Buchrezension “Your Republic is Calling You” von Kim Young-ha

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Titel: Your Republic Is Calling You
Autor: Kim Young-ha
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Mariner Books, Boston
Umfang: 336 Seiten
ISBN: 978-0151015450
Sprache: Englisch
Preis: 14,99€


Motivation
Grundsätzlich gilt für mich, dass ein Buch mich in den Bann ziehen muss, damit ich es auch bis zum Ende mit voller Aufmerksamkeit verfolgen kann. Um eine ordentliche Rezension bieten zu können, habe ich mich daher für einen Roman und nicht für eine Biographie oder ein korea-spezifisches Sachbuch entschieden.

Ich habe bewusst einen koreanischen Autor ausgewählt, damit im Buch angesprochene Eindrücke und Begebenheiten auch authentisch an mich herangetragen werden. Im speziellen Fall von „Your Republic is Calling You“ erweckte auch das Format einer Echtzeit-Erzählung über 24 Stunden meine Aufmerksamkeit. Zusätzlich versprach der darin thematisierte Konflikt zwischen Norden und Süden eine politische Auseinandersetzung mit der Ländertrennung, die normalerweise von Koreanern (zumindest in Gegenwart von unbekannten Ausländern) vermieden wird. Besonders im Hinblick auf aktuelle Spannungen erhoffe ich mir dadurch Einblicke in die koreanische Sichtweise.


Der Autor
Kim Young-ha ist ein am 11. November 1968 in Hwacheon, Kangwon-Do nahe der nördlichen Grenze geborener Schriftsteller aus Südkorea. Sein Vater war ein Offizier des südkoreanischen Militärs, was ihn schon in frühem Alter von Ort zu Ort zog. Im Alter von 10 Jahren erlitt er eine Vergiftung durch Kohlenstoffmonoxid, was bis heute Erinnerungsverluste zur Folge hat.

An der Yonsei Universität studierte er später Betriebswirtschaftslehre, widmete sich währenddessen aber hauptsächlich koreanischer traditioneller Musik als seinem eigentlichen Studium.

Seine erste Veröffentlichung erfolgte im Jahr 1995 in der Zeitschrift Kyegan mit dem Werk „Betrachtung über dem Spiegel“. In den folgenden Jahren wurde er mit mehreren Literaturpreisen für sein Debüt-Werk ausgezeichnet. Weitere Preise folgten für später erschienene Werke, bis er 2008 seine Stelle als Dozent an der Korean National University kündigte, um sich voll dem Schreiben zu widmen. Heute lebt er in New York, schreibt nach wie vor Bücher und hat sogar die Verfilmung für das Kino zweier seiner Werke erwirkt.


Inhalt
Der hauptsächliche Protagonist, Kim Ki-yong, lebt seit 20 Jahren in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul und arbeitet dort als Importeur für ausländische Filme. Die zwei weiteren Sichtweisen des Romans erzählen die Erlebnisse seiner Frau Kim Ma-ri und seiner Tochter Kim Hyon-Mi. Was die beiden Frauen über Ki-yong jedoch nicht wissen, ist ein streng gehütetes Geheimnis: die erste Hälfte seines Lebens verbrachte Ki-yong in der Hauptstadt des nördlichen Bruders, Pjöngjang. Im sogenannten Liaison Office 130 wurde er zusammen mit drei weiteren Nordkoreanern von seinem Mentor zu einem Spion ausgebildet.

Die Handlung des Romans setzt morgens um 7 Uhr ein und führt den Leser in jedem Kapitel durch eine weitere Stunde des schicksalhaften Tages. Ki-yong, Ma-ri and Hyon-mi beginnen den Morgen wie scheinbar jeden anderen, doch nachdem sich die Wege der drei nach dem Frühstück trennen, erlebt ein jeder von ihnen einen lebensverändernden Tag.

Erst ein mysteriöser Anruf, dann eine kryptische Email mit japanischen Haikus. Ki-yong ist sich nach der Entschlüsselung der Botschaft sicher: Das Liaison Office 130 hat Order 4 ausgesprochen – die sofortige Rückkehr nach Hause. Doch Ki-yong hat sich mit seinem beschaulichen Leben im Süden angefreundet und die erfundene Spionage-Persona hat sich inzwischen in sein reales Ich verwandelt, während sein früheres Ich längst vergessen wurde. Dazu kommt, dass er über 10 Jahre keine Kommunikation mehr von Pjöngjang erhalten hat. In ihm entbrennt der moralische Konflikt. Glaubt er noch immer an die Revolution aus dem Norden, an das „sozialistische Paradies“ seiner Kindheit? An die Ideale, die ihn einst in den Süden befohlen? Geht er „nach Hause“?

Seine Frau Ma-ri kämpft in der Zwischenzeit mit ihrem eigenen Konflikt. Gelangweilt vom ereignislosen Leben als Familienmutter und dem geheimniskrämerischen Ehemann an ihrer Seite hat sie sich einen halb so alten Liebhaber gesucht, der sie stetig an ihre Grenzen treibt und von ihr Handlungen fordert, die sie vielleicht gar nicht durchführen möchte.

Die Tochter des Haushalts, Hyon-mi, hat ihre eigene Tragödie zu erzählen. Während sie auf den ersten Blick wie unnötiges Drama von jugendlichen wirkt, greift Kim Young-ha auch in ihrer Erzählung das allumfassende Thema der Entscheidungen wieder auf und erläutert an ihrem Schmachten für ihren Schwarm wie selbst kleine Entscheidungen großen Einfluss auf einen haben können.

