Buchrezension zu “Mitsukos Restaurant” von Martin Neufeld

Autor: Christoph Peter Erscheinungsdatum: 26. Januar 2009 Verlag: Luchterhand Literturverlag Länge: 419 Seiten Preis: 14,90€ Sprache: Deutsch
Autor: Christoph Peter
Erscheinungsdatum: 26. Januar 2009
Verlag: Luchterhand Literturverlag
Länge: 419 Seiten
Preis: 14,90€
Sprache: Deutsch
ISBN: 3630872735

Ãœber den Autor

Chrisoph Peters is deutscher Autor und Künstler, geboren 1966 in Kalkar. Von 1977 bis 1986 war er Schüler am Interntsgymnasium Collegium Augustinianum Gaesdonck, wo er u.a. von Franz Joseph van der Grinten, einem deutschen Künstler, Kunstsammler und Kunsthistoriker, geprägt wurde. Ab 1988 bis 1944 studierte Peters an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karsruhe bei Horst Egon Kalinowski, Günter Neusel und zuletzt als Meisterschüler von Meuser. Da Peters sich zu Beginn seiner literarischen Karriere nicht von seiner Tätigkeit als Schriftsteller finanzieren konnte, arbeitete er u.a. als Fluggastkontrolleur am Flughafen Rhein-Main in Frankfurt. Im Jahr 2000 zog er mit seiner Frau nach Berlin, wo er 2003 zum Vater wurde und bis heute lebt und arbeitet. 2014 hatte Peters eine Gastdozentur am Lehrstuhl für Poetik an der Universität Paderborn inne.

Zur Motivation

Mich persönlich fasziniert die Kultur Japans wegen ihrer schizophren anmutenden Zwiespältigkeit. Einerseits is Japan bekannt für seine ritualisierten, von Diskretion und Respekt geprägten Umgangsformen. Andererseits kommt man nicht umhin, im Alltag immer wieder der schrillen, kitschig anmutenden Popkultur des neuen Japans zu begegnen. Das alte und das neue Japan, der Übergang oder besser der Bruch von einer strikt hierarchischen, patriarchal organisierten Gesellschaft hin zu einer modernen, flexiblen Industrienation wird im Buch nicht direkt angesprochen, tritt jedoch in der dezenten Erzählweise sowie den unterschiedlichen Handlungsbenen des Buches zu Tage. Wie der Titel bereits erahnen lässt, dreht sich in Peters Werk vieles um die Japanische Cousine, und stellvertretend um die japanische Herangehensweise bei einer Vielzahl von Tätigkeiten. Ich meine damit die Ernsthaftigkeit und der scheinbar immer präsente Anspruch auf Perfektion. So wird im Buch wiederholt die Teezeremonie thematisiert und wie in Japan scheinbar banale Tätigkeiten zu einer Kunstform erhoben werden. Ein Verstädnis für die japanische Kultur zu entwickeln war also mein Hauptanliegen bei der Lektüre des Buches. Enttäuscht wurde ich nicht.

Der Inhalt

Wir befinden uns in der Mitte der 1980er Jahre in der mittelrheinischen Provinz Deutschlands. Japan findet gerade erst Einzug in das Bewusstsein des deutschen Kleinbürgers. Es ist also noch sehr weit entfernt und von einer Exotik, wie sie heute vielleicht noch Länder wie Burma oder Kuala Lumpur ausstrahlen. Achim Wiese, der Protagonist im Buch, und sein Freund Wolf sind, wenn auch Grundverschieden in ihrem Wesen, beste Freunde und kurz davor die Prüfungen zum Abitur zu absolvieren. Während Achim ein Natur- und Wanderfreund und eher grüblerischer Art ist, ist Wolf ein Schürzenjäger und impulsiv wie auch direkt in seinem Verhalten. Beide eint jedoch ihr Interesse für Japan, dessen Geschichte und Kultur sowie die japanische Küche. Sie beschließen somit ein original japanisches Restaurant zu besuchen, sehen sich jedoch nicht in der Lage die horrenden Preise zu zahlen und vertagen den Besuch eines japanischen Restaurants auf unbestimmte Zeit. An dieser Stelle trennen sich die Wege der beiden vorerst, sodass Wolf ein Medizinstudium bestreitet um im Anschluss Chirurg einer renommieretn Klinik für Plastische Chirurgie zu werden, während Achim sich als Schauspieler und Dichter versucht, und die meiste Zeit als Küchenhilfe über die Runden kommt.

