BUCHREZENSION (Evgenia T.) : DER CHINA KNIGGE – EINE GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR DAS REICH DER MITTE

EINE BUCHREZENSION VON EVGENIA T.
PRODUKTINFORMATIONEN

chinaKniggeBILD
Titel: Der China Knigge – Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte
Autoren: Yu – Chien Kuan & Petra Häring – Kuan
Erscheinungsjahr: 2006
Seitenanzahl: 320
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-596-16684-8
Preis: 7,95 Euro

 

MOTIVATION
In den vergangenen Jahren ist China zu einem attraktiven Reiseziel für viele Europäer geworden, auch für viele meiner Freunde, Bekannte und Kommilitonen. Sie berichten von einem unvergesslichen Auslandsaufenthalt, welcher Sie stark in ihren persönlichen sowie kulturell-fachlichen Kompetenzen bereicherte und zugleich vor Herausforderungen stellte.
Die jahrtausendalte Geschichte Chinas und die damit verbundenen religiösen, philosophischen und kulturellen Aspekte sind für die meisten Westeuropäer fremd. Eine bedauerliche Tatsache die vermutlich der Kernpunkt der berichteten Schwierigkeiten oder aber auch Herausforderungen darstellt und mir bewusst werden ließ, dass ich keine Ausnahme dieser breiten Masse bin. Um meinen Auslandsaufenthalt in Shanghai zu einem vollen Erfolg werden zu lassen und der chinesischen Kultur den notwendigen Respekt gegenüberzubringen, habe ich aus diesem Grund für die Buchrezension im Rahmen des ASBE Programms zielgerichtet nach einem Ratgeber gesucht.
Während meiner intensiven Recherche stieß ich schließlich auf „Der China Knigge – Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte“. Insbesondere machten mich die zahlreichen Rezensionen anderer Leser auf das Buch neugierig.
So schrieb beispielsweise im Dezember 2006 Peter M.: „Als China-Interessierter, Sinologe und seit 2 Jahren in China lebender Europäer kann ich das Buch der beiden Autoren (Ehepaar Kuan) nur bestens empfehlen: sehr klare, treffende und vielfältige Informationen über China, Chinesen, Alltag, Beruf, Bräuche und Kultur! Für jeden Europäer, der nach China reist oder dort beruflich tätig werden will, ein unverzichtbares Buch!“.
Eine andere ähnlich positive und aktuellere Rezension von Tim M. lautet wie folgt: „Durch mein Studium und meinen längeren Aufenthalt in China habe ich viele Bücher über die chinesische Kultur gelesen. Diese Bücher heißen häufig Gebrauchsanweisung oder Fettnäpfchenführer. Allerdings habe ich bei keinem anderen Buch so viel gelernt, wie man sich in China richtig verhält wie bei diesem. Meiner Meinung nach liegt das daran, dass die Autoren ein deutsch-chinesischen Ehepaar sind und sich in beiden Kulturkreisen bestens auskennen. Für China-Reisende ist dieses Buch ein Muss!“
Diese Beiträge sind repräsentativ für viele weitere Rezensionen. Dabei haben mich vor allem zwei Tatsachen besonders angesprochen als auch überzeugt das Buch zu lesen. Zum einen waren die Kritiker mit der chinesischen Kultur vertraut aufgrund von literarischen Kenntnissen und Aufenthalten in China. Somit konnten kompetente Aussagen über die Qualität des Buches gemacht werden. Zum anderen wurde der Ratgeber deshalb gelobt, weil die Autoren einen deutsch-chinesischen kulturellen Hintergrund haben und in beiden Ländern zu Hause sind.

DIE AUTOREN

Yu – Chien Kuan, 1931 in Kanton geboren, floh während der chinesischen Kulturrevolution nach Deutschland. In Norddeutschland fand er 1969 schließlich seine zweite Heimat und promovierte 1974 an der Hamburger Universität in Geschichte, wo er anschließend jedoch als Sinologe tätig wurde. In Deutschland gilt der talentierte Autor bis heute als ein Experte im Bereich chinesischer Traditionen, Sitten und Bräuche. Neben seiner kulturellen Expertise für den chinesisch sprachigen Raum gilt er darüber hinaus als ein anerkannter Fachmann für Europafragen in der Volksrepublik China.
Yu – Chien Kuan lernte 1970 seine Ehefrau Petra Häring – Kuan, 1950 geboren, kennen. Sie studierte Sinologie und setzte sich intensiv mit chinesischer Literatur sowie traditioneller chinesischer Medizin auseinander. Petra Häring – Kuan verbrachte mehrere Studienaufenthalte in der Volksrepublik China und gilt daher auch als eine renommierte Kennerin chinesischer Kultur. Heute ist die Autorin sowohl in Hamburg als auch Shanghai ansässig, wo Sie ebenfalls als Dolmetscherin für Chinesisch und Englisch tätig ist.
Gemeinsam verfasste das Schriftstellerehepaar Kuan neben „Der China Knigge – Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte“ drei weitere Werke. Diese umfassen „Die Langnasen – Was die Chinesen über uns Deutsche denken. Mit einem Geleitwort von Helmut Schmidt“ sowie „Pulverfass China – Der Gigant auf dem Weg ins 21 Jahrhundert“ und schließlich „China. Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde“.

