Naokos Lächeln: Nur eine Liebesgeschichte – Rezension

coverAllgemeine Informationen:

Titel: Naokos Lächeln: Nur eine Liebesgeschichte

Originaltitel: ノルウェイの森 (Noruwei no Mori)

Autor: Haruki Murakami

Erscheinungsjahr: 1987

Seitenzahl:  416

Verlag: btb-verlag; Auflage: 7. Auflage (1. Februar 2003)

ISBN: 3442730503

Rezension: Fabian Bopp (Vorstellung am 13.04.2015)

Motivation: Naokos Lächeln zählt für mich zu den wenigen Büchern, die ich sowohl in Deutsch als auch in Englisch gelesen habe. Beide Male hat mich der Schreibstil so gefesselt, dass ich das Buch in wenigen Tagen verschlungen habe: die deutsche Version in den Weihnachtsferien 2013 und die englische im Sommerurlaub in Asien. Mit dem Buch verbinde ich also eine Reihe von positiven Erinnerungen so fiel mir die Wahl auf das Buch sehr leicht.

Zum Autor: Haruki Murakami, der von der New York Times als kühnster und bedeutsamster Autor Japans betitelt wird, wurde 1949 als Sohn eines buddhistischen Priesters und der Tochter eines Kaufmanns in Kyoto geboren. In seiner Jugend wuchs er in Kobe, einer Hafenstadt mit vielen westlichen Einflüssen, in der seine beiden Eltern Literatur unterrichteten auf. In dieser Stadt entwickelte sich seine Vorliebe für vor allem westliche Literatur. 1968 beginnt Murakami sein Studium der Theaterwissenschaften an der sehr renommierten Waseda Universität. Parallel zum Studium arbeitete er in einem Plattenladen indem seine große Vorliebe zur westlichen Musik entsteht. Diese Vorliebe findet sich in vielen seiner Werke, wie auch in dem von mir behandelten Werk Naokos Lächeln, wieder. Der Originaltitel „ノルウェイ の森, Noruwei no Mori“ ist nach dem Beatles-Lied „Norwegian Wood“ benannt.  Dieser Leidenschaft zur Musik treu geblieben leitet Murakami  von 1974 bis 1982 seine eigene Jazz-Bar „Peter-Cat“. Ab 1982 konzentriert er sich vermehrt auf das Schreiben. Von 1991 bis 1995 lebte Murakami in den USA und arbeitete dort zuerst als Gastdozent und später als Professor bis er 1995 wieder zurück nach Japan geht um sich nun völlig der Literatur zu widmen.

Als Autor finde ich Haruki Murakami nicht nur wegen seiner einzigartigen und fesselnden Beschreibungen, die den Leser regelrecht in Geschehen ziehen und wegen seiner einmalig bildlichen Sprache besonders interessant. Vielmehr vermittelt er oft durch autobiographische Bestandteile in seinen Büchern wie er selbst zwischen zwei Kulturen, dem alten Japanischen und dem neuen Japanischen, unter westlichen Einflüssen, steht. Dies ist besonders für mich im Rahmen meines bevorstehenden Auslandssemesters in Japan relevant, da ich mich vielleicht in einer ähnlichen Situation wiederfinden werde. Auch in Naokos Lächeln finden sich eine Reihe autobiographischer Züge. Tōru Watanabe, der Hauptcharakter und Erzähler der Geschichte studiert genau wie Murakami in den Zeiten der 68er Bewegung Theaterwissenschaften und arbeitet neben dem Studium in einem Schallplattenladen.

Inhalt:

