Buchdetails                                                                             Â
Autorin: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Lisa See
Erscheinungsjahr: Â Â Â Â Â 2005
Verlag: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â C. Bertelsmann Verlag
Originaltitel: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Snowflower and the Secret Fan
Genre: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Historischer Roman
Seitenanzahl: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â 384
ISBN: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â 978-3-442-36757-3
Preis:                  9,99€
Motivation                                                                               Â
Bei meiner Recherche nach einem passenden Buch für das Literaturforum bin ich schnell auf die mehrfach ausgezeichnete Autorin Lisa See gestoßen, die in Bezug auf China viele Bücher – hauptsächlich Romane – geschrieben hat. Da ich wie die Autorin ebenfalls zwischen zwei verschiedenen Kulturen aufgewachsen bin, habe ich mich schon immer mit den kulturellen Unterschieden zwischen Europa und Asien auseinandergesetzt. Dabei entwickelte ich insbesondere für das asiatische Schönheitsideal eine große Faszination. Denn in einem Land wie z.B. China werden für die Schönheit und den gesellschaftlichen Aufstieg weitaus größere Schmerzen in Kauf genommen, als in der westlichen Welt bekannt ist. Ich bin zudem daran interessiert die Hintergründe gesellschaftlicher Konventionen, Sitten und Bräuche zu durchleuchten, die im heutigen Zeitalter in Vergessenheit geraten sind. Das Buch „Der Seidenfächer“ schien mir hierfür als geeignet, mehr über den grausamen Brauch des Füßebindens zugunsten eines etwa tausend Jahre lang anhaltenden Schönheitsideals zu erfahren. Die positive Online-Resonanz haben zudem großes Leseinteresse sowie die Hoffnung bei mir geweckt, ein anschauliches Bild über den Stellenwert und die Rolle der Frau im damaligen chinesischen Kaiserreich machen zu können.
Autorin                                                                              Â
Die Autorin des Buches Lisa See wurde am 18.05.1955 als Tochter US-amerikanischer Eltern in Paris geboren. Sie schloss ihr Studium mit dem Bachelor in Geisteswissenschaften an der Loyola Marymount Universität in                         Los Angeles ab und war danach 13 Jahre lang als Journalistin für verschiedene Magazine und Zeitschriften tätig. Als Kuratorin betreute sie mehrere Ausstellungen, die sich mit interkulturellen Beziehungen zwischen China und den USA beschäftigen. Ihr Urgroßvater väterlicherseits stammt aus China und kam als Hilfsarbeiter für den Bau des Transcontinental Railroad in die Vereinigten Staaten, wo er später als Patriarch von Chinatown Ruhm und Reichtum erlangte. Den Großteil ihrer Kindheit verbrachte sie bei ihren Großeltern in Chinatown (Los Angeles), weshalb sie sich früh mit ihren chinesischen Wurzeln auseinandersetzt.
Seither haben ihre familiären Hintergründe nicht nur einen großen Einfluss auf ihr Leben, sondern auch auf ihre Werke. Viele ihrer Bücher lassen nämlich auf ihre Verbundenheit mit ihren Wurzeln zurückführen, die sich bevorzugt mit Frauenfreundschaften, romantischen Liebesgeschichten und der Heimatliebe befassen. Dabei greift sie immer wieder historische Traditionen und Bräuche auf, die in der heutigen Gesellschaft in Vergessenheit geraten sind. Ihr erster Bestseller On Gold Mountain: The One Hundred Year Odyssey of My Chinese-American Family (1995), der von den Hintergründen und Umständen ihrer Familie seit der Auswanderung des Großvaters Fong See handelt, bescherte ihr den internationalen Durchbruch. Gemeinsam mit ihrer Mutter Carolyn See, die ebenfalls als Schriftstellerin arbeitet, hat sie Werke wie Lotus Land (1983), 110 Shanghai Road (1986) und Greetings from Southern California (1988) verfasst. 1995 erhielt sie den „Notable Book“-Preis der New York Times. Es folgten weitere Auszeichnungen wie „National Woman of the Year“ (2001) von der Organisation Chinesisch-Amerikanischer Frauen und im Herbst 2003 der „Chinese American Museum’s History Makers Award“.
Heute lebt Lisa See mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Los Angeles und arbeitet bereits an ihrem nächsten Werk The Tea Girl of Hummingbird Lane, das voraussichtlich 2017 veröffentlicht wird.