Einige Hundert Jahre zuvor in Japan:

Die Zweite Handlungsebene des Buches spielt im mittelalterlichen Japan und dreht sich um den Töpfermeister Kösei, seinen Lehrling Kenji und einen geheimnisvollen Fürsten, welcher das Geheimnis der Töpfkerkunst von Meister Köseis Töpferkunst erfahren möchte. Der Fürst harrt ein Jahr vor der Werkstatt des Töpfermeisters aus um als dessen Schüler akzeptiert zu werden. Dieser Handlungsstrang erzählt vieles über den mönchischen Charakter japanischer Handwerksmeister sowie den Teeweg und lässt erahnen, warum die Utensilien für die Teezeremonie zu teilweise horrenden Preisen in Japan gehandelt werden. Im späteren Buchverlauf ist denn auch die Teezeremonie der Schnittpunkt zwischen den beiden Handlungssträngen. Die Kapitel werden immer wieder in den eigentlichen Erzählstrang eingetreut.

An dieser Stelle schwenkt die Handlung über in das vom Wirtschaftswunder gepackte Japan der späten 1970er Jahre. Mitsuko, neben Achim die wichtigste Personalie im Buch, ist Tochter einer traditionsreichen Samurai Dynastie. Ihr Vater ist wie auch schon dessen Vater zuvor, Großindustrieller und bleibt somit mehr eine Vorstellung als ein Elternteil für Mitsuko und Ihre Schwester. Von kleinauf bekommt Mitsuko zu spüren wer sie ist, nämlich die Tochter einer ehrwürdigen Familie, und dass sie sich dementsprechend zu verhalten hat. Neben besten Noten in der Schule wie auch einer bereits beschlossenen Laufbahn als professionelle Pianistin, soll sie eine gute, stille und treue japanische Frau und Mutter werden, ihrer Familie dienen und sich konform verhalten. Mitsuko wird jedoch nach und nach bewusst, dass die Erwartungen an Sie sich nicht mit ihren eigenen Wünschen und Träumen decken. Sie interessiert sich für das Kochen und träumt von einem eigenen Restaurant, was in Japan zu jener Zeit, wie jedes andere traditionelle Handwerk, eine strenge Männerdomäne ist. Als die Familie dann eines Tages einen Skiurlaub in der Schwiz unternimmt, brennt Mitsuko mit einem Schweizer Hotelier durch, in dessen Sterneküche Sie Ihren Traumberuf erlernt. Ihr Liebhaber und Arbeitgeber geht jedoch nach einer reiher ominöser Geschäfte pleite, woraufhin Mitsuko sich mit Eugen zusammen tut. Eugen ist omnitalentierter Handwerker, leichter Alkoholiker, etliche Jahre älter als Mitsuko und mit einem großen Netzwerk aus Kontakten ausgestattet. Die beiden ziehen zusammen nach Deutschland wo sie ein Restaurant eröffnen, Mitsukos Restaurant.

