Buchrezension: Wolkenläufer

BuchdetailsWOLKEN

Titel: Wolkenläufer

Autor: Angela Köckritz

Erscheinungsjahr: 2015

Seiten: 304

Verlag: Droemer HC

ISBN: 3426276549

Preis: 19,99€

 

Ãœber die Autorin:
Angela Köckritz absolvierte das Studium der Politik, Sinologie und Kunstgeschichte in München und in Taiwan. Seit 2007 ist sie als Journalistin bei der ZEIT tätig. 2011 bekam sie die Möglichkeit, als Ostasien-Korrespondentin nach Peking zu fliegen und das Leben in China kennenzulernen. Als sie 2015 nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie mit dem Preis „Merics China Media Award für herausragende und differenzierte China-Berichterstattung“ ausgezeichnet. Ihr erstes Buch „Wolkenläufer“ war so ein großer Erfolg, das es sogar ein Jahr später auf Chinesisch übersetzt wurde. Köckritz arbeitet heute noch als Redakteurin der ZEIT in der Abteilung für Politik.

 

Meine Motivation:
Bei der Wahl nach einem geeigneten Buch für meine Buchrezension war es mir wichtig, ein Buch zu finden, das keine reinen Fakten über China aufzählt, sondern aus erster Hand über das Leben dort berichtet. Über Amazon bin ich auf „Wolkenläufer“ von Angela Köckritz gestoßen. Die vielen positiven Rezensionen und der vielversprechende Klappentext überzeugten mich letztendlich, dieses Buch zu lesen. Ich erhoffe mir, ein besseres Verständnis über China, die Kultur und Geschichte zu verschaffen, bevor ich mein Auslandssemester in das für mich fremde Land antrete.

 

Aufbau des Buches:
Bei dem Buch von Angela Köckritz handelt es sich um ein literarisches Tagebuch, welches in zwölf Kapitel unterteilt ist. Jedes einzelne Kapitel beginnt mit einem Zitat von einem ausgewählten chinesischen Sprichwort, das Bezug auf die jeweiligen Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen in China nimmt. Die Kurzportraits über die Chinesen reichen vom „Wandersänger“ über „der Hochstapler“ “ bis zum „Die Bürgerrechtsanwältin“. Köckritz gibt des Weiteren auch wichtige Informationen über das Alltagsleben in China, berichtet über ihre eigenen Erfahrungen und Veränderungen im Land, welche sie im Laufe ihres Aufenthalts wahrgenommen hat. Die Autorin ermöglicht dem Leser einen ganz anderen Blick auf das Reich der Mitte und vergleicht diesen mit dem Leben in Deutschland, um den Leser hauptsächlich die Unterschiede zwischen den beiden Ländern besser zu verdeutlichen.

 

Inhalt:
Angela Köckritz bekommt die einmalige Gelegenheit, durch ihren langjährigen Aufenthalt in Peking individuelle Menschen und ihre besonderen Lebensweisen kennenzulernen. Sie begibt sich bewusst auf eine Reise durch das ganze Land, um herauszufinden, welche Träume, Wünsche und Perspektiven die Chinesen verfolgen. Die Menschen, die Köckritz auf ihrer Reise trifft, erzählen ihr von ihren Ängsten, Sehnsüchten und Leidenschaften. Egal ob der Wandersänger, der Hochstapler oder die Bürgerrechtsanwältin, sie alle haben ihr eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen.

Köckritz thematisiert den Generationsbruch zwischen den älteren und jüngeren Menschen in China. Während die Älteren in Armut aufwuchsen und das maoistische China, die Kulturrevolution und die internationale Isolation erlebten, wuchsen die Jüngeren in einem ganz anderen Zeitalter auf, welches durch die Einkindpolitik gekennzeichnet ist. Die Einzelkinder galten als das Augapfel der Familie, in die viel Energie und Geld investiert wurde, damit die ehrgeizigen Eltern sie mit Stolz präsentieren konnten. Das Problem zwischen der älteren und jüngeren Generation schildert Köckritz anhand ihrer Begegnung mit Zhang Yide in Nanchang, der Provinzhauptstadt von Jiangxi. Yide ist 28 Jahre alt und absolvierte ein Maschinenbaustudium, doch ist er dem Beruf des Ingenieurs nicht nachgegangen. Heute zieht er von Stadt zu Stadt und tritt als Sänger vor sehr kleinen Publika auf, um sein Geld zu verdienen. Nach jedem Auftritt kommt er nach Hause zu seinen Eltern und vermittelt ihnen den Eindruck als hätte er nie gekündigt, da er hat Angst hat, sie zu enttäuschen. Während seine Eltern viel mehr Wert auf Geld legen, strebt Yide eher nach Selbstverwirklichung. Sein Traum ist es einmal vor 50 Personen ein Konzert zu geben. Die Annahme der Chinesen von einer anderen Identität begründet die Autorin mit dem Wirtschaftsboom in China, der neue Chancen für die Menschen mit sich bringt. Auch der 59-jährige Zhao Xiyong – seine richtige Identität ist bis heute nicht bekannt – gibt sich als einen Beamten der Kommunistischen Partei aus, der er in Wirklichkeit gar nicht ist. Drei Jahre lang nimmt er den Ehrenplatz auf Banketten, hält Reden auf vielen wichtigen Veranstaltungen im Land und besichtigt Kindergärten und Tourismusprojekte. Seine Fantasierolle fliegt auf, als der Staatsrat bekannt gibt, dass er keinen Leiter des Forschungsbüros unter dem Namen Zhao Xiyong beschäftigt. Der Grund, dass seine falsche Identität lange Zeit nicht auffällt, liegt daran, dass die Menschen seinen hohen Rang in der Regierung nicht anzweifeln. Köckritz begründet dies mit dem System der Beamtenhörigkeit. Die Chinesen haben Angst sich kritisch über die Handlungen der Regierung zu äußern, da sie überwacht werden und folglich bestraft werden können.

