Buchrezension “Business-Kultur in China”

 

Cover

Buchdaten:

Titel:                              Business-Kultur in China: China-Expertise in Werten, Kultur und Kommunikation
Autoren:                       Xiaojuan Ma, Florian Becker
Verlag:                           Springer Gabler
Erscheinungsjahr:   2015
Umfang:                        60 Seiten (Taschenbuch)
ISBN:                              978-3658090395
Preis:                              9,99 €

 

 

Motivation:

Schnell wurde mir bewusst, dass ich eine Buchrezension über ein Buch verfassen möchte, welches sich mit den kulturellen Werten Chinas befasst. Da China während der letzten Jahren einem konstanten Wertewandel unterliegt, habe ich mich gegen einen Roman oder ein historisches Werk entschieden und stattdessen ein kürzlich erschienenes Buch gewählt. Besonders ansprechend fand ich es, dass der Wert Materialismus von den Autoren einbezogen wurde, weil er seit den letzten Jahren einen wachsenden Einfluss auf die chinesische Gesellschaft besitzt. Da ich bereits das Buch „Das China Paradox: Warum keiner die Chinesen versteht und wie man mit ihnen trotzdem Geschäfte macht“ von Hermann Himmelmann und Jürgen Hungerbach zum Thema Kultur in China gelesen habe und dies als sehr subjektiv wahrgenommen habe, entschloss ich mich bewusst für ein wissenschaftlich fundiertes Buch, welches von einem interkulturellen Autorenteam (chinesisch – deutsch) verfasst wurde. Zudem habe ich mich vor meiner Bewerbung für das ASBE Programm mit der Möglichkeit eines Auslandspraktikums befasst und bereits das Buch „China-Marketing“ von Andreas Tank gelesen, welches ebenfalls in der essentials Reihe des Springer Gabler Verlages erschienen ist.

 

Autoren:

Das vorliegende Taschenbuch „Business-Kultur in China: China-Expertise in Werten, Kultur und Kommunikation“ wurde in Kooperation der beiden promovierten Autoren Prof. Dr. Xiaojuan Ma und Prof. Dr. Florian Becker verfasst, die ein interkulturelles Autorenteam bilden. Beide sind langjährige Experten was Geschäftsbeziehungen in China angeht. Professor Ma besitzt drei Studienabschlüsse in den Bereichen Rechtswissenschaften, Technologiemanagement sowie Betriebswirtschaftslehre und promovierte im Fach Psychologie über die Führung chinesischer Mitarbeiter. Sie arbeitet als Trainerin, Coach und Beraterin aktiv mit Unternehmen zusammen, jegliche Herausforderungen zu lösen, die mit chinesischen Wirtschaftsbeziehungen assoziiert werden können. Aus diesem Grund ist sie ebenfalls Geschäftsführerin der Beratungsfirma China-Expertise, in der auch Professor Becker arbeitet. Dieser ist seinerseits Diplom-Psychologe und Spezialist für Wirtschaftspsychologie. Derzeit leitet er den MBA-Studiengang Management und Führungskompetenz an der Hochschule Rosenheim, sowie den Fachbereich Psychologie und Management an der International School of Management in München. Professor Becker besitzt überdies langjährige Unternehmenserfahrung in der Verhaltensanalyse von Mitarbeitern und Kunden, weswegen er zu einem der gefragtesten Wirtschaftspädagogen und Interviewpartnern in Deutschland gehört.

 

Inhalt:

Grob lässt sich das Buch „Business-Kultur in China: China-Expertise in Werten, Kultur und Kommunikation“ in zwei Teilbereiche gliedern: Kulturelle Werte der Chinesen und Kommunikation und Verhalten in China. Der erste Teilbereich stellt fünf zentrale kulturelle Werte Chinas dar. Die behandelten Werte sind Hierarchieorientierung, Kollektivismus, sozialer Status, Flexibilität sowie materialistische Orientierung. Jeder dieser Werte erhält sein eigenes Kapitel, in dem zuerst der Ursprung dieses kulturellen Wertes beschrieben wird, sowie sein Einfluss auf die chinesische Bevölkerung. Die Autoren differenzieren hierbei zwischen dem Einfluss des jeweiligen Wertes auf Alltagssituationen sowie auf das Geschäftsleben. Aus diesem Grund endet jedes Kapitel des ersten Teilbereiches mit Tipps für Business-Situationen. Diese Tipps umfassen die Gebiete Kontaktaufnahme, Kooperation und Verhandlung, Verkauf und Marketing sowie Führung und Teamarbeit. Jeder kulturelle Wert wird der Anschaulichkeit halber mit kontrastierenden Abbildungen und Beispielen erklärt.