Zu Anfang der Handlung ist der schüchterne Tōru im letzten Jahr seiner Schulzeit und verbringt viel Zeit mit seinem besten, aber auch einzigen Freund Kizuki und dessen Freundin Naoko. Tōru und Naoko verbringen so zwar viel Zeit zusammen, doch wirklich miteinander gesprochen haben sie noch nie, da Kizuki der zentrale Punkt der Gruppe ist. Diese Dreierbeziehung spielt die entscheidende Rolle für die restlichen Geschehnisse im Roman. Ohne Angabe von Gründen begeht Kizuki Selbstmord, indem er sich in der Garage seiner Eltern von Abgasen seines Autos betäuben lässt. Tōru und Naoko versuchen getrennt voneinander ihr altes Umfeld hinter sich zu lassen und ziehen beide nach Tokio um dort zu studieren. Tōru lebt in einem Wohnheim und sein ganzes Leben wirkt ein wenig programmiert und lustlos. Er verschwindet Nacht für Nacht in Büchern von seinen Idolen, großen westlichen Schriftstellern. Als beide sich zufällig in Tokio treffen, haben sowohl er als auch Naoko den Tod seines besten Freundes noch nicht verarbeitet. Nach ihrem ersten Treffen spazieren die beiden jeden Sonntag, auch bei schlechtestem Wetter, zusammen durch Tokio. Trotz der vielen Treffen sind Naoko und Tōru nicht in der Lage sich tiefgründiger zu unterhalten und gegenseitig besser kennen zu lernen. Die beiden verharren im Zustand zweier vertrauter Fremder, die sich wöchentlich für ihren Spaziergang treffen. Im Wohnheim freundet sich Tōru mit Nagasawa an. Er zählt zu den beliebtesten Studenten im Wohnheim,  geht auf eine der renommiertesten Universitäten und stammt zudem aus einer reichen und sehr anerkannten Familie. Tōru und Nagasawa gehen gelegentlich zusammen aus um mit Mädchen, die alle Nagasawa´s Charme erliegen, ihre Bedürfnisse nach körperlicher Nähe zu befriedigen. Tōru steht ihren Eskapaden gespalten gegenüber. Auf der einen Seite genießt er die Bekanntschaften sehr, auf der anderen fühlt er sich unbehaglich den fremden Mädchen gegenüber und verurteilt das eigene Verhalten. Nach einigen Monaten des nicht erfüllenden Mädchen Aufreißens und des Spazierengehens nähert sich ein Wendepunkt der Geschichte. Naoko feiert mit Tōru zusammen ihren Geburtstag und in ihrer kleinen spärlich dekorierten Wohnung. Der Abend endet in einer kleinen Katastrophe. Nachdem die beiden miteinander schlafen, fragt Tōru nach Kizuki, woraufhin Naokos Trauma über den Tod ihres ehemaligen Freundes wieder hervortritt und sie zusammenbricht. Einige Tage später verlässt Naoko ohne Tōru zu benachrichtigen die Stadt, um sich in einem in den Bergen gelegenen Sanatorium zu erholen. Der vom Wegzug völlig überraschte Tōru fällt in ein emotionales Loch und versucht sich in sein Studium zu flüchten. Da aber zu dieser Zeit die Studentenbewegung in Japan die Hochschulen bestreikt, ist eine Fortsetzung des Studiums faktisch nicht möglich und so beginnt Tōru in einer Fabrik zu arbeiten. Die Arbeit ist hart, aber hilft ihn dabei über den ersten Verlust von Naoko hinwegzukommen. Zudem lernt Tōru die lebensfrohe Midori Kobayashi, eine Kommilitonin, kennen. Tōru der schon glaubte Naoko für immer verloren zu haben, erhält überraschend einen Brief und besucht sie unverzüglich in den Bergen. Wieder in Tokio bittet Midori Tōru sich für oder gegen sie zu entscheiden, da sie merkt, dass Tōru im Herzen noch bei Naoko ist. Für Tōru ist es nicht nur eine Entscheidung zwischen zwei Frauen sondern auch eine Entscheidung zwischen seiner Vergangenheit und seiner Zukunft. Er bittet Midori um Zeit. Bei einem weiteren Besuch Tōrus im Sanatorium bittet ihm Naoko ihm nie zu vergessen. Als Tōru wieder in Tokio ist, begeht Naoko Suizid und nimmt Tōru so seine Entscheidung ab. Der Roman endet mit einem Anruf Tōrus bei Midori.

Fazit und Interkulturelle Aspekte:

Es ist faszinierend wie Haruki Murakami in dem Roman eben mehr als nur eine Liebesgeschichte erzählt. Es finden sich viele kulturelle Aspekte besonders im Umgang der Akteure mit dem Tod aber, auch im Umgang mit der Liebe wieder. Die Liebe, der Tod und auch der Selbstmord sind sicher sowohl in Japan als auch in Deutschland wichtige und oft präsente Themen. Auch japanische kulturelle Systeme wie die beiden Gesichter und die Beziehung jüngerer zu älteren Personen werden aufgegriffen. So gehorchen die jüngeren Studenten den älteren ohne Widerworte. Tōru zeigt in der Geschichte bis zum Ende hinweg den anderen Personen nicht seine wahren Gefühle, was in sehr belastet. Naoko die tottraurig über ihr tragisches Schicksal ist, wählt nicht den offenen Umgang sondern verschweigt ihre Probleme solange es ihr möglich ist und versucht sie weg zulächeln. Wer einen Roman mit detaillierterer Darstellung Japans in den 1968er Jahren oder Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur erhofft ist mit dem Roman Naokos Lächeln sicherlich falsch. Natürlich tangiert der Roman die Zeitgeschichte, sie ist aber für die Handlung nicht sonderlich relevant und wird so auch nicht näher beschrieben. Wer aber einen leidenschaftlichen und packenden Roman über Liebe und den Verlust von Geliebten erwartet, dem ist das Buch uneingeschränkt zu empfehlen, da die Protagonisten den Leser durch die Erzählweise an der Handlung teilhaben lassen.

