Zur Bestimmung stationärer Punkte von Funktionen von zwei (bzw. $n$) Variablen reicht es aus, die partiellen Ableitungen nach $x_1$ und $x_2$ (bzw. nach $x_1, \dots, x_n$) zu betrachten. Das ist eine unmittelbare Übertragung der notwendigen Bedingung von Funktionen einer Variablen. Die Bedingung $f_{1} = f_{2} = \dots f_{n} = 0$ ist nur eine notwendige,jedoch nicht hinreichende Bedingung für einen Extremwert einer Funktion in mehreren Variablen. Jedes Minimum oder Maximum einer Funktion ist zwar ein stationärer Punkt, aber nicht jeder stationäre Punkt muss ein Minimum oder Maximum sein.

Bei einer Funktion mit einer Variablen, die zweimal differenzierbar war, genügte die Untersuchung der zweiten Ableitung hinreichend, um fest zu stellen, ob es sich um ein Minimum, Maximum oder Wendepunkt handelte. Somit liegt es im ersten Schritt nahe, auch bei mehreren Variablen die Erfüllung der hinreichenden Bedingungen (Optimumbedingungen zweiter Ordnung) anhand der zweiten Ableitungen ${\partial ^2f \over \partial x_1^2}, \ {\partial^2f\over \partial x_2^2}$ (bzw. ${\partial ^2f \over \partial x_1^2}, \dots, \ {\partial^2f\over \partial x_n^2}$) zu untersuchen.

Das nachfolgende Beispiel scheint die Vermutung, dass für die Bestimmung eines Extrempunktes bei einer Funktion mehrerer Variablen lediglich die zweiten Ableitungen zu untersuchen sind, zu bestätigen. Beispiel \ref{Beispiel:hinreichendeBedingungNVariablen} zeigt allerdings, dass die Zusammenhänge nicht so einfach sind.
Aufgabe
Betrachten Sie die Funktion $$f(x_1,x_2) = x_1^2 + x_2^2$$
  1. Bestimmen Sie stationäre Punkte.
  2. Bestimmen Sie grafisch die Natur der stationären Punkte, indem Sie die Funktion skizzieren. Tipp: Skizzieren Sie Schnitte und Höhenlinien zu Funktion.
  3. Bestimmen Sie ${\partial^2f\over \partial x_i^2}$ für $i=1,2$ jeweils an den stationären Punkten.
Lösung
a. \begin{eqnarray*} {\partial f\over \partial x_1}\hfill &= &2x_1 \hfill \buildrel \rm ! \over = 0 \Rightarrow x_1 = 0\\ {\partial f\over \partial x_2}\hfill &= &2x_2 \hfill \buildrel \rm ! \over = 0 \Rightarrow x_2 = 0 \end{eqnarray*} Die Funktion hat bei $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ den einzigen stationären Punkt.

b. Schnitte durch den Funktionsverlauf, z.B. für $x_1 = 0$, $x_2 = 0$, $x_1 = x_2$, $x_1 = -x_2$ ergeben jeweils eine nach oben geöffnete Parabel. Höhenlinien $y = x_1^2 + x_2^2$ mit kostantem $y$ ergeben Kreise. Es handelt sich um einen Drehparaboloiden. Der Punkt $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ ist offensichtlich ein Minimum.

c. Es gilt für die bei $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ berechneten zweiten Ableitungen: ${\partial ^2 f\over \partial x_1^2} = 2 \quad {\partial ^2f \over \partial x_2^2} = 2$


Verlauf der Funktion $f(x_1,x_2) = x_1^2 + x_2^2$
Beispiel: Gegeben sei die Funktion: $$f(x_1,x_2) = x_1^2 + x_2^2$$
Mit Hilfe der ersten Ableitung werden die stationären Punkte ermittelt: \begin{eqnarray*} {\partial f\over \partial x_1}\hfill &= &2x_1 \hfill \buildrel \rm ! \over = 0 \Rightarrow x_1 = 0\\ {\partial f\over \partial x_2}\hfill &= &2x_2 \hfill \buildrel \rm ! \over = 0 \Rightarrow x_2 = 0 \end{eqnarray*} Die Funktion hat bei $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ den einzigen stationären Punkt. Der Vermutung nach wird nun die hinreichende Bedingung anhand der zweiten Ableitung geprüft. Es gilt für die bei $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ berechneten zweiten Ableitungen: $${\partial ^2 f\over \partial x_1^2} = 2 \quad {\partial ^2f \over \partial x_2^2} = 2$$ Es kann bei der Funktion auf ein Minimum im stationären Punkt $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ geschlossen werden. Die nebenstehenden Abbildung bestätigt dieses Ergebnis.
Verlauf der Funktion $f(x_1,x_2) = x_1^2 + x_2^2$
Beispiel:hinreichende Bedingung N Variablen Gegeben sei die Funktion: $$f(x_1,x_2) = x_1^4 - 3x_1^2x_2^2 + x_2^4$$ Mit Hilfe der ersten Ableitung werden die stationären Punkte ermittelt: \begin{eqnarray*} {\partial f\over \partial x_1}\hfill &= &4x_1^3 - 6x_1x_2^2\hfill \buildrel \rm !\over = 0\\ {\partial f\over \partial x_2}\hfill &= &-6x_1^2x_2 + 4x_2^3\hfill \buildrel \rm !\over = 0 \end{eqnarray*} Die notwendige Bedingung ist für den Punkt $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ erfüllt. Für die Untersuchung der hinreichenden Bedingung gemäß der Methode aus dem Kapitel \ref{methode} werden die zweiten, dritten, \ldots n-ten Ableitungen der Funktion betrachtet: \begin{align*} {\partial ^2f\over \partial x_1^2} &= 12 x_1^2 - 6x_2^2 & {\partial ^3f\over \partial x_1^3} &= 24x_1 & {\partial ^4f\over \partial x_1^4} &= 24\\ {\partial ^2f\over \partial x_2^2} &= -6x_1^2 + 12x_2^2& {\partial^3f\over \partial x_2^3} &= 24x_2 & {\partial ^4f\over \partial x_2^4} &= 24 \end{align*}

In den Ableitungen 4. Grades nimmt die Funktion (am stationären Punkt $x_1 = 0$, $x_2 = 0$) einen positiven Wert an. Mit Hilfe der des Kapitel \ref{methode} würde dies Folgendes bedeuten:
$n = 4$ $\rightarrow$ gerade und $f^{(4)}(0, 0) = 24 $ $\rightarrow$ positiv $\Rightarrow$ Minimum.

Untersuchung der Funktion durch vertikale Schnitte

Setzen wir in der Funktion $f(x_1,x_2) = x_1^4 - 3x_1^2x_2^2 + x_2^4$ den Wert $x_1=0$, so ergibt sich $f(x_1,x_2) = x_2^4$, also eine nach oben geöffnete Parabel vierten Grades.
Ebenso ergibt sich für $x_2=0$ $f(x_1,x_2) = x_1^4$, also auch eine nach oben geöffnete Parabel vierten Grade
Ist $x_2=x_1$ so ergibt sich $f(x_1,x_2) = x_1^4 - 3x_1^4 + x_1^4= -x_1^4$
Ist $x_2=-x_1$ so ergibt sich $f(x_1,x_2) = x_1^4 - 3x_1^4 + x_1^4= -x_1^4$ Bei geeigneter Auswahl der Parameter für Schnitte (Vgl. Abbildung Parabel vierten Grades) ist erkennbar, dass für $x_1=0$ und für $x_2=0$ die Funktion $f(x_1,x_2) = x_1^4 - 3x_1^2x_2^2 + x_2^4$ nach oben geöffnete Parabeln darstellen diese Schlussfolgerung offensichtlich falsch ist. Die Funktion hat bei $x_1 = 0$, $x_2 = 0$ einen stationären Punkt, der weder Maximum noch Minimum noch eine Art von Wendepunkt, sondern einen Sattel darstellt(Vgl. Abbildung \ref{fig:VerlaufFunktionViertenGradesMitZweiUnbekanntena}).

Parabel 4.Grades
Verlauf der Funktion $f(x_1,x_2) = x_1^4 - 3x_1^2x_2^2 + x_2^4 $