Der Punkt Hierarchieordnung gibt zuerst eine historische Übersicht, die in der konfuzianischen Philosophie wurzelt und sich genauer mit den fünf hierarchischen Grundbeziehungen (Herrscher – Untergebener, Eltern – Kinder, Ehemann – Ehefrau, älterer Bruder – jüngerer Bruder, älterer Freund – jüngerer Freund) befasst. Aufgrund der tiefen Verwurzelung in der chinesischen Kultur wird nicht nur das Alltagsleben beeinflusst, sondern auch das Wirtschaftsgeschehen. Die Autoren raten Geschäftspartnern eine klare Unternehmensposition auf der Visitenkarte auszuweisen, sowie ältere und ranghöhere Geschäftsleute zu Meetings mitzunehmen um ihren Respekt auszudrücken.

Die Autoren begründen die Ursprünge des Kollektivismus ebenfalls im Konfuzianismus. Kollektivismus bezeichnet ein System aus Werten und Normen, das die Interessen der Gesellschaft als oberste Priorität sieht. Eines der Grundprinzipien ist das Streben nach Harmonie. Aus diesem Grund sollte man im alltäglichen Leben individualistisches Verhalten einschränken, indem man beispielweise Wörter wie „ich“, „meins“ und „deins“ vermeidet. Andernfalls ist es möglich, dass man von der kollektivistisch geprägten und gesellschaftlich akzeptierten „Innengruppe“ in die „Außengruppe“ gerät. In China ist die Betonung von Innen-und Außengruppen sehr stark, was sich vor allem in der Rolle der Familie widerspiegelt. Führungskräften raten die Autoren, Mitarbeiter nicht als Individuen wahrzunehmen. Mitarbeitern werden Anreize durch Zuschüsse für Krankenversicherungen der Familienmitglieder, höhere Bildungschancen für das Kind oder Familienausflüge mit der gesamten Abteilung geboten. Obgleich der Kollektivismus durch höhere Bildungsgrade der oberen sozialen Schichten zunehmend abnimmt, ist das Gefälle der Innengruppe zur Außengruppe enorm, sodass viele Chinesen deutlich auf Gruppendruck reagieren, um sich möglichst homogen zu verhalten.

Kollektivismus hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung des sozialen Status in China, da beispielsweise Familien als geschlossene Einheiten nach außen wahrgenommen werden und sich das (Fehl-)Verhalten eines Individuums auf die gesamte Gruppe auswirken kann. In diesem Kontext ist vor allem der Begriff „Gesichtswahrung“ zu nennen, da der Zugewinn an miànzi (Gesicht) als Indikator für sozialen Status angesehen wird. Um den sozialen Status zu stärken, erfolgen häufig Gefälligkeiten, die oft langfristig und zielgerichtet sind, um zu relevanten Personen gute Beziehungen aufzubauen. Bereits im Kindesalter wird auf den sozialen Status aufmerksam gemacht, in dem gute und schlechte Schüler besonders hervorgehoben werden. Bildungsabschlüsse reflektieren den sozialen Status enorm, dies kann allerdings dazu führen, dass ungeeignete Personen entscheidenden Positionen bekleiden, da sie einen bestimmten Bildungsabschluss oder hervorragende Beziehungen besitzen. Gefälligkeiten, Geschenke und Einladungen sollten aus Höflichkeit nicht abgelehnt werden, jedoch erwarten Chinesen im Gegenzug, dass man sich erkenntlich zeigt.

Flexibilität hat eine lange Tradition in China und äußert sich in Form von drei Eigenschaften: Anpassungsfähigkeit, Pragmatismus und Gelassenheit. So reagieren Chinesen auf unbekannte oder unsichere Situationen mit einem hohen Maß an Gelassenheit, Geduld und Optimismus. Für viele ausländische Geschäftsleute stellt die Flexibilität der Chinesen allerdings Probleme dar. Verträge und Abmachungen sind häufig unkalkulierbar, Regeln und Vorschriften werden flexibel interpretiert. Pragmatismus ist das zentrale Handlungsargument in China. Werte wie Ökologie, Ethik, Gesundheit sowie Gesetzeskonformität erscheinen häufig zweitrangig. Allerdings sind chinesische Geschäftsleute im Gegenzug häufig auch offener für kreative und ungewöhnliche Vorschläge als westliche Partner um Kompromisse zu schließen.

