Buchrezension “Please Look After Mom” von Kyung-Sook Shin

Buchdetails

Titel: Please look after Mom / Als Mutter verschwand / 엄마를 부탁해pleaselookaftermom

Autorin: Kyung-Sook Shin

Ãœbersetzung: Chi-Young Kim (2011)

Erschienen: 2009 (Original)

Seiten: 272 Seiten

Verlag: Vintage; Auflage: Reprint (2012)

ISBN: 978-030794897

Motivation

Auf der Suche nach einem Buch für das Literaturforum bin ich auf viele spannende Romane gestoßen.  Letzten Endes habe ich mich für dieses Buch entschieden, da mir die Kurzbeschreibung des Romans sehr gut gefallen hat und ich in die Welt einer typisch koreanischen Familie eintauchen wollte. Hierbei war mir wichtig, dass die Geschichte authentisch ist und von einer koreanischen Autorin verfasst werden soll. Des Weiteren habe ich vielversprechende Rezensionen über dieses Buch gelesen und somit war mir klar, dass ich einen Roman lesen wollte, der bewegend ist und mich emotional berührt.
Kritiker versprachen, dass dieser internationale Bestseller die Liebe und die Denkweise über die eigene Mutter drastisch ändern wird und ich wollte dieser Behauptung auf den Grund gehen. 

Autorin

Kyung-Sook Shin, geboren im Jahre 1963 in der Provinz Nord-Cholla, ist eine bekannte Schriftstellerin in Südkorea. In ihrer Kindheit und Jugend wuchs sie auf dem Land auf und absolvierte einen Abschluss auf der Mittelschule. Kyung-Sooks Familie konnte ihre schulische Weiterbildung nicht finanzieren, weswegen sie mit ihrem Cousin nach Seoul zog, um in einer Elektronikfabrik zu arbeiten. Dabei wurde sie als begabte Schülerin ausgesucht und hatte das Privileg, ihre schulische Laufbahn zu erweitern. Tagsüber arbeitete sie in der Fabrik und abends ging sie zur Schule. Währenddessen schrieb sie an ihren Geschichten. Dabei ist ihr klar geworden, dass sie die schriftstellerische Laufbahn einschlagen möchte und hat 1982 ihr Studium im Fach Kreatives Schreiben an der Kunstakademie in Seoul angefangen. 

Heute genießt sie als Schriftstellerin ein Millionenpublikum. „Please Look after Mom“ ist Kyung-Sooks erstes Buch, was auf Englisch und in weiteren 18 Sprachen übersetzt wurde und hat somit ihren internationalen Durchbruch erlangt. 

Für ihre Erzählbände und Romane hat sie bereits unzählige Literaturpreise erhalten und gewann 2011 mit ihrem Roman „Please Look after Mom“ auch als erste Frau den ‚Man Asian Literary Prize‘.

Handlung

Die Geschichte spielt sich in Südkorea ab. Hauptsächlich geht es um eine Frau namens Park So-nyo, die in der Metropole Seoul in der U-Bahn-Station verloren geht, woraufhin ihre Familie sich monatelang auf der Suche nach ihr machen. 

Das Buch lässt sich in vier Teile untergliedern:

1)Nobody Knows 2) I’m Sorry, Hyong-Chol 3) I’m Home 4) Another Woman 

Das Besondere hierbei ist, dass jedes Kapitel aus einer anderen Perspektive erzählt wird.

1)Nobody Knows

Das erste Kapitel wird aus der Sicht ihrer ersten Tochter Chi-Hon beschrieben. Diese ist eine international bekannte Schriftstellerin und ist daher viel unterwegs. Sie begibt sich am aktivsten auf die Suche nach ihrer Mutter, indem sie viele Plätze in Seoul absucht und Flyer verteilt. Hierbei tauchen einige Erinnerungen von ihrer Mutter auf: jahrelang hat sich ihre Mutter fürsorglich um die ganze Familie gekümmert, hat auf dem Feld gearbeitet und dafür gesorgt, dass die Kinder nie hungern mussten. Sie bemerkt nun, dass ihre Mutter immer nur das Beste für die Kinder wollte. Des Weiteren erinnert sie sich daran, dass ihre Mutter sie stets darum gebeten hat, Briefe vorzulesen und welche zu verfassen und realisierte ziemlich spät, dass ihre Mutter Analphabetin war. Früher hatte sie oft Kontakt zu ihrer Mutter gehabt, jedoch nahm dieser stetig ab, als sie anfing, viel beruflich unterwegs zu sein. Zudem macht sich Chi-Hon Vorwürfe, sich mit ihrer Mutter bei dem letzten Gespräch, bevor sie verschwand, gestritten zu haben. 

2)I’m Sorry, Hyong-Chol

Das zweite Kapitel wird aus der Sicht ihres ältesten Sohnes Hyong-Chol geschildert. Er war der Lieblingssohn von der verschwundenen Mutter. Hyong-Chol hat bereits eine eigene Familie, arbeitet nun in einer angesehenen Firma als Angestellter. Auch er sucht nach seiner Mutter in Seoul mit seiner Schwester Chi-Hon, doch vergebens. Während seiner verzweifelten Suche nach seiner Mutter schwelgt er in Nostalgie: Hyong-Chol wollte früher Staatsanwalt werden. Seine Mutter wollte, dass er seinen Traum verwirklicht und hat ihn dabei unterstützt, während seine Geschwister gezwungen wurden, ihr bei der Feldarbeit zu helfen. Letzten Endes ist er ‘nur’ ein Angestellter geworden und hat somit seine Mutter enttäuscht. Hyong-Chol hat sie als eine aufopfernde Person in Erinnerung: eine Mutter, die nachts nach Seoul zu ihrem Sohn fahren würde, um ihm wichtige Dokumente zu geben; eine Mutter, die darauf achtet, dass ihre Kinder stets etwas zu Essen im Magen haben, sie dabei aber selbst nichts Gescheites isst.

3)I’m Home 

Das dritte Kapitel wird aus der Sicht ihres Mannes beschrieben. Im Roman wird er als selbstsüchtig und unverantwortlich dargestellt. Nachdem er seine Frau in der überfüllten U-Bahn-Station verloren hat, fährt er auf das Land zurück und wartet zuhause auf seine Frau. Er macht sich Vorwürfe, dass er zu schnell in den Zug eingestiegen ist, ohne nach ihr umgesehen zu haben. Zudem plagt ihn nun sein schlechtes Gewissen, dass er es damals nicht wahrnehmen wollte, wie der Zustand seiner Frau sich zunehmend verschlechterte und er nichts gegen ihren Alzheimer unternommen hat. Ihm ist klar geworden, dass er 50 Jahre lang in seiner Frau nichts weiter als eine Versorgungsmaschine für die Familie gesehen hat und all dies, was sie für ihn und für die Kinder getan hat, als selbstverständlich genommen hat. Zu spät bemerkt er, dass er sie eigentlich geliebt hat.

4)Another Woman

Das letzte Kapitel wird aus der Perspektive der Mutter, Park So-nyo, geschrieben. Hierbei wird die jüngere Tochter aus der Familie ins Detail beschrieben. Sie ist dreifache Mutter, hoch gebildet und lebt in Seoul. So-Nyo kommentiert das Leben ihrer Tochter und ist anfangs gegen die Mutterschaft, da sie Angst hat, ihrer Tochter würden Chancen im Leben entgehen wenn sie sich als Mutter aufopfern muss. Am Ende des Kapitels zeigt sie jedoch, wie sehr sie ihre Tochter eigentlich geliebt hat.  

Fazit

Das Buch würde ich mit diesen drei Worten zusammenfassen: Herzzerreißend, spannend und intensiv. 

Eine bewegende Geschichte, wie eine Frau aus armen Verhältnissen versucht, ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Durch die Erinnerungen der Kinder an ihre Mutter entsteht ein facettenreiches Bild der Mutter. Es wird ersichtlich, was für eine einfache, jedoch starke Frau und liebevolle Mutter sie eigentlich war. Die Tragödie hierbei ist, dass die Suche nach der Mutter hoffnungslos erscheint. Sowohl ihre Kinder als auch ihr Mann konnten sich nicht von ihr verabschieden und ihr mitteilen, was sie ihnen wirklich bedeutet hat und wie sehr sie ihre Mutter und Frau geliebt haben.

„Please look after Mom“ kann ich nur wärmstens weiterempfehlen, da es sehr einfühlsam geschrieben worden ist und man sofort in den Bann gezogen wird. Die unterschiedlichen Blickwinkel der Familienmitglieder und die sprunghafte Erzählweise, wie die erwachsenen Kinder in der Gegenwart nach ihrer Mutter suchen und zeitgleich unzählige Momente mit ihrer Mutter Revue passieren lassen, machen Kyung-Sooks Roman besonders interessant. 

Zusätzlich bekommt man einen kleinen Einblick in die koreanische Gesellschaft. Es werden kontrastreiche Themen aufgegriffen wie das temporeiche Stadtleben vs. das Leben auf dem Land, das Genießen von höherer Bildung vs. Analphabetismus, das Leben einer traditionellen koreanischen Mutter vs. das Leben einer modernen und erfolgreichen Geschäftsfrau, sowie die alte Generation vs. die jüngere Generation. 

Ebenfalls wird der Leser/die Leserin dazu angeregt, darüber zu reflektieren, was für einen hohen Stellenwert die eigene Familie im Leben hat. Es wird suggeriert, dass man mehr Umsicht und Nachsicht mit der eigenen Familie haben sollte.

Schlussendlich kann ich sagen, dass das Buch mich zutiefst berührt hat! 

 

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