Buchrezension – Wilde Schafsjagd von Haruki Murakami

Allgemeine Informationen:413f6sK2yBL._SX314_BO1,204,203,200_

Titel: Wilde Schafsjagd

Originaltitel: 羊をめぐる冒険 (hitsuji o meguru bōken)

Autor: Haruki Murakami

Erscheinungsjahr: 1982
Deutschland: 1991

Seitenzahl:  299

Verlag: DuMont; 1. Aufl. 2005

ISBN: 3-8321-7899-6

Rezension: Sebastian M. (Vorstellung am 23.05.2016)

ACHTUNG: In der Rezension werden Teile der Geschichte erläutert, die einem eventuell die Spannung beim späteren lesen nehmen!

Motivation: Für das Literaturforum war mir nicht direkt bewusst, was für ein Buch ich lesen möchte und wie ich dieses am geeignetsten aussuche. Nach einer kleinen Recherche, habe ich viel Gutes über den Autor Haruki Murakami und über seinen besonderen Schreibstil gelesen. Dies hat mich neugierig gemacht, da alle bisherigen Rezensionen vom ASBE Literaturforum über Bücher von Haruki Murakami sehr positiv ausfielen. Das Buch „Wilde Schafsjagd“ wurde bis jetzt im Literaturforum nicht rezensiert, deshalb habe ich bewusst dieses Buch ausgewählt.

Zum Autor: Haruki Murakami wurde 1949 als Sohn eines buddhistischen Priesters in Kyoto geboren. Seine Mutter war die Tochter eines Kaufmanns aus Osaka. Seine Kindheit verbrachte Haruki Murakami in Kobe, einer Hafenstadt mit deutlich westlichen Einflüssen durch stationierte amerikanische Soldaten. Seine Eltern unterrichteten japanische Literatur in Kobe und führten ihren Sohn schon früh an die Literatur heran. In dieser Stadt entwickelte sich seine Vorliebe insbesondere für westliche Literatur. 1968 beginnt Murakami sein Studium der Theaterwissenschaften an der sehr renommierten Waseda Universität. Dort lernte er auch seine Frau Yoko kennen, die er nach dem Studium 1971 heiratete. Parallel zum Studium arbeitete er in einem Plattenladen, indem seine große Vorliebe zur westlichen Musik entsteht. Dieser Leidenschaft zur Musik treu geblieben, leitet Murakami von 1974 bis 1982 seine eigene Jazz-Bar „Peter-Cat“ in Tokio. Laut eigenen Aussagen, begann Murakami 1978 mit dem Schreiben. 1979 und 1980 erschienen seine ersten beiden Romane und ab 1982 konzentrierte er sich gezielt auf das Schreiben. Von 1991 bis 1995 lebte Murakami in den USA und arbeitete dort zuerst als Gastdozent und später als Professor bis er 1995 wieder zurück nach Japan ging, um sich nun völlig der Literatur zu widmen. Haruki Murakami hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem 2014 den Welt Literaturpreis und 2015 wurde er vom Time Magazine in die Liste der einflussreichsten Persönlichkeiten gewählt.

Als Autor finde ich Haruki Murakami besonders interessant aufgrund seiner einzigartigen und fesselnden Beschreibungen, die einen regelrecht in das Geschehen ziehen. Außerdem benutzt er eine sehr bildliche Sprache, die das Lesen sehr unterhaltsam macht. Sein Buch „Wilde Schafsjagd“ zählt zu seinen früheren Werken und ist schon 1982 in Japan erschienen. „Wilde Schafsjagd“ ist der erste Roman, der in deutscher Sprache 1991 auch in Deutschland veröffentlicht wird und zwar direkt aus dem japanischem übersetzt. Es spielt in einem modernen Japan, welches für mein bevorstehendes Auslandssemester besonders interessant ist, um einen Eindruck einer Innendarstellung eines japanischen Autors über Japan zu bekommen. Das Buch ist weder ein gesellschaftskritischer oder gar politikkritischer Roman, sondern Murakami lässt seine Hauptfigur gegen eine undurchsichtige und übermächtige Kraft antreten.

Inhalt:

Zu Beginn der Handlung wird der namenlose Protagonist vorgestellt und sein durchschnittliches Leben wird erläutert. Er ist 29, frisch von seiner Ehefrau geschieden und lebt in einem kleinen Apartment zusammen mit seiner Katze in Tokio. Er hört gerne Rockmusik, raucht, trinkt gerne Bier und hat eine Schwäche für besondere Frauen. Zusammen mit einem alten Freund führt er eine kleine Werbeagentur. Wir erfahren einige Anekdoten aus dem bisherigen Leben des Erzählers und irgendwann bekommt er einen merkwürdigen Brief von einem alten Freund namens „Ratte“. In dem Brief bittet ihn der Freund ein Foto von einer Schafsherde in einer seiner Werbeanzeigen zu verwenden. Kurz nach der Veröffentlichung, taucht ein Geschäftsmann bei ihm in der Firma auf, der ihn auffordert diese Anzeige sofort aus dem Programm zu nehmen, da auf der Abbildung ein besonderes Schaf zu sehen ist. Das unscheinbare Foto birgt ein Geheimnis: Es zeigt das Schaf mit dem Stern auf dem Rücken. Sein Auftraggeber, ein mächtiger und einflussreicher Mann aus dem Untergrund, liegt im Sterben und nur dieses bestimmte Schaf kann ihn retten. Der Geschäftsmann verlangt, dass der Erzähler sich auf die Suche nach diesem Schaf macht und er wird reichlich belohnt werden, wenn er innerhalb eines Monats erfolgreich ist. Sollte er scheitern, wird der Geschäftsmann dafür sorgen, dass sein Leben und seine Firma zerstört werden und er nicht mehr in der Gesellschaft Fuß fasst. Zusammen mit seiner neuen Freundin (mit besonders schönen Ohren) macht sich der Erzähler auf die Suche, quer durch Japan, nach dem Schaf.
Die Schafsjagd bringt ihn auf die Spur seines verschwunden Freundes „Ratte“ und führt ihn in die Einsamkeit der Berge von Hokkaido. Aber je näher er dem Schaf kommt, desto weiter scheint er sich von der Wirklichkeit zu entfernen. Schließlich findet er die verlassene Gegend, wo das Foto aufgenommen wurde und auch die Verbindung zu seinem alten Freund „Ratte“. Dennoch fällt es ihm schwer, rechtzeitig alle Puzzlestücke zusammenzusetzen und das Buch endet mit einem großen Knall.