Die materialistische Orientierung hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einem zentralen Wert in China entwickelt. Dies lässt sich zum Einen an der materiellen Sicherheit veranschaulichen, die aufgrund fehlender Sozialversicherungssysteme besonders im Alter wichtig ist. Zum Anderen entwickelt sich China zunehmend zu einer Konsumgesellschaft und aus diesem Grund betrachten mehr als 70% aller Chinesen ihren materiellen Besitz als Maßstab für internationalen Erfolg. Traditionell sind finanzielle Ausgaben in China sehr zukunftsorientiert, jedoch findet vor allem bei jüngeren Chinesen ein Wertewandel statt. Hedonismus und kurzfristiges Konsumdenken sind ein Resultat des zunehmend westlichen Lebensstils und stellen die traditionelle langfristige finanzielle Orientierung in Frage. Da finanzieller Erfolg in China einen wichtiger Erfolgsfaktor darstellt um erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu etablieren, sollte dieser durch teure Kleidung oder exklusive Geschenke gezeigt werden. Materialismus ist ein Hauptgrund für die hohe Fluktuationsrate in China – häufig wechseln Chinesen ihren Job aufgrund minimaler Gehaltsunterschiede, sodass die Autoren  zu einer gewissen Redundanz im Personalbestand raten, um die Abhängigkeit von einzelnen Mitarbeitern zu reduzieren.

 

Der zweite Teilbereich, Kommunikation und Verhalten in China, ist in die Unterpunkte Prinzipien der Kommunikation, Nonverbale Kommunikation, Kennenlernen und Beziehungspflege, Einladungen und Geschenke sowie Geschäftsessen in China gegliedert. Jeder dieser Unterpunkte beinhaltet am Ende des Kapitels Tipps, um eine erfolgreiche Kommunikation zu gewährleisten. Dabei kommt es zu vielen Überschneidungen mit den kulturellen Werten aus dem ersten Teil des Buches.

Die Prinzipien der Kommunikation befassen sich vor allem mit den Themen Respekt sowie Harmonie und Bescheidenheit. Respekt wird besonders mit dem kulturellen Wert des sozialen Status in Verbindung gebracht und Harmonie und Bescheidenheit mit Kollektivismus. In China ist es wichtig, dass man der Harmonie willen nicht auf seinen Standpunkt beharrt, sondern den „goldenen Mittelweg“ vorzieht. Aus diesem Grund stufen sich Chinesen häufig herab, während ihr Gegenüber erhöht wird. Wünsche werden lediglich implizit geäußert und Probleme werden bevorzugt am Telefon gelöst, da die Harmonie gewahrt werden kann, obgleich direkte Kommunikation vermieden wird.

Das Kapitel zur Nonverbalen Kommunikation befasst sich mit körperlichem Abstand, Gesichtsausruck, Blickverhalten, Gestik sowie Kleidung. Chinesen scheuen sich nicht vor engem Körperkontakt, jedoch ist dieser nur bei Personen desselben Geschlechts üblich. Der Gesichtsausdruck im Business-Kontext ist oftmals ein permanentes Lächeln oder aber neutral, da von Chinesen erwartet wird ihre Emotionen im Geschäftsleben zu verbergen. Aus diesem Grund ist das Blickverhalten von enormer Bedeutsamkeit. In Gesprächen achten Chinesen besonders auf die Augenpartie um die Emotionen des Gegenübers zu lesen. Chinesen gestikulieren sparsam und zumeist nur vom Ellenbogen abwärts. Dresscodes am Arbeitsplatz sind in China weniger üblich, allerdings besitzt Markenkleidung einen hohen Stellenwert. Auf Kosmetik und Parfum wird hingegen weniger Wert gelegt oder es wird vollständig darauf verzichtet.