Buchinhalt                                                                               Â
China im 19. Jahrhundert während der Qing-Dynastie: Es herrscht das Kaiserreich Daoguang (1820-1850), bevor es mit dem Taiping Aufstand konfrontiert wird (1851-1864).                                                                                   Lilie wird 1823 mitten in dieser Zeit geboren und wächst als Tochter einer armen Bauernfamilie in einem kleinen Dorf namens Puwei in der Provinz Hunan auf. Das Buch erzählt in Lilies Perspektive die Geschichte von ihr und Schneeblume – zwei Frauen, die in einer Welt aufwachsen, in der Mädchen als eine Last gelten und einen geringen Stellenwert einnehmen. Der Roman ist in vier Lebensabschnitte unterteilt und beginnt mit dem Kapitel Stillsitzen, in dem Lilie als alte Witwe auf ihr Leben zurückblickt und die Geschichte einleitet. Nach der Geburt folgen die Tochtertage, die mit einer noch verhältnismäßig unbeschwerten Kindheit beginnen (Milchjahre), bevor die Füße gebunden werden und die Mädchen ihrem Schicksal ausgeliefert sind. Während Lilie mit ihrer elf-köpfigen Familie und den Nutztieren auf engstem Raum lebt, stammt Schneeblume aus dem reichsten Dorf im Landkreis Tongkou. Im Alter von sieben Jahren bekommen beide an demselben Tag mittels einer schmerzhaften Prozedur ihre Füße gebunden, um dem damaligen Schönheitsideal gerecht zu werden. Es stellt sich heraus, dass die beiden Mädchen sich in acht Zeichen übereinstimmen. Sie haben unter anderem nicht nur das gleiche Tierkreiszeichen (Pferd), sondern wurden auch am selben Tag und zur gleichen Stunde geboren. Lilie soll deshalb nicht wie üblich ein „Schwesternbund“ schließen, die lediglich bis zur Eheschließung anhält. Stattdessen wird ihr Schneeblume als Laotong zugesprochen, was ihren Wert als zukünftige Ehefrau steigern sollte. Laotongs sind Schwestern im Geiste, die sich ein Leben lang Treue schwören und deren Schicksale für alle Ewigkeiten miteinander verknüpft sind. Es entsteht eine emotionale und innige Verbundenheit zwischen den beiden Weggefährtinnen, die zur damaligen Zeit mit einer Beziehung zu einem Mann nicht zu vergleichen ist, da sie im Gegensatz zu einer Eheschließung freiwillig beschlossen wird. Dank der Geheimschrift nǚshū, die nur Frauen vorbehalten ist, können die Freundinnen miteinander kommunizieren, um ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen oder Gedichte und Lieder auszutauschen. Die Botschaften werden mit Pinsel und Tusche auf Papier oder einem Seidenfächer notiert, der zwischen ihnen hin und her wandert.                                                          In den Tagen des Haarehochsteckens arbeiten die jungen Frauen an ihrer Mitgift und werden für die bevorstehende Ehe vorbereitet. Lilie bekommt von ihrer Mutter bereits früh zu spüren, welche Opfer sie bringen muss, um eine gute Ehefrau zu werden. Der örtliche Wahrsager und die Heiratsvermittlerin prophezeien Lilie optimale Chancen, sich in eine höhergestellte Familie einzuheiraten. Der Grund dafür ist, dass die Beschaffenheit ihrer Füße sich besonders dafür eignet, die perfekten Lilienfüße zu formen. Mit 17 Jahren gehen beide eine Zwangsehe ein und nutzen ihre Geheimschrift, um in Kontakt zu bleiben. Wie es ihr prophezeit wurde, ehelicht Lilie einen wohlhabenden und gebildeten Mann. Sie schenkt ihm Söhne und steigt somit im Ansehen der Gesellschaft. Im Gegensatz dazu heiratet Schneeblume einen Metzger, die schlechteste Partie für eine Frau.                                                                                                Die Reis-und-Salz-Tage beinhalten den Alltag als Ehefrau und Schwiegertochter. Während Lilie hohe Akzeptanz bei ihren Schwiegereltern genießt, erlebt Schneeblume häusliche Gewalt und Fehlgeburten. In dieser Zeit – während des Taiping-Aufstandes – wachsen die beiden Weggefährtinnen noch enger zusammen und teilen jeglichen Leid und Schmerz. Auf eine tragische Art und Weise trennen sich jedoch die Wege der beiden für mehrere Jahre. Erst als Schneeblume unheilbar erkrankt, kommt es an ihrem Sterbebett zu einer Aussprache.
Das Ende des Buches knüpft an das Kapitel Stillsitzen und zeigt Lilie als Witwe, die allein vor dem Seidenfächer sitzt und den Verlauf der Dinge zutiefst bereut. Sie wirft sich vor, jahrelang blind gewesen zu sein, da sie sich zu sehr den Regeln und Konventionen ergeben hatte, weshalb der Laotong-Bund gescheitert ist.
Fazit                                                                                 Â
Mit dem Roman Der Seidenfächer ist es der Bestseller-Autorin gelungen, den Leser in eine andere Zeit zu versetzen, in der Frauen ihrem Schicksal hilflos ausgeliefert sind. Aufgrund der Tatsache, dass die Geschichte wie eine Autobiographie aus der Retrospektive erzählt wird, ist ein roter Faden deutlich erkennbar, der sich durch das gesamte Buch zieht. Direkt am Anfang des Buches bekommt man eine genaue Vorstellung davon, welche Demütigungen, Ungerechtigkeiten und Schmerzen Frauen damals erdulden mussten. Dabei greift die Autorin auf geschichtliche Fakten und das gesammelte Wissen über die damaligen gesellschaftlichen Konventionen zurück und verleiht der fiktiven Geschichte Lebendigkeit und Authentizität. So ist beispielsweise das Leiden der Mädchen in Bezug auf den Brauch des Füßebindens in einer derartig ausführlichen Weise beschrieben, dass man als Leser die qualvollen Schmerzen nachempfinden kann. Ich konnte mich somit sehr schnell in die Situation der Erzählerin Lilie versetzen, da einem ihre tiefen Gedanken und Gefühle komplett offen gelegt werden. Man bekommt als Leser eine Ahnung von ihren innerlichen Ängsten und Wünschen. Ferner erfährt man sehr viel darüber, was die besondere und einzigartige Beziehung zwischen Laotongs ausmacht, die sich eindeutig von der Liebe zu den Eltern, Schwiegereltern und den Ehemann abgrenzt. Des Weiteren wurden an vielen Stellen im Buch zu jeder Lebenssituation passende Sprichwörter platziert, die die vorherrschenden Ansichten reflektieren und bei dem Leser im Gedächtnis bleiben. Das Buch gewährt zudem tiefe Einblicke in verborgene Bräuche, die in der heutigen Zeit fast in Vergessenheit geraten sind. So war mir das Ritual des Füßebindens durchaus bekannt, jedoch hatte ich vorher noch nie von der Geheimschrift nǚshū gehört, die damals als Kommunikationsmittel unter Frauen praktiziert wurde. Lisa See spielt außerdem mit der metaphorischen und symbolischen Sprache, die die Fantasie des Lesers anregen und zusätzlich viel Spielraum für Interpretationen geben.
Ich würde das Buch durchaus weiterempfehlen, da Lisa See mit ihrer bildhaften Darstellung die Rolle der Frau sowie die Sitten und Bräuche sehr gut wiedergibt, die zur damaligen Zeit im chinesischen Kaiserreich üblich waren. Meines Erachtens schildert sie anhand der beiden Protagonistinnen Lilie und Schneeblume eindrucksvoll, wie nah Freud und Leid beieinander liegen können.
Hallo,
erst einmal vielen Dank für deine Rezension; ich fand, sie lässt sich hier gut lesen und auch bei deiner Präsentation hast du den Roman sehr schön vorgestellt, sodass man wirklich Lust auf’s Lesen bekommt.
Die Thematik des Buches an sich ist ja eher traurig, wobei dir Hintergründe es noch viel mehr sind. Die Geschichte über zwei Mädchen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die einander ja schon richtig „zugeteilt“ werden, um Freundinnen zu sein und die dann tatsächlich fast ein ganzes Leben an der Seite der anderen verbringen, ist schon sehr anrührend, obwohl diese Tradition einer quasi arrangierten Freundschaft ein wenig seltsam für den europäischen Leser anmutet. Dass die eine dann auch noch am Ende ihres Lebens das Resümee ziehen muss, dass der auf ewig gedachte Bund aus tragischen Gründen gescheitert ist, lädt ja eigentlich nicht gerade dazu ein, in der Geschichte zu versinken – aber du meintest ja, dass die Autorin die Geschichte so schön lebendig und authentisch erzählt, dass du die Lektüre empfehlenswert ist. Die gesellschaftliche Konvention des Füßebindens, die im alten China praktiziert wurde und ein wichtiges Element dieses Romans zu sein scheint, ist eine grausame Praxis, bei der wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können, dass so etwas einmal im Zeichen der Schönheit praktiziert wurde. Ich stimme dir aber zu, wenn du sagst, dass das asiatische Schönheitsideal ganz anders als das europäische ist und dort für die Schönheit viel mehr in Kauf genommen wird. Daher denke ich, dass man nicht immer versuchen muss, solche Praktiken zu verstehen oder nachzuvollziehen, aber man sollte sie als Teil der Geschichte und Kultur eines Landes anerkennen. Daher finde ich es um so wichtiger, dass durch Medien wie Romane dafür gesorgt wird, dass diese Bräuche nicht in Vergessenheit geraten und vor allem, was sie wirklich für die Betroffenen bedeutet haben. Lisa See hat das ja deiner Aussage nach sehr gut geschafft und ich denke, dass mehr Leute diese Art von historisch-kulturellen Büchern lesen sollten, um die Hintergründe eines Landes mehr zu verstehen. Dass das Buch offensichtlich ein Frauenroman ist, schreckt aber vielleicht viele interessierte männliche Leser eher ab, was ein wenig schade ist.