Knapp zehn Jahre nach seinem Abitur streift Achim auf einer seiner Wanderungen durch die Wälder und trifft auf ein unscheinbares Wanderheim am Waldrand, Mitsukos Restaurant. Er ist begeistert von der Küche und nimmt Kontakt zu seinem Schulfreund Wolf auf. Dieser ist jedoch schon seit längerem Gast, kehrt er doch regelmäßig mit einem seiner Kunden, Takeshi, und dessen ominösen japanischen Geschäftspartnern bei Mitsuko ein. Immer wieder fällt das Wort Yakuza. Mitsuko und Eugen sind derweil nicht nur Geschäftspartner, sonder ein richtiges Paar geworden, was Achim, welcher von nun an regelmäßig bei Mitsuko speist, nicht daran hindert sich in eben diese zu verlieben. Durch eine Reihe zufälle beginnt Achim in Mitsukos Küche zu arbeiten um Ihr näher zu sein und versucht sie mit seinem Interesse und Wissen über Japan zu beeindrucken. Immer wieder drehen sich ihre Gespräche um den Teeweg im Allgemeinen, die Teezeremonie und die Teeschalen, sogenannte Chawans.

Im Restaurant tun sich immer wieder Spannungen auf, da Eugen der Meinung ist, man müsse deutsche Spezialitäten nach japanischer Art anbieten und den zum Teil unangenehmen Stammgästen des Lokals treu bleiben, während Mitsuko ein echtes, ehrbares Restaurant ohne “Thekenhocker und triefige Schweinswürste” möchte. Der Konflikt durchzieht die gesamte spätere Handlung und steht dabei symbolisch für die Verschiedenanrtigkeit und die Unterschiedlichen Vorstellungen welche zum Teil durch den kulturellen Hintergrund geprägt sind.

Achim unternimmt derweil immer wieder zaghafte Annhäherungsversuche und kann Mitsukos verhaltensweisen und Gesten nicht richtig einordnen. And dieser Stelle spielt der Autor auf die unterschiedlichen Umgangsformen in der Kultur an. Tatsächlich macht sich hierin aber auch Achims verklärtheit bemerktbar. Er überinterpretiert Mitsukos Verhalten und versucht alles mit ihrem japanischen Hintergrund zu erklären, statt Sie einfach als ebendiesen Charakter zu akzeptieren, der sie ist.

Auf die weitere Entwicklung der Charaktere möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, da die Spannung sonst aus dem Buch genommen würde und nicht weiter wichtig ist um das  Thema des Buchs zu verstehen.

Kritik und Fazit

Der Autor besticht durch seine leichte und humorvolle Erzählweise. Er schreibt klar und rational und beweißt bei seinen teilweise ausschweifeden Betrachtungen Menschenkenntis und ein breites Wissen um die verschiedensten Themen. Dies macht das Buch zu einer gehobenen, informativen Lektüre ohne dabei an Momenten zum Schmunzeln zu sparen. Die zweite Handlungsebene sorgt dabei für den nötigen Tiefgang indem es das  “alte Japan” in seiner mystischen, spirituellen Seite beleuchtet und dem Japan-interessierten Leser damit die Chance gibt, seinen romantischen und vielleicht idealisierten Vorstellungen von Japan nachzuhängen. Ich persönlich hatte während der Lektüre einige Aha-Momente und Lust auf mehr Japan bekommen. Nicht nur auf die japanische Küche, sondern auch die japanische Teezeremonie. Die Tatsache, dass all diese Themen in einen Liebesroman gegossen sind, sollte den potentiellen Leser jedoch nicht abschrecken, denn Kitschig oder Schulzig ist das Buch nicht, sonder vielmehr selbstironisch, subtil und aufklärend. Somit erscheint es mir als leichter und humoröser Weg, um ein Verständnis für die japanische Kultur zu Entwickeln.

