Richter Di bei der Arbeit

Kurzinformation

Richter di

Autor: Robert van Gulik

Erscheinungsjahr: 1990

Taschenbuch: 240 Seiten

Verlag: Diogenes Verlag

Sprache: Deutsch

ISBN: 978-3257219210

Preis: 7.90 €

Autor:

robert_van_gulik

Robert van Gulik wurde am 9. August 1910 in den Niederlanden geboren. Er starb 1967 in Den Haag an Lungenkrebs. Mit fünf Jahren reiste er mit seiner Mutter und Schwester zu seinem Vater nach Indonesien. Dieser war dort als Arzt tätig. Bis 1923 lebte Robert van Gulik in Indonesien. In dieser Zeit begann er die Sprachen Chinesisch, Javanisch und Malaiisch zu lernen. Mit dreizehn Jahren kehrte er nach Holland zurück, besuchte dort die Schule und lernte Griechisch, Latein, Französisch, Deutsch und Englisch. In seiner Freizeit lernte er zusätzlich noch Russisch und Chinesisch. Nach der Schule promovierte er 1935 zum Doktor der Literaturwissenschaften.

Seine herausragenden Sprachkenntnisse prädestinierten ihn für den Diplomatendienst und er arbeitete in Japan, Ägypten, Indien, China und Amerika.

1949 übersetzte er einen aus dem 18. Jahrhundert stammenden Kriminalroman „Dee Goong An“ (chinesisch: 狄公奇案, Pinyin: dí gōng qí àn; dt. Merkwürdige Kriminalfälle des Richter Di). Dieses Buch mit der Hauptfigur des Richters Di war so erfolgreich, dass daraus weitere nun fiktive Geschichten um Richter Di entstanden.

Motivation

Kriminalfälle faszinieren mich schon seit meiner Kindheit. Angefangen mit „TKKG“ und den „ Drei ???“ die mich in meiner Jugend begleitet haben über die, von mir später hoch geschätzten Fernsehkrimis Donna Leon und den Tatort zu den großen Kriminalautoren Agatha Christie mit Miss Marpel, Edgar Wallace, Edgar Allen Poe und Sir Arthur C. Doyles berühmtem Sherlock Holmes. Umso begeisterter war ich, ebenso eine Figur auch in der Literatur Chinas zu finden. Die Geschichten, die mit Logik und beeindruckender Auffassungsgabe gelöst werden, sind für mich immer wieder eine spannende Lektüre. Aus dem mit raten und Aufstellen von Vermutungen über mögliche Täter und Motive entsteht mit dem Verlauf der Geschichte eines fesselnde Faszination, die bis zur Auflösung des Falles erhalten bleibt.

Inhalt und Aufbau des Buches

Der Roman ist in acht kurze, jeweils ca. 30-seitige Geschichten unterteilt, die chronologisch in der Zeit voran schreiten. Die Erzählungen tragen Namen wie „5 glücksbringende Wolken“ oder „Er kam mit dem Regen“ und schließen alle voneinander logisch ab. Die gemeinsame Komponente ist derHauptakteur, der schon durch den Titel des BuchesRichter Di 1

angekündigt wird. Richter Di lebt in der Zeit der Tang-Dynastie von 630 bis 700 n.Chr.. Diese Zeit gilt als der historische Höhepunkt chinesischer Geