autors sehr geschwätzig und freundlich, jedoch auch schnell prahlerisch, zudem sind Pekinger unzuverlässig und nehmen vieles nicht so genau. Letzteres gilt jedoch nicht für die öffentlichen Behörden. Beispielhaft beschreibt Geiges die Erfahrungen einer jungen Chinesin, die er beim Autokauf begleitete. Viele verschiedene Behörden müssen besucht werden, die eine prüft das Auto auf Funktionalität und Sicherheit und stellt Dokumente aus, welche wiederrum von einer anderen Behörde auf Echtheit überprüft werden müssen und so weiter. Während in Deutschland ein Autokauf in wenigen Minuten abgewickelt sein kann, dauert die gesamte Prozedur bei der jungen Chinesin etwa 12 Stunden.
Die heutigen Shanghaier beschreiben andere Chinesen als besessene Geschäftsleute, geizig und kleinlich. Sobald man sich mit ihnen jedoch auf ein Geschäft geeinigt hat, sind sie sehr zuverlässig und freundlich. Als der Autor einer Shanghaier Freundin erzählte, dass Geschäfte in Deutschland sonntags geschlossen seien, war sie regelrecht entsetzt. Sie fragte sich, was denn die Deutschen am Sonntag machen, wenn man nicht shoppen kann. Die Menschen in Shanghai nutzen den Sonntag nämlich gerne um durch Einkaufsstraßen zu bummeln und ausgiebig zu shoppen und zeigen ihren Reichtum offen.

Immer mal wieder werden vom Autor Sehenswürdigkeiten beschrieben. Selbstverständlich bekannte Dinge wie die Große Mauer, die Verbotene Stadt oder der Tiananmen-Platz. Allerdings nennt und empfiehlt er auch einige eher unbekannte Orte, wie die Künstlerschmiede 798 oder den Sommerpalast. Auch das Bankenviertel von Shanghai, Pudong, empfiehlt Geiges als Besichtigungsziel. Es zeigt die beeindruckende Entwicklung von einstigen Reisfeldern zu einem der wichtigsten Hotspots der chinesischen Wirtschaft. Stets sind die Beschreibungen dieser Reiseziele gespickt mit persönlichen Erfahrungen sowie wichtigen Hinweisen für Touristen. Sollten einem an der Großen Mauer beispielsweise Kinder Leitern zum Besteigen der Mauer anbieten, sollte man dieses Angebot ablehnen. Denn sobald oben angekommen, verschwinden die Leitern und werden erst gegen eine üppige Geldspende wieder auftauchen.

Außerdem widmet sich Geiges den Verschiedenheiten der beiden Großstädte was Sprache, Wetter und vor allem Essen betrifft. Der Autor veranschaulicht sehr deutlich die Unterschiede zwischen dem in Peking gesprochenen Hochchinesisch und dem südlichen Dialekt, die teilweise sehr deutlich sind. Interessant für Shanghai-Reisende ist mit Sicherheit, dass es in dieser Stadt keine Heizungen gibt. Das liegt daran, dass Shanghai geographisch gesehen südlich des Jangtse-Flußes liegt, der generell als „Heizlinie“ gilt: südlich davon wird nicht geheizt. Da das Klima in den Wintermonaten jedoch trotzdem sehr kühl ist, halten sich viele wohlhabende Shanghaier inzwischen teure und stromfressende Elektroöfen.

Die genannten Themen sind nur einige wenige der „Gebrauchsanweisung für Peking und Shanghai“. In vielen weiteren Anekdoten erfährt man, warum sich Chinesen untereinander nicht zwingend verstehen, wie das Wetter während der olympischen Spiele manipuliert wurde, wie es in Shanghai auf Hochzeiten zugeht oder was es zu bedeuten hat, wenn man von einem Pekinger zum „moralisch Verdorbenem“ eingeladen wird. All dies aus westlicher Sicht, immer wieder mit eigenen Erfahrungen und mit Zitaten von Chinesen aufgepeppt. Man hat im Nachhinein ein umfangreiches Spektrum an Hintergrundwissen gesammelt und wird von der ein oder anderen Situation in China eventuell nicht mehr ganz so überrascht sein. Zumindest die Hoffnung daran besteht.

Fazit
Die „Gebrauchsanweisung für Peking und Shanghai“ hat meine Erwartungen erfüllt. Wie bereits im Abschnitt „Motivation“ erläutert, wollte ich ein Buch, das mir Hintergründe der beiden Städte näher bringt, ohne dabei quälend langatmig zu sein. Genau das schafft Adrian Geiges mit seinem Werk. Jedes Kapitel handelt von einem anderen interessanten Thema und ist gut durch Fakten fundiert. Den Witz des Buches machen vor allem die Erfahrungen des Autors aus, die gerade durch die westliche Sicht und dadurch oft seltsam anmutenden Situationen sehr unterhaltsam sind. Man erfährt aber auch, wie Chinesen über manche deutsche Alltagssituationen denken. Außerdem nutzt der Autor teilweise chinesische Bezeichnungen. Falls man also in Shanghai als „laowei“ betitelt wird, weiß man nach der Lektüre des Buches, dass damit „Ausländer von außen“ gemeint ist, eine nette, aber distanzierte Anrede. Das Buch eignet sich sehr gut als Lektüre nebenbei, da die Kapitel meist nicht sehr lang sind und jedes eine eigene Geschichte erzählt. Ich würde das Buch jedem weiterempfehlen, der sich ein wenig über die Gepflogenheiten in den beiden chinesischen Städten informieren möchte.

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