Dass die Regierung auch einen sehr großen Einfluss auf die Identität der Menschen haben kann, schildert Köckritz durch ihr Treffen mit einer Bürgerrechtsanwältin. Ni Yulan ist Anwältin und vertritt die Rechte der Menschen, die aus ihren eigenen Häusern aufgrund von teuren Bauprojekten vertrieben wurden. Ihr Engagement wird ihr schließlich zum Verhängnis, denn sie wird mehrfach inhaftiert und selbst Opfer von Gewalt. Als sie einst den Fall eines Falun-Gong Anhängers übernehmen und seine Rechte verteidigen will, wird ihr sogar die Anwaltslizenz entzogen. Die Polizisten schlagen sie zusammen und Ärzten wird verboten, sie zu behandeln. Aufgrund vernachlässigter Behandlungen und Folgen ihrer Verletzungen sitzt Yulan heute in einem Rollstuhl. Sie wird sogar nach ihrer Freilassung von ihrem eigenen Haus vertrieben und lebt eine Zeit lang mit ihrer Familie auf der Straße, bis sie letztendlich eine kleine Mietwohnung finden. Die Autorin erinnert sich im Fall von Yulan an die Zeit, in der Xi Jinping im Jahre 2013 zum Staatspräsidenten der Volksrepublik China ernannt wurde. Menschen hatten Hoffnung in ihm, dass er politische Reformen in den Gang setzen würde, doch es hat sich nach einer kurzen Zeit herausgestellt, dass sie sich in ihm getäuscht hatten. Xi Jinping geht noch viel radikaler als seine Vorgänger vor, denn wegen ihm müssen unschuldige Anwälte wie Yulan, oder auch Journalisten, Dichter und Regisseure ins Gefängnis. Die Härte des Staatspräsidenten bekommt die Autorin ebenfalls zu spüren als die Polizei im Oktober 2014 ihre Assistentin Zhang Miao während einer Dichterlesung zur Unterstützung von Demonstrationen über die freien Wahlen in Hongkong inhaftieren. Ihr wird vorgeworfen, öffentlichen Ärger zu erregen. Erst neun Monate nach ihrer Verhaftung wird sie entlassen. Köckritz wird klar, dass China eine gefährliche Lage für ausländische Journalisten darstellen kann, und entscheidet sich deshalb nach vier Jahren Aufenthalt das Land zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren.

 
Fazit:
In ihrer Korrespondentenzeit erlebt Angela Köckritz positive als auch negative Erfahrungen, die sie in ihrem Buch detailliert aufs Papier bringt. Sie lernt viele verschiedene Chinesen kennen, die ihre ganz persönlichen und rührenden Geschichten erzählen. Durch die Erzählungen in der Ich-Perspektive der Autorin fühlte ich mich als ein Teil der Geschehnisse und bekam dadurch eine bessere Vorstellung dieser Begebenheiten. Einige Geschichten zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht, manche wiederum machten mich traurig. Das Ende des Buches regte mich sogar zum Nachdenken an und mir wurde bewusst, dass man wie im Fall von Miao nicht überall seine Meinung frei äußern sollte. Umso mehr war ich erstaunt darüber, dass das Buch trotz der scharfen Kritik von Köckritz den China Media Award für herausragende und differenzierte China-Berichterstattung bekam, und auf Chinesisch übersetzt wurde. Das heißt, dass das Buch auch trotz Kritik an der Regierung sehr gut in China akzeptiert wurde.
Das Buch hat mir geholfen, viel allgemeines und kulturelles Wissen über das Land anzueignen. Ich kann „Wolkenläufer“ jedem ans Herz legen, der mehr über Chinas Geschichte und Politik erfahren möchte. Zudem kann man sich durch reichlich viele Informationen über die Gewohnheiten und Lebensweisen der Chinesen das Alltagsleben in China besser vorstellen.

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