Fazit und interkulturelle Aspekte:

Murakami nimmt den Leser mit auf die Schafsjagd, die teilweise schon eher an einen Roadmovie erinnert und lässt durch die Ich-Erzählperspektive den Leser das Leben des jungen Mannes direkt miterleben. Dadurch, dass Murakami keiner Person in seinem Buch einen Namen gibt (außer der Katze des Erzählers) wirken die Personen schnell austauschbar, auch das unspektakuläre und durchschnittliche Leben des Erzählers unterstreichen diesen Charakter. „Wahrscheinlich, weil ich Namen nicht mag. Ich bin ich, du bist du, wir sind wir, sie sind sie; das reicht doch, oder?“ (Seite 153) Sobald sich der Erzähler auf die Suche nach dem Schaf begibt, verläuft die Handlung chronologisch, wird aber nie langweilig. Das Buch hält immer neue Puzzlestücke für den Leser bereit und es mag sich kein vollständiges Bild ergeben. Nur an einer einzigen Stelle benutzt Murakami eine Abbildung, um dem Leser einen Eindruck davon zu geben, wie die Gestalt des Schafmannes aussieht. Es liest sich wie eine untypische Detektivgeschichte, die von unrealistischen Stilelementen durchmischt wird.

Es ist faszinierend wie Haruki Murakami in dem Roman eben mehr als nur von einer Schafsjagd erzählt. Es finden sich viele kulturelle Aspekte besonders im Umgang der Akteure mit dem Tod, aber auch im Umgang mit der Liebe wieder, die Murakami in all seinen Romanen benutzt.

Für mich ist „Wilde Schafsjagd“ ein absolut lesenswerter Roman, indem Murakami geschickt mit dem Leser spielt und selbst am Schluss nicht alles eindeutig aufgedeckt wird.

Leseempfehlung?
Für mich ist der Roman „Wilde Schafsjagd“ von Haruki Murakami definitiv lesenswert, wenn auch das Ende Geschmackssache ist. Vor allem wirft das Werk viele Fragen auf, über die sich nicht nur gut nachdenken, sondern auch hervorragend diskutieren und philosophieren lässt.

This entry was posted in German, Japan, Literature review. Bookmark the permalink.

One Response to Buchrezension – Wilde Schafsjagd von Haruki Murakami

  1. Anna says:

    Hallo Sebastian,

    danke Dir für deine Rezension, ich glaube, nur vom Titel her hätte ich das Buch nicht lesen wollen. Dass die Handlung aber so verdreht ist und irgendwie auch gar nicht typisch für alles, was ich bisher über japanische Autoren gehört habe, macht mich wirklich neugierig auf das Buch!
    Obwohl ich mir nicht so besonders viel unter dieser ominösen “Schafsjagd” vorstellen kann und vor allem auch die Hintergründe, wie es zu ebendieser kommt, eher seltsam finde, kann ich mir schon vorstellen, dass ein geschickter Autor, der weiß, wie man mit Sprache und Wörtern umgeht, diese doch etwas banal anmutende Geschichte in ein tolles Leseerlebnis verwandeln kann.
    Jeder kann sich wahrscheinlich in die Situation hineinversetzen, einem alten Freund einen Gefallen tun zu wollen; dass dieser Gefallen aber einen ganzen Rattenschwanz an Ereignissen nach sich ziehen kann, der unter Umständen “in einem großen Knall” endet, das malt sich wahrscheinlich vorher keiner aus. Ich kann mir vorstellen, dass ich mich bis zu dem Auftauchen des mysteriösen Geschäftsmannes noch sehr gut in die Figur des namenlosen Erzählers hineinversetzen kann und ab dann mit jeder Seite selbst überrascht bin, was ich als nächstes zu lesen bekomme.
    Auch wenn du sagst, dass das Ende wahrscheinlich Geschmacksache ist, werde ich dieses Buch mit Sicherheit lesen. Ich bin selber über diesen Autor gestolpert, als ich auf der Suche nach einem Buch für meine Präsentation war; dieses Werk hatte ich jedoch nicht auf dem Schirm. Gerade weil der Murakami so bekannt in Japan und auch im Rest der Welt ist, sollte man mindestens eins seiner Bücher lesen, bevor man nach Japan geht und ich denke, ich werde dieses wählen (und vielleicht noch andere, wenn der Schreibstil wirklich so genial ist, wie du auch sagst).

Comments are closed.