Kennenlernen und Beziehungspflege basieren in China vor allem auf der Basis von Respekt und Komplimenten. Zum ersten Treffen mit chinesischen Geschäftsleuten sollten hochrangige Repräsentanten erscheinen um dem Senioritätsprinzip zu entsprechen und so größtmöglichen Respekt zu zeigen. Des Weiteren sollten ausländische Geschäftsleute eine chinesische Begrüßung („nín hăo“) und hochwertige Visitenkarten zur Hand haben. Jedoch sollte beachtet werden, dass Visitenkarten immer zweihändig angenommen sowie gereicht werden. Andernfalls könnten chinesische Geschäftsleute diese Geste als abwertendes Verhalten interpretieren. Small Talk in China beinhaltet nach Möglichkeit viele Komplimente und persönliche Fragen, um das Gesicht des Gegenübers zu erhöhen sowie Interesse zu signalisieren. Da die Rolle der Hierarchie in China nach wie vor sehr ausgeprägt ist, sollten untergeordnete Personen weniger Fragen stellen als Höhergestellte und sich in Gesprächen allgemein passiver verhalten.

Einladungen und Geschenke sind wesentliche Elemente um Geschäftsbeziehungen in China zu festigen. Gelegenheiten hierzu ergeben sich häufig, weil Einladungen in China vergleichsweise schnell ausgesprochen werden. Allgemein ist zu beachten, dass eine Einladungsablehnung unüblich und äußerst heikel ist, da sie den chinesischen Geschäftspartner ohne akzeptablen Grund brüskieren würde. Chinesen sind kollektivistisch veranlagt, daher ist es bei Einladungen zu öffentlichen Orten, wie beispielweise Restaurants üblich, weitere Personen, wie Kollegen, Mitarbeiter oder Ehepartner mitzubringen. Pünktlichkeit ist essenziell um seine Wertschätzung gegenüber dem Gastgeber zum Ausdruck zu bringen. Aus diesem Grund sollte man bei privaten Treffen fünf bis zehn Minuten früher als vereinbart eintreffen. Um sich für eine Einladung erkenntlich zu zeigen, werden häufig Geschenke verwendet, die öffentlich überreicht werden. Dabei gilt, dass Markennamen, Verpackungen und Symbole in China ungleich wichtiger sind als in westlichen Kulturen, geeignet sind beispielweise schweizer Schokolade oder französischer Wein.

Das gemeinsame Essen besitzt in der kollektivistisch geprägten chinesischen Kultur einen hohen Stellenwert, deshalb gibt es äußerst viele Geschäftsessen. Der Ort eines solchen Geschäftsessens sollte Prestige vermitteln. Chinesen werden gerne in ausländische Restaurants eingeladen, da diese als teuer und hochwertig gelten. Generell gilt, dass die Gäste zusammen eintreffen und auch abschließend gemeinsam den Tisch verlassen. Der Gastgeber ist an diesem Abend die zentrale Figur. Er hält zur Begrüßung häufig eine kurze Rede, bestellt die Speisen für sämtliche Gäste und übernimmt ebenfalls die Rechnung. Als Gast sollte man sich abschließend herzlich bedanken und eine neue Einladung bereits bei der Verabschiedung aussprechen. Damit suggeriert man, dass gegenseitiges Geben und Nehmen selbstverständlich ist und man zurückgeben möchte, was als gute Basis für weitere Geschäftsbeziehungen verstanden wird.

 

Fazit:

Das vorliegende Werk „Business-Kultur in China: China-Expertise in Werten, Kultur un Kommunikation“ von Xiaojuan Ma und Florian Becker ist meines Erachtens nach sehr zu empfehlen, wenn man einen längeren Aufenthalt in China plant beziehungsweise den Aufbau einer chinesischen Geschäftsbeziehung. Dieses Buch eignet sich vor allem für Leser, die sich noch nicht intensiv mit der chinesischen Kultur beschäftigt haben, da es einen kurzen aber prägnanten Überblick über die wichtigsten kulturellen Konventionen und gewünschte Verhaltensweisen bietet. Da das Buch erst 2015 erschienen ist, sind alle Daten und Fakten aktuell und wissenschaftlich fundiert. „Business-Kultur in China“ ist sehr strukturiert aufgebaut und die beiden Kernthemen – die kulturellen Werte sowie die Kommunikation und das Verhalten in China – werden sehr gut verknüpft, sodass das Buch sehr stringent erscheint und einfach zu lesen ist. Überdies sind die kulturellen Konzepte mit anschaulichen Abbildungen versehen und in jedem Kapitel finden sich zahlreiche konkrete Beispiele sowohl aus dem alltäglichen Leben als auch aus der Geschäftswelt. Alles in allem kann ich eine klare Empfehlung für dieses Buch aussprechen.

 

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