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3 Responses to Buchrezension zu “Mitsukos Restaurant” von Martin Neufeld

  1. SchumannAngelika says:

    Hallo Martin,

    Lieben Dank für deine sehr ausführliche Rezension, diese konnte mir einen sehr guten Überblick in das Buch „Mitsukos Restaurant“ verschaffen. Sehr interessant finde ich, dass zu Beginn mehrere Geschichten parallel erzählt werden und diese ab einem gewissen Zeitpunkt ineinander übergehen.
    Auf Basis dieser Erzählart gelingt es dem deutschen Autor einerseits die deutsche Kultur zu erläutern, aber andererseits auch die unbekannte japanische Kultur dem Leser näher zu bringen, da die parallel verlaufenden Geschichten jeweils in Japan und in Deutschland spielen. Auch gibt es mehrere Zeitsprünge – die Geschichte bzw. die Geschichten sind also ziemlich komplex. Die zwei deutschen Männer sind sehr an der japanischen Kultur interessiert und dennoch scheint Achim, der sich in die japanische Mitsuko verliebt, Schwierigkeiten zu haben, ihr Verhalten richtig zu deuten. Hier werden die kulturellen Unterschiede trotz Kenntnisse der japanischen Kultur sehr deutlich.
    Ich bin gespannt, ob du ähnliches erleben wirst, während deines zukünftigen Auslandsaufenthaltes in Japan, trotz unserer intensiven Vorbereitung auf die Kultur im Rahmen des ASBE-Programms.
    Sehr gut finde ich, dass du nicht alle Handlungspunkte erwähnt hast und somit nicht die gesamte Geschichte verraten hast, um die Spannung weiterhin aufrecht zu erhalten, falls man sich als Leser deiner Buchrezension entscheiden sollte, das Buch zu lesen.

  2. KrauseFlorian says:

    Hallo Christoph,
    das Buch klingt nach einem interessanten und vielschichtigen Roman! Es ist interessant zu lesen, dass sich der Autor einen Nebenstrang zur Hilfe zieht, um die japanische Kultur der Teekunst zu vertiefen. Kösei und Kenji scheinen ja ansonsten keinen weiteren Einfluss auf das Hauptgeschehen zu haben.
    Das Zusammenschmelzen der Geschichten von Wolf und Achim mit Mitsuko und Eugen erscheint mir nach einer komplexen Erzählung und bietet sicherlich spannende Lesestunden! Besonders der Umgang mit Mitsuko und den Schwierigkeiten, ihr Verhalten einzuordnen finde ich ausgesprochen spannend.
    Du hast das Werk wirklich gut vorgestellt, ohne zu viele Handlungselemente zu verraten – Vielen Dank!

  3. spaetkaroline says:

    Hallo lieber Christoph,
    Vielen Dank für deine Rezension!
    Besonders interessant an deinem gewählten Buch, finde ich die vom Autor kreierten 2 Handlungsebenen. Auf der einen Seite das alte Japan mit der rituellen Zeremonie des Tee Zubereiten und Trinken. Und auf der anderen Seite das Japan vor 30 Jahren als aufstrebender Industriestaat. Gut vom Autor dargestellt, wie ich finde, ist die Verbindung zwischen den zwei Handlungsebenen durch die Teezeremonie. Diese Rituale scheinen in der japanischen Kultur trotz der großen Veränderungen über die Zeit sehr tief verankert und ein wichtiger Bestandteil zu sein.
    Was ich außerdem aufgrund deiner Rezension sehr spannend finde, ist, dass Achim Mitsukos Verhalten oft durch ihren kulturellen Hintergrund bedingt zu erklären, anstatt diese einfach individuell ihrem Charakter zuzuordnen. Ich denke vor dieser Herausforderung werden wir auch während unseres Auslandsaufenthalts stehen, zum einen zu lernen interkulturell zu kommunizieren und ein Verständnis für die Kulturen in unserem Umfeld zu entwickeln. Zum anderen aber auch zu erkennen, dass die Kultur eines Menschen sein Verhalten und auch seinen Charakter sehr stark prägen, allerdings jeder Mensch trotzdem individuelle Charakterzüge hat und vor allem zu Zeiten der Globalisierung die Grenzen zwischen den einzelnen Kulturen teilweise weicher werden.

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