Für mich ist Naokos Lächeln ein absolut lesenswerter Roman, indem Murakami geschickt darstellt inwieweit der Tod unmittelbar mit dem Leben verknüpft ist. So will ich die Rezension mit meiner uneingeschränkten Leseempfehlung und einem Zitat aus dem Buch zu diesem Thema beenden.

„Der Tod verkörpert nicht das Gegenteil des Lebens, sondern ist ein Bestandteil desselben.“

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2 Responses to Naokos Lächeln: Nur eine Liebesgeschichte – Rezension

  1. taachevgenia says:

    Hallo Fabian,

    vielen Dank für die Wahl deines abwechslungsreichen Buches.

    Wie du bereits selbst herausgestellt hast, handelt es sich um einen herzzerreißenden Roman, welcher nur vermuten lässt was es heißt wenn ein Mensch eine persönliche Tragödie erfährt. Ein Schicksalsschlag, wie der Tod eines geliebten Menschen kann sicherlich tiefe Wunden in die Seele eines Menschen reißen und jeder Einzelne muss einen Weg finden um mit seiner Trauer fertig zu werden.

    Im Hinblick auf die die japanische Kultur wird noch einmal die Thematik des Suizides aufgegriffen. An dieser Stelle stellt sich mir insbesondere die Frage, welche konkrete Aspekte, potenziell, welche Erziehungsstil oder Traditionen, dazu führen das ein psychischer Schmerz oftmals nur durch den Suizid gelöst werden kann.

    Besonders anregend finde ich, dass du den besonders schönen Schreibstil des Autors herausgestellt hast. Denn insbesondere die Kunst des Schreibens kann den Leser in die Gefühle des Protagonisten versetzen. Ein Aspekt der mir persönlich auch immer mit am wichtigsten Erscheint.

    Somit bedanke ich mich auch bei dir für die gut gelungene Rezension, welche das Buch sehr interessant gemacht hat.

  2. KunischChristina says:

    Hallo Fabian,

    schön, dass zur Abwechslung eine „Liebesgeschichte“ der japanischen Jugend rezensiert wird. Wie du jedoch schon andeutest, handelt es sich bei diesem Roman um viel mehr als das: Es geht um zwischenmenschliche Beziehungen, die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens und darum, Lebenskrisen zu bewältigen. Interessant ist, dass auch in diesem Zusammenhang erneut das Thema Suizid aufgegriffen wird; zwei der Protagonisten werden mit ihren Schicksalsschlägen nicht fertig und sehen den Freitod als einzigen Ausweg. Das Buch gibt dem Leser Einblicke in kulturelle Aspekte und den Alltag der Jugend Japans. Spannend finde ich hier zudem die Überschneidung verschiedener Themen, wie Isolation, Depression und Tod, aber auch Selbstfindung und Anerkennung in der Gesellschaft. Generell scheint es ein Roman zu sein, der sich sehr viel mit dem Umgang von Schmerz bei Verlusten beschäftigt, der vielleicht in der Jugend besonders intensiv wahrgenommen und verarbeitet wird. Dabei sind es wahrscheinlich vor allem die Charaktere, die den Roman so besonders machen, da sie alle sehr unterschiedlicher sind und doch vieles gemeinsam haben. Auch bringen vermutlich besonders die interessanten Begegnungen und intensiven Beziehungen dieser Charaktere Lebendigkeit in den Roman.

    Deine Faszination vom Schreibstil des Autors und der Atmosphäre, die das Buch vermittelt, lässt einen neugierig werden und macht Lust auf mehr. Auch kann ich mir gut vorstellen, dass dieser Roman einen wirklich in den Bann zieht, da es verschiedenste Emotionen in einem weckt – von herzhaftem Lachen bis hin zu tiefem Mitgefühl und Trauer.

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