Die folgende Aufgabe benutzt die exakt gleiche Nebenbedingung wie die letzte Aufabe. Genutzt wird auch die gleiche Nutzenfunktion, sie unterscheidet sich lediglich in ihren Parametern von der Nutzenfunktion der letzten Aufgabe.

Die Aufgabe ist problemlos mit dem Lagrangeansatz lösbar. Die Lösung ist aus ökonomischen Überlegungen allerdings unzulässig.

Die ökonomisch zulässige Lösung kann zwar grafisch, nicht aber mit dem Lagrangeverfahren bestimmt werden.
Aufgabe Nicht-zulässige Lösung
Gegeben sei die Nutzenfunktion eines Individuums $$U(x_1,x_2) = (x_1 + a_1)(x_2 + a_2)$$ mit $a_1=10$ und $a_2=10$. Das Einkommen sei $E = 10$ und die Marktpreise $p_1 = 4, \ p_2 = 1$.
  1. Bestimmen Sie mit Hilfe der Lagrange-Funktion ein Haushaltsoptimum.
  2. Verdeutlichen Sie sich grafisch die Lösung.
  3. Analysieren Sie die Lösung. Bestimmen Sie grafisch eine zulässige Lösung. Untersuchen Sie dabei die Gültigkeit des zweiten Gossenschen Gesetzes.
  4. Nennen Sie - ohne ausführliche Berechnung - die Ergebnisse der vorstehenden Teilaufgaben für $p_1=1$ und $p_2=4$.

a. Wie in Aufgabe Verschobene Cobb-Douglas Funktion gezeigt wurde, gilt $$x_1 = \frac{E-p_1a_1 + p_2a_2}{2p_1}$$ $$x_2 = \frac{E-p_2a_2 + p_1a_1}{2p_2}$$ Für die Werte der Aufgabe ergibt sich \begin{eqnarray*} x_1 &=& \frac{10-4\cdot10+1\cdot10}{2\cdot4} = - \frac{20}{8} = -2,5\\ x_2 &=& \frac{10-1\cdot10+4\cdot10}{2\cdot1} = \frac{40}{2} = 20 \end{eqnarray*} b. Die Indifferenzkurven der Nutzenfunktion sind gegeben durch $$x_2 = \frac{U}{x_1+a_1} - a_2$$ In nebenstehender Abbildung sind Indifferenzkurven und die Budgetgerade eingezeichnet. Bei $x_1 = -2,5$ und $x_2 = 20$ ergibt sich ein Tangentialpunkt.
  Unzulässiges Optimum

c. Die Lösung ist nicht zulässig, da negative Güternachfrage nicht möglich ist. Ein zulässiges Haushaltsoptimum liegt bei $x_1 = 0$, $x_2 = 10$ (Punkt y in der Abbildung). Dort wird auf der Budgetgerade die höchste Indifferenzkurve im zulässigen Bereich $x_1 \ge 0$, $x_2 \ge 0$ erreicht. Dieses Haushaltsoptimum ist ein Randpunkt. In diesem Randpunkt schneidet die Budgetgerade die Indifferenzkurve. Es gilt also $$\frac{dx_2}{dx_1} \ne - \frac{p_1}{p_2}$$ und damit $$\frac{\partial U/\partial x_1}{\partial U/\partial x_2} \ne \frac{p_1}{p_2}$$ Das zweite Gossensche Gesetz gilt also nicht in diesem Punkt. Das zweite Gossensche Gesetz kann allerdings durch Verallgemeinerung 'repariert' werden: Aus der obigen Abbildung kann abgelesen werden, dass im zulässigen Optimum (also am Rand des zulässigen Bereichs) gilt: \begin{eqnarray} \hbox{Steigung Indifferenzkurve } (-2) &>& \hbox{ Steigung Budgetgerade } (-4 )\nonumber \\ \frac{dx_2}{dx_1} &>& - \frac{p_1}{p_2} \nonumber\\ -\frac{dx_2}{dx_1} &<& + \frac{p_1}{p_2} \nonumber\\ \frac{\partial U/\partial x_1}{\partial U/\partial x_2} &<& \frac{p_1}{p_2} \nonumber\\ \label{eq:82}\frac{\partial U/\partial x_1}{p_1} &<& \frac{\partial U/\partial x_2}{p_2} \qquad (+) \end{eqnarray} Üblicherweise argumentiert man folgendermaßen:
Die Beziehung (+) kann kein Haushaltsoptimum sein, da eine (marginale) Geldeinheit bei der Verwendung für Gut 1 einen geringeren Nutzen als bei Verwendung für Gut 2 hat. Umschichten der Ausgaben von Gut 1 zu Gut 2 würde also den Nutzen erhöhen. Diese Argumentation setzt allerdings voraus, dass Mittel überhaupt umgeschichtet werden können; in einer Randlösung wie hier ist das nicht möglich.
Somit besteht die 'Reparatur' des zweiten Gossenschen Gesetzes in der folgenden Interpretation: Ein Individuum tauscht so lange das Gut mit dem geringeren Grenznutzen pro Geldeinheit gegen das Gut mit dem höheren Grenznutzen pro Geldeinheit bis (in der grafischen Darstellung des Problems befindet sich das Individuum dann am Rand einer zulässigen Lösung).
d. Es ergibt sich eine nicht zulässige Lösung bei $x_1=20$ und $x_2= -2.5$. Die zulässige Lösung liegt bei $x_1=10$ und $x_2= 0$ Es gilt dort: $$\frac{\partial U/\partial x_1}{\partial U/\partial x_2} > \frac{p_1}{p_2}$$
Fassen wir die Ergebnisse dieser und der letzten Aufgabe größenordnungsmäßig zusammen, so ergeben sich - je nach Nutzenfunktion und Budgetbedingung - folgende alternative Möglichkeiten:
  1. eine Lösung im Inneren des zulässigen Bereichs mit $x_1>0$ und $x_2> 0$ und   $\frac{\partial U/\partial x_1}{\partial U/\partial x_2} = \frac{p_1}{p_2}$
  2. eine Lösung am Rand des zulässigen Bereichs mit $x_1=0$ und $x_2> 0$ und     $\frac{\partial U/\partial x_1}{\partial U/\partial x_2} \leq\frac{p_1}{p_2}$
  3. eine Lösung am Rand des zulässigen Bereichs mit $x_1>0$ und $x_2= 0$ und     $\frac{\partial U/\partial x_1}{\partial U/\partial x_2} \geq \frac{p_1}{p_2}$
In der nächsten Aufgabe werden die Änerungen analysiert, die sich durch die Einführung einer zusätzlichen Nebenbedingung ergeben.