Buchrezension: Meine Flucht aus Nordkorea

Buchdetails

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Buchcover

Titel: Meine Flucht aus Nordkorea

Originaltitel: In Order to Live

Autor: Yeonmi Park

Erscheinungsjahr: 2016 (3. Auflage)

Verlag: Goldmann Verlag

Umfang: 320 Seiten

ISBN: 978-3442159130

Preis: 9.99€

 


 

Die Autorin

Yeonmi Park wurde 1993 in Hyesan, Nordkorea, geboren und entstammt einer gebildeten und politisch angesehenen Familie. Aufgrund der großen Wirtschaftskrise und damit einhergehenden Hungersnot in den 1990er Jahren wendeten sich ihre Eltern dem Schwarzmarkthandel zu, um das Überleben der eigenen Familie sicherstellen zu können. Gegen Ende des Jahres 2002 wurde der Vater wegen Schmuggels in ein Arbeitslager eingewiesen, wodurch sich die Lage und insbesondere der Ruf der Familie drastisch verschlechtert hatten. In dieser ausweglosen Situation beschloss die Familie, die Flucht aus Nordkorea zu wagen. Im Jahre 2007 gelang die Flucht nach China, dort angekommen fiel sie jedoch in die Hände von Menschenhändlern. Nach einer zwei Jahre langen Odyssee schaffte sie mit ihrer Mutter die Flucht durch die Wüste Gobi in die Mongolei, von dort aus sie nach Südkorea und in die Freiheit überwiesen wurde.

Derzeit lebt Yeonmi Park in New York, wo sie ein Studium absolviert und bei der UNO als Menschenrechtsaktivistin tätig ist. Große Bekanntheit erlangte sie noch vor Veröffentlichung ihres Buches mit Aufsehen erregenden Reden über ihre Lebensgeschichte, beispielsweise beim „One Young World Summit“ in Dublin, dem „Oslo Freedom Forum“ oder „TEDx“ in Bath.

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Die Schwester Eunmi, die Mutter und Yeonmi (v.l.n.r.) wiedervereint in Seoul

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Yeonmi auf der One Young World Summit (Dublin)

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Inhalt und Gliederung

Das Memoire von Yeonmi Park ist in drei große Hauptabschnitte unterteilt, welche die verschiedenen Phasen ihrer Flucht repräsentieren – Nordkorea, China und Südkorea. Des Weiteren befindet sich zu Beginn des Buches neben einem Vorwort, in dem sie ihre Gründe für das Niederschreiben ihrer Lebensgeschichte offenlegt, eine Weltkarte des Großraums Ostasien, mithilfe deren man die verschiedenen Stationen ihrer Flucht nachverfolgen kann. In der Mitte des Buches findet man mehrere Seiten von Originalfotografien der Familie auf speziellem Fotopapier, die jeweils mit einer kurzen Bildunterschrift näher erläutert werden.

Ihre Familie lebte nach Yeonmis Geburt in Hyesan im nördlichen Teil Nordkoreas unter sehr einfachen, für Nicht-Koreaner gar als ärmlich zu bezeichnenden Verhältnissen. Ihr Vater entstammte einer Familie von Militärs mit guten politischen Verbindungen. Da seine Familie jedoch in Verruf geriet, sah er sich gezwungen, im Schwarzmarktgeschäft tätig zu werden. Auf einer Geschäftsreise lernte er Yeonmis Mutter kennen. Auch ihre Familie war in Ungnade gefallen und gehörte einem niederen songbun an. Da eine Heirat meist nur mit einer anderen Person gleichen sozialen Ranges vollzogen werden konnte, arrangierten die Großeltern die Hochzeit der beiden. Nach der Heirat führten sie ein gutes Leben in Hyesan und brachten zwei Mädchen zur Welt, Eunmi und Yeonmi. Als jedoch Mitte der 1990er Jahre eine schwere Hungerkrise das Land überfiel, mussten die Eltern ihre Tätigkeiten auf dem Schwarzmarkt intensivieren und größere Risiken eingehen. Im Jahr 2002 wurde der Vater in Pjöngjang verhaftet und in ein Arbeitslager überwiesen. Als dieser nach Jahren überraschenderweise zurückkehrte, wurde der tägliche Kampf ums Überleben immer schwerer. Geprägt vom niedersten sozialen Rang und dem miserablen gesundheitlichen Zustand des Vaters war das Leben der Familie von ständigem Hunger und Todesangst geprägt. Der Wunsch einer Flucht aus Nordkorea wurde immer präsenter und so geschah es, dass mithilfe eines Schleusers zuerst Eunmi, ihr folgend Yeonmi und ihre Mutter die Flucht ergriffen. Der schwer kranke Vater blieb zurück.

In China angekommen fielen Yeonmi und ihre Mutter in die Hände eines Netzwerks aus Menschenhändlern und wurden in der Hierarchie aufsteigend weiterverkauft. Ein Glied dieser Kette, Hongwei, handelte mit Yeonmi aus, dass sie seine Geliebte wurde und ihn bei seiner Arbeit unterstütze, im Gegenzug dafür kaufte er ihre Mutter frei und überführte den Vater nach China. Dieser wurde bei einer Untersuchung in einem chinesischen Krankenhaus mit Krebs diagnostiziert und erlag kurze Zeit später seiner Krankheit. Als im Rahmen der olympischen Spiele 2008 in Beijing die chinesische Regierung vehementer gegen Menschenhändler vorging, wurde Hongweis Arbeit immer schwerer und riskanter. Als darüber hinaus Yeonmi nur knapp einer Entführung entkam, realisierte er, dass er nicht mehr für sie und ihre Familie sorgen konnte und gab sie frei. Per Zufall erfuhren Yeonmi und ihre Mutter von einer Möglichkeit, mithilfe christlicher Missionare die Flucht aus China in die Mongolei anzugehen, von wo aus nordkoreanische Flüchtlinge zumeist nach Südkorea überwiesen wurden. In der Obhut eines südkoreanischen Pastors erfuhren die beiden eine christliche Bekehrung als Vorbereitung auf die Flucht. Über Beijing führte man sie in eine abgelegene Stadt auf der chinesischen Seite der Wüste Gobi. Von dort aus mussten sie nachts zu Fuß weiter zur Grenze. Vorbei an Wachtposten und meterhohen Stacheldrahtzäunen schafften sie den gefährlichen Übergang in die Mongolei.

Nach einiger Zeit in einer Basis des mongolischen Militärs wurden Yeonmi und ihre Mutter nach Ulan Bator gebracht, um von dort aus nach Incheon zu fliegen. Der südkoreanische Geheimdienst nahm beide in Gewahrsam und brachte sie in ein Eingliederungszentrum südlich von Seoul, das sie auf ihr neues Leben in Freiheit vorbereiten sollte. Dabei mussten sie viele fundamentale Überzeugungen der nordkoreanischen Propaganda ablegen und grundlegende Fähigkeiten wie kritisches Denken, eigenständiges Handeln sowie zwischenmenschliche Emotionen neu erlernen. Nach der Zeit im Eingliederungszentrum wurde ihnen eine Wohnung in Asan zugewiesen, das südlich von Seoul liegt. Von auf ihrem Vater gründender Motivation getrieben betrieb Yeonmi größten Aufwand, um einen High-School Abschluss zu erwerben. Sie begann ein Studium des Polizeimanagements an der Dongguk Universität in Seoul und trat nebenbei in öffentlichen TV-Shows auf, um über die neu gewonnene Reichweite die Suche nach ihrer Schwester voranzutreiben.

Als sie im Auftrag eines freiwilligen christlichen Missionarsdienstes in Amerika unterwegs war, erhielt sie einen Anruf der Mutter, dass ihre Schwester Eunmi in Auffangzentrum in Südkorea aufgenommen wurde und die Familie somit wieder in Freiheit vereint war. Zum Ende des Buches hin beschreibt Yeonmi ihre Aktivitäten als Menschenrechtsaktivistin sowie diverse Auftritte und Reden, um dem nordkoreanischen Volke eine Stimme zu geben.

 


 

Fazit 

Yeonmi Parks Memoire „Meine Flucht aus Nordkorea“ gewährt einen sehr interessanten und für mich komplett neuartigen Blick auf das geheimste und undurchsichtigste Land der Welt. Zu oft wurde versucht, von außen auf das Innere Nordkoreas zu blicken, hier hingegen wird dem Leser ein Blick aus Inneren selbst gewährt. Durch die Erzählungen aus Yeonmis eigener Perspektive entsteht unmittelbare Nähe, die das Durchleben der vielen verschiedenen Emotionen ihrer ganz eigenen Lebensgeschichte sehr authentisch wirken lässt. Gleichermaßen dazu beitragend ist ihr noch junges Alter, das einen Vergleich zur eigenen Person ermöglicht.

Das Buch hat eine klare, dreiteilige Struktur und eine sinnige chronologische Erzählweise. Dabei erfährt der Leser nicht nur Yeonmis Lebensgeschichte, sondern findet sich mit viel weitreichenderen Themengebieten konfrontiert. Man erhält tiefe Einblicke in soziokulturelle Aspekte des Lebens und dem Wirken des Regimes in Nordkorea, aber auch in die Problematik des leider auch noch heute relevanten Themas des Menschenhandels und damit verbunden grundlegenden ethisch-moralischen Fragestellungen.

Ebenfalls positiv hervorheben möchte ich die am Anfang des Buches eingefügte Landkarte sowie die zahlreichen Originalfotografien auf speziellem Fotopapier in der Buchmitte. Beides ist durchaus hilfreich und wirksam darin, die Geschichte vollumfänglich und realistischer nachvollziehen zu können.

Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen, was sich insbesondere in der Tatsache widerspiegelt, dass ich es für in meinen Verhältnissen doch sehr kurzer Zeit gelesen und dabei tatsächliches Interesse an der Geschichte und weitreichenderen Thematik entwickelt habe. Für diejenigen, die es interessiert, werde ich zu Beginn der Rezension bereits erwähnte Rede von Yeonmi Park bei TedX in Bath verlinken, welche einen ersten Einblick in die Geschichte des Buches gewährt.

North Korean Defector | Yeonmi Park | TEDxYouth@Bath

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