INHALT

Inhaltlich erstreckt sich der Ratgeber auf insgesamt 21 Kapitel, welche wesentliche Aspekte Chinas herausstellen. Zunächst wird der Leser vertraut gemacht mit der jahrtausendalten Geschichte Chinas, indem Charakteristika unterschiedlicher Dynastien beschrieben werden. Unter anderem die Zhou-Dynastie (ca. 1100-221 v. Chr.), in der sich die Vorstellung eines Idealstaates herauskristallisierte. Eines Staates der durch einen tugendhaften Herrscher und Sohn der obersten Gottheit und Wächter über das Erdenreich, dem Himmel,  geführt wird. Weitere Einblicke in die chinesische Historie werden im zweiten Kapitel, „China, eine Kulturnation“, aufgegriffen. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit dem Philosoph Konfuzius und dem Reichsgründer Qin Shi Huang. Zwei berühmte Persönlichkeiten die insbesondere die chinesische Welt prägten. Dem gegenüber gestellt werden zwei Männer die das moderne China prägten, Mao Zedong, ein Mann der China revolutioniert hat und Deng Xiaoping, ein Mann der China reformiert hat. Darauf folgend stehen die Grundlagen der Philosophie, der Daoismus, der Konfuzianismus und der Legalismus der Rechtsschule im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ergänzt, im nächsten Kapitel, durch die Thematisierung des religiösen Lebens, indem insbesondere der Ahnenkult eine zentrale Rolle einnimmt.
Somit widmen sich insgesamt vier Buchkapitel der Geschichte, Philosophie sowie Religion und schaffen damit einen unverzichtbaren Rahmen, der dem Leser hilft alle übrigen Abschnitte besser zu verstehen. Diese konkretisieren beispielsweise Themen wie das  konfuzianisch geprägte Familiensystem, welches im engen Zusammenhang zu den Grundlagen der Philosophie steht. Ein Teilaspekt aus dem neunten Kapitel „Die Familie-Solidargemeinschaft und Urzelle der chinesischen Gesellschaft“.
Außerdem ermöglicht der Rahmen Geschichte, Philosophie und Religion es dem China interessierten Leser die zahlreichen Kapitel zu verstehen, welche tatsächlich eine Ratgeberfunktion aufweisen. Die Funktion wird unter anderem im Kapitel „Chinesische Gastfreundschaft“ deutlich.
Es wird herausgestellt, dass das gemeinsame Essen in China nur in zweiter Linie der Nahrungsaufnahme dient. Vielmehr tauscht man am Esstisch Gedanken aus, knüpft Beziehungen oder vertieft bestehende Kontakte. Durch ein gemeinsames Mahl versichert man sich der gegenseitigen Aufmerksamkeit, bittet um Gefälligkeiten oder zeigt sich für jene erkenntlich. Somit gilt ein gemeinsames Essen vor allem als ein Freundschaftsbeweis und ein Zeichen der Wertschätzung. Was für den Europäer jedoch paradox erscheinen mag, ist die Tatsache dass der höfliche Chinese eine Einladung zunächst ablehnen wird. Was aber nicht bedeutet, dass keine zweite oder auch dritte Einladung ratsam wäre. Wird diese somit mehrmals ausgesprochen und schließlich angenommen, sollte der Europäer darauf achten kein zu knappes Mahl herzurichten. Denn während in Europa darauf geachtet wird kein Essen wegwerfen zu müssen, weil zu viel aufgetischt wird, gilt knappes essen in China als ein Zeichen von Geiz und führt somit unweigerlich zu einem Gesichtsverlust aus Gründen der niedrigen Wertschätzung dem chinesischen Gast gegenüber. Ebenso wichtig wie ein großzügiges Angebot vom Essen ist die Vielfalt am Esstisch. Denn in China wird in Gesellschaft immer aus der Mitte des Tisches gegessen und somit grundsätzlich so viele unterschiedliche Gerichte bestellt wie Personen am Tisch Platz nehmen und am besten plus Eins. In China fragt man somit: „Was essen wir?“. Ein weiterer Knigge Rat ist jener, dass Zurückhaltung am Esstisch erwünscht ist. Der höfliche Gast will nicht gierig erscheinen und wird selbst ein Getränk trotz Durstes ablehnen, mit der Begründung nicht zur Last fallen zu wollen. Außerdem, gilt das Mahl erst als beendet, wenn Reste auf dem Teller übrig sind. Denn in China dient ein leerer Teller dazu wieder aufgefüllt zu werden. Nachdem der Gastgeber seinen Gästen für Ihr Kommen gedankt hat, könnte man eine weitere paradoxe Situation, zumindest aus westlicher Sicht, erleben. In China wird um die Rechnung gestritten. Dieser Wettkampf gilt als ein Ritual der Höflichkeit und einzeln zu bezahlen gilt als schrecklich geizig und ist unter jungen Leuten in China als „going Dutch“ bekannt.

FAZIT & KRITIK

Aus meiner persönlichen Einschätzung muss ich zunächst sagen, dass China für die meisten Europäer fremd und bizarr erscheint. Zum einen sehe ich den Grund darin, dass wir viel zu wenig über Chinas Geschichte, Philosophie, Religion und somit Kultur wissen. Zum andern wird unsere Meinung von den Massenmedien geprägt, welche oft voreingenommen berichten oder schlicht aus politischen oder wirtschaftlichen Beweggründen jede Schlagzeile zu einem kontroversen Ereignis werden lassen. Somit konnte ich bisher nur wenig mit China assoziieren, bis auf  Menschenrechtverletzungen oder Zensur.
Der China-Knigge jedoch hat mir völlig neue und vor allem positive Perspektiven und Eindrücke vermitteln können, indem wertvolle Einblicke in chinesische Traditionen, Sitten, Bräuche und Mentalität gewährt worden. Insbesondere im Kapitel „Chinesische Gastfreundschaft“ hat das Schriftstellerehepaar Kuan den eindrucksvollen Charme des chinesischen Charakters hervorgebracht, welche vor allem positive Assoziationen geweckt haben. Begleitet durch viele Vergleiche zur Deutschen Mentalität und untermalt durch witzige Anekdoten (die sich durch alle Kapitel ziehen) aus dem eigenen Leben, wird das Vertrauen sowie Verständnis des Lesers geweckt. Dieses ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die internationale Völkerverständigung und aus diesem Grund verdient das Buch ein großes Lob.
Abschließend bleibt zu sagen, dass die Struktur des Buches sehr gut gewählt ist. Zunächst wird dem Leser ein Rahmen geschaffen (Geschichte, Philosophie, Religion) der notwendig ist, um die „Ratgeber-Kapitel“ umfassend begreifen zu können. Zudem ist jedes Kapitel unterteilt in zahlreiche, kurze Unterkapitel. Diese Struktur halte ich für einen Ratgeber als sehr geeignet, da schnell Einzelheiten bei Bedarf nachgeschlagen werden können. Diese Struktur ist jedoch zugleich auch ein Kritikpunkt. Da die Kapitel sehr kurz sind und die eingebrachten Anekdoten in keinem wirklichen Zusammenhang stehen, geraten viele Aspekte des Buches schnell in Vergessenheit. Aus diesem Grund wird ebenfalls keine Spannung aufgebaut, die den Leser zwingt weitere Kapitel zu lesen und sich diese deshalb teilweise als zäh gestalten. Zugleich sind aber die meisten Kapitel unverzichtbar um schließlich den „Ton“ des Buches zu begreifen und ein Gesamtbild über China zu gewinnen.

This entry was posted in China, Literature review. Bookmark the permalink.

3 Responses to BUCHREZENSION (Evgenia T.) : DER CHINA KNIGGE – EINE GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR DAS REICH DER MITTE

  1. spaetkaroline says:

    Hallo liebe Evgenia,

    zuerst einmal vielen Dank für deine Rezension! Ich denke du hast dein Buch sorgfältig ausgesucht und dementsprechend eine sehr gute Entscheidung getroffen, die wahrscheinlich nicht nur dir während deines China Aufenthalts von Nutzen sein wird.

    Interessant finde ich hier vor allen Dingen, dass die „China Knigge“ von einem Ehepaar verfasst wurde, dass sowohl aus einem deutschen als auch einem chinesischen Ehepartner besteht. Dies erweckt den Anschein, dass das Thema sehr authentisch und umfassend behandelt werden konnte, da vor allem innerhalb einer Beziehung die kulturellen Unterschiede und potentiellen Fettnäpfchen deutlich werden.

    Besonders das Kapitel chinesische Gastfreundschaft hat im Hinblick auf meinen bevorstehenden China Aufenthalt mein Interesse geweckt. So ist es beispielsweise gut zu wissen, dass es üblich zu sein scheint eine erste Einladung abzulehnen und man deshalb nicht vor einer zweiten zurückschrecken sollte. Auch die Information, dass ein Mahl erst beendet ist, wenn noch Reste auf dem Teller zurückbleiben ist sehr nützlich und kann vor so manchen unangenehmen Situationen bewahren.

    Ich teile deine Meinung, dass das Bild der Europäer von China stark durch die Medien geprägt ist. Positive Aspekte der vielfältigen und extrem spannenden Kultur Chinas werden viel zu wenig beleuchtet, was diese Knigge zu leisten versucht.

    Insgesamt bin ich gespannt darauf ob dir dieser Ratgeber während deines Shanghai Aufenthalts behilflich sein wird und bin überzeugt davon, dass dies bei mir der Fall ist.

  2. alexanderrautzenberg says:

    Hallo Evgenia,
    ich danke Dir für deine spannende und ausführliche Rezension zum Buch „Der China Knigge“.
    Mir ist auch bereits des Öfteren aufgefallen, dass den meisten Westeuropäern die religiösen-, philosophischen- und kulturellen Hintergründe Chinas weitestgehend fremd sind. Außerdem bin ich auch zu dem Entschluss gekommen, dass unsere Meinung über China stark von den Massenmedien geprägt oder evtl. sogar etwas verfälscht wird. Aus diesem Grund finde ich es sehr gut, dass du dieses Buch gewählt hast.
    Durch die Erzählung zweier Autoren mit unterschiedlicher Herkunft (China und Deutschland) ist eine sehr realistische und glaubwürdige Einschätzung der Hintergründe möglich. Nach deinen Erzählungen habe ich den Eindruck, dass dieses Buch wichtige geschichtliche Grundlagen Chinas abgedeckt, interessante Kultureinblicke bietet und man aus diesem Grund ein Stück weit sicherer im Umgang mit der chinesischen Kultur wird. Ich habe mich sehr gefreut diese Rezension zu lesen. Ich werde wahrscheinlich deinen Rat befolgen und dieses Buch vor dem Aufenthalt in China ebenfalls lesen. Insgesamt finde ich deine Rezension sehr gelungen, trotz der 320 Seiten hast du das Buch sehr gut zusammengefasst und wirklich sehr interessante Beispiele aus der chinesischen Kultur herausgestellt. Wahrscheinlich lässt sich dadurch schon das ein oder andere Fettnäpfchen vermeiden.
    Ich schließe mich meinen Vorrednern an und bin gespannt wie dir der China Knigge in Shanghai helfen wird.

  3. SchumannAngelika says:

    Liebe Evgenia,

    vielen Dank für deine Literaturrezension zu dem wirklich sehr gut ausgewählten Buch “Der China Knigge- Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte”. Neben dem interessanten Titel find ich die Tatsache besonders faszinierend, dass dieses Buch von einem deutsch-chinesischen Ehepaar gemeinsam verfasst wurde. Dementsprechend können dem Leser sowohl die chinesische wie auch die deutsche Perspektive vermittelt werden, da die Autoren sich mit beiden Kulturen bestens auszukennen scheinen.
    Das verleiht dem Buch eine ganz besonderen einzigartigen Charakter, insbesondere bezüglich der Glaubwürdigkeit und Qualität, wie auch die Rezensionen zeigen.
    Ich gebe dir Recht, dass wir als Deutsche allgemein nicht all zu viel über das Land der Mitte wissen und wir vermutlich üblicher Weise ein verzerrtes Bild über China haben. Daher ist es besonders positiv, dass man einen gewissen Überblick über die wichtigsten Persönlichkeiten wie beispielsweise den Philosophen Konfuzius oder den Reichsgründer Qin Sui Huang bekommt. Auch wichtig und hilfreich für den Leser ist der historische Aspekt, der anfangs dargestellt wird.
    Ich finde es sogar gut, dass die Kapitel nicht unbedingt aufeinander aufbauen, denn dann kann man selbst entscheiden, welches Kapitel man beispielsweise intensiver und zuerst lesen möchte, wenn man sich in gewissen Themen eventuell schon auskennt, könnte man diese Kapitel überspringen.

    Ich bin gespannt, in wie weit das neu gewonnene Wissen basierend auf diesem Knigge dir in Shanghai helfen wird. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn du mir davon berichten wirst.

Comments are closed.