Buchrezension: Chinas Bosse – Unsere unbekannten Konkurrenten

Buchrezension: Chinas Bosse

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  • Titel: Chinas Bosse – Unsere unbekannten Konkurrenten
  • Autor: Wolfgang Hirn
  • Erscheinungsdatum: 15.02.2018
  • Verlag: Campus-Verlag
  • Seiten: 284
  • ISBN: 978-3-593-50874-0
  • Preis: 26,00 €

Motivation

Wenn heute irgendeine Zeitung das Milliarden-Land China thematisiert, schmücken Beschreibungen wie „führendes Wirtschaftsland der Erde“, „digitale Supermacht“ oder „Eckpfeiler der Zukunftsindustrien“ die Schlagzeilen. Im Rahmen des Literaturforums vom ASBE-Programm war meine primäre Zielsetzung wichtige Eindrücke über China in wirtschaftspolitischer Hinsicht, seinen größten Unternehmen und den in Europa noch sehr unbekannten Schüsselpersonen hinter den Megakonzernen zu gewinnen, um somit auch eine direkte Querverbindung zum Studiengang herzustellen. Das Buch „Chinas Bosse – Unsere unbekannten Konkurrenten“ von Wolfgang Hirn bot demnach aufgrund seiner Aktualität und dem umfangreichen Informationsgehalt die perfekte Basis.

Autor

Wolfgang Hirn, geboren 1954, studierte Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften an der Universität Tübingen. Nach zahlreichen Stationen als Wirtschaftsredakteur arbeitet er seit vielen Jahren als Reporter beim manager magazin in Hamburg. Hirn lebte in Brüssel, New York, Beijing und Shanghai. Seit 1986 reist er regelmäßig nach China und konnte den wirtschaftlichen Aufstieg dort mit eigenen Augen verfolgen. In Deutschland wird er als einer der wichtigsten China-Experten gehandelt. 2008 erhielt er für seinen Artikel über „Superkapitalismus“ und Demokratie den Helmut-Schmidt-Journalistenpreis. Zudem ist er der Autor der Bestseller „Herausforderung China (2005)“, „Angriff aus Asien (2007)“ und „Kampf ums Brot (2009)“.

Inhalt

Das Buch beinhaltet insgesamt sieben Kapitel. Nacheinander bringt Hirn die typischen Eigenschaften chinesischer Manager, die Staatskonzerne mit ihrer politischen Agenda, die großen Privatunternehmen, die Einkaufsliste der Neureichen in China im Ausland, den Angriff chinesischer Internetgiganten auf Facebook oder auch Google und die Zukunftsindustrien dem Leser näher. Schließlich rundet er sein Werk mit Handlungsempfehlungen an Europa gegen den neuen Konkurrenten aus dem Fernen Osten ab. Die Daten und Fakten sind meistens Aussagen aus erster Hand. Um dem Leser einen klaren Überblick zu verschaffen, hebt Hirn am Ende jedes Kapitels die wesentlichen Informationen mit einem kurzen Fazit noch einmal hervor.

Zusammenfassung     

Die sieben Kapitel lassen sich generell in drei Abschnitte unterteilen:

  1. Die Entstehung des Unternehmertums im staatlichen- und privaten Sektor,
  2. Die unermesslichen Zukunftsabsichten der Konzerne
  3. Die Lektionen für Europa

Im ersten Abschnitt betont der Autor, dass es den allgemeinen chinesischen Manager nicht gibt. Chinas Bosse sind vielmehr eine bunte Mischung aus sehr unterschiedlichen Personen und Persönlichkeiten. Auf der einen Seite gibt es die älteren Gründer, die die Aufruhen während der Kulturrevolution erlebt haben und anschließend mit den Reformen aufgewachsen sind. Meistens sind es Selfmade-Millionäre, welche mit harter Arbeit den ärmlichen Verhältnissen aus Kindheit und Jugend entkommen sind. Auf der anderen Seite bilden die jungen Entrepreneure der Gegenwart eine weitere Gruppe. Diese kennen nur das boomende China und nutzen jede Möglichkeit aus, um ihr Reichtum zu erhöhen. Oft sind diese Gründer in den Eliteuniversitäten der USA ausgebildet worden. Zu guter Letzt gibt es die Bosse der Staatsunternehmen. Diese sind Funktionäre des Staatsapparats und pendeln dauerhaft zwischen der politischen und wirtschaftlichen Welt hin und her. Sie sind nicht korruptionsfrei. Innerhalb der Staatswirtschaft gibt es verschiedene Konstellationen: Monopole, Duopole, Oligopole und auch gegenseitige Konkurrenz. In der Tabakindustrie dominiert z.B. China Tobacco als Monopolist den gesamten Markt. Den Banken-, Luftfahrt-, Telekom und Energiesektor dominieren jeweils paar Staatsunternehmen, welche sich keine ernsthafte Konkurrenz machen. Im Handel, in der Logistik oder in der Internetwelt sind Staatsfirmen nicht präsent. Auch wenn die Staatsunternehmen an Gewicht verlieren, werden sie auch in Zukunft im großen Umfang bestehen bleiben. Dies ist die Anordnung des Präsidenten Xi Jinping. Des Weiteren geht es in diesem Abschnitt um die größten Privatkonzerne, wie Huawei, Haier, Hisense und Lenovo. Deren interessante Entstehungsgeschichten werden zusammengetragen. Viele der ansässigen Konzerne wird man in Europa erst in den nächsten Jahren kennenlernen, da China verspätet in den globalen Wettbewerb eingestiegen ist. Vorher muss ein sehr großer und umkämpfter Heimatmarkt bedeckt werden. Ein langwieriger Prozess ist zu erwarten, weil Markenbildung viel Zeit in Anspruch nimmt und China sein negatives Billigimage abstreifen muss. Da Chinas private Unternehmen sich immer mehr an Know-How und Marktanteilen fokussieren, werden die Beteiligungen an Übernahmen von Unternehmen im Westen weiter zunehmen. Jedoch regt sich in einigen westlichen Ländern zunehmender Widerstand dagegen.

Der zweite Abschnitt startet mit der Einkaufsliste der Neureichen aus China. Im Vordergrund stehen Hotels, Immobilien, Weinfelder, Edelwhisky, Grundstücke und europäische Fußballclubs. Im Buch ist von „Beine (Fußball), Weine (Weinfelder) und Steine (Hotels und andere Immobilien)“ die Rede. Nichtsdestotrotz werde hier erst einmal eine Phase der Konsolidierung eintreten. Grund dafür ist, dass die chinesische Führung irrationale Investitionen ablehnt und vehement dagegen einschreitet. In der Internetwelt steht der globale Vormarsch der beiden großen Konzerne Alibaba und Tencent erst am Anfang. Mittelfristig sollen diese die Dominanz der amerikanischen Großfirmen Amazon, Facebook und Google attackieren. Überlegene technologische Systeme haben die Chinesen bereits. Die Zeichen der Zeit scheinen sich in naher Zukunft umzukehren, da der Vorsprung des Westens gegenüber China immer mehr schrumpft. Gerade bei Zukunftstechnologien, wie z.B. Elektromobilität, künstlicher Intelligenz oder auch Gentechnik hat China einen Wettbewerbsvorteil, zumal eine erfolgreiche staatliche Industriepolitik betrieben wird, die diese zukunftsorientierten Segmente mit hohen Beträgen finanziell unterstützt. Außerdem hat sich in China in den vergangenen Jahren eine sehr innovative Start Up-Szene entwickelt, die mittlerweile schon fast vergleichbar ist mit der im Silicon Valley.

Im dritten Abschnitt gibt Wolfgang Hirn Handlungsempfehlungen an Europa. Insbesondere Deutschland solle mit einigen Großnationen kooperieren, um die strategischen Interessen in Europa zu verteidigen und den Ausverkauf von europäischer Expertise zu reduzieren. Es sei eine Aufgabe der EU-Kommission chinesische Investitionen unter Bezugnahme des Rahmens zu überprüfen. Da oftmals europäische Hafen, Teile der Energie-Infrastruktur oder auch Unternehmen der Verteidigungstechnologie aufgekauft werden, vermehren sich zunehmend die Befürchtungen, dass die Kommunistische Partei unter dem Deckmantel der Unternehmen operiert. Laut Hirn ist es Zeit für eine europäische Industriepolitik. Deutschland als Exportland dürfe es sich nicht erlauben abseits zu stehen, während China als Konkurrent eine erfolgreiche Technologiepolitik betreibt.

Fazit

Wolfgang Hirn gelingt es mit seinem Buch die wirtschaftliche Landschaft in China zu beschreiben und die Zusammenhänge zwischen staatlicher Kontrolle und privatem Eifer sichtbar zu machen. Keines der privaten Unternehmen kann ohne die politische Zustimmung aufsteigen oder gar in das Ausland investieren. Sein Buch dient als Weckruf für Europa und insbesondere Deutschland. Er verlangt, dass man genauer auf das Reich der Mitte hinschaut und nicht in selbstzufriedener technologischer Überlegenheit wiegt. Denn was in China aktuell entsteht, geht weit über einzelne Unternehmen hinaus. Ein Kollektivgebilde im Zusammenspiel von Politik und Unternehmen holt technologisch den Westen langsam aber sicher auf und hat es auf die Branchen eingesehen, in denen Europa und die USA den Weltmarkt dominieren. China wird in der Gestaltung der digitalen Zukunft ein entscheidendes Wort mitreden.

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