Es handelt sich bei ‚Your Republic is Calling You‘ nicht um einen typischen Thriller oder eine Actiongeschichte alá James Bond. Die einzelnen Kapitel und Erzählabschnitte sind von vielfältigen Rückblenden geschmückt, die das Leben im Norden und Süden beschreiben, vergleichen und hervorheben, die tragische Momente erklären und die von Liebe, Familie und dem Leben berichten. Die ganze Geschichte handelt schließlich weniger von dem Doppelleben und der Spionage, sondern davon, wie das Leben Wendungen nehmen kann, die keiner antizipiert.

Fazit
„Your Republic is Calling You“ bietet einen guten Einblick in den Alltag der Südkoreaner und umschreibt selbst die simple Frage nach einer Zigarette in gewissenhaftem Detail. Der Autor setzt sich zudem gesondert mit der Thematik Norden und Süden auseinander, wie schon in meiner Motivation erhofft. Positiv überrascht hat mich hier ganz klar, dass er nicht davor zurückschreckt, auch dem Norden positive Attribute zuzuordnen. Die Entwicklung von Vergangenheit zur Moderne wird über Rückblenden beleuchtet, die grundsätzliche Thematik der „Entscheidungen“ wird Schritt für Schritt über die einzelnen Erzählungen aufgeschlüsselt und findet ihren Höhepunkt in Ki-yongs Entscheidung sein Leben zurück zu lassen oder seine Vergangenheit aufzugeben.

Negativ muss ich hervorheben, dass die Übersetzung dem Inhalt des Buches definitiv keinen Gefallen tut. Abgehackte Sätze, die obendrein noch im ungewohnten Tempus Präsens aneinandergereiht sind, stören den Lesefluss ungemein und erlauben leider nicht, die teils doch recht spannenden Rückblenden und Erzählstränge vollends zu genießen. Allgemein sorgt die Form und der Satzbau des Romans dafür, dass einzelne Abschnitte miteinander verschwimmen und es unnötig schwer wird, die Handlung nun in die Vergangenheit oder Gegenwart einzuordnen.

Mir fehlte außerdem ein stärkerer Blick auf das moralische Dilemma der Hauptperson Ki-yong. Zwar wurde seine Entwicklung vom fanatischen Sozialisten aus dem Norden zum freiheitsliebenden Kapitalisten aus dem Süden angerissen, hätte meiner Meinung nach aber noch viel stärker in den Fokus gerückt werden können. Kim Young-ha wird im asiatischen Raum als „koreanischer Murakami“ gehandelt, was sich durchaus an Erzähltechniken, Thematiken und Szenen ableiten lässt. Ich finde es persönlich aber unnötig unnatürliche Sexszenen und Surrealismus in eine Geschichte zu zwängen, nur damit sie einem gewissen Genre zugeordnet werden kann.

Abschließender Kommentar
Grundsätzlich würde ich „Your Republic is Calling You“ leider keine Leseempfehlung aussprechen. Die schwache Übersetzung, die unnötigen Szenen mit „R rating“ und der fehlende Fokus auf den moralischen Konflikt des Protagonisten erzeugen dafür leider zu viele Schwachstellen, die eine ansonsten interessante und informative Geschichte leider nicht mehr auflösen kann. Trotzdem bewerte ich das Buch noch mit der Note ‚gut‘, denn einem Korea-Interessierten kann man es durchaus empfehlen.

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One Response to Buchrezension “Your Republic is Calling You” von Kim Young-ha

  1. Ünzile Gürsoy says:

    Hallo Lars,

    Ich werde zwar mein Auslandssemester in China verbringen, doch deine Buchauswahl und deine Rezension waren sehr ansprechend, deswegen möchte ich gerne einen Kommentar dazu abgeben. Der Roman den du ausgewählt hast thematisiert einen sehr prekären Konflikt, die Beziehungen zwischen Nord – und Südkorea. Ich persönlich finde dieses Thema auch sehr spannend. Wie auch du deine Auswahl begründest, finde ich es sehr interessant wenn man vor allem eine koreanische Sichtweise zu dem Thema erfahren kann. Als ich deine Rezension durchgelesen habe, erschien mir die Handlung des Romans wirklich als sehr fesselnd. Vor allem weil der Protagonist nordkoreanische Herkunft hat, aber sich ein Doppelleben als Spion in Südkorea aufgebaut hat. Man erhofft sich dadurch wirklich einen detaillierten Einblick in diese Spannungsbeziehung. Schade finde ich bei diesem Buchbeispiel aber dann das es mehrmals einen Perspektivenwechsel gibt. Du bemerkst ja auch, dass man kein moralisches Dilemma des Protagonisten spürt. Das wäre vielleicht ohne einen Perspektivenwechsel besser gelungen. Beim Lesen deiner Rezension hatte ich wirklich gedacht, dass du am Ende eine klare Buchempfehlung aussprechen würdest, vor allem weil die Thematik dieses Romans wirklich so spannend klingt. Es ist sehr schade zu erfahren, dass durch die Ãœbersetzung der Roman einen eher unangenehmen Leseeffekt gehabt hat. Dennoch, schön das du einen koreanischen Autor ausgewählt hast. Vielen Dank für deine Rezension.

    Liebe Grüße,
    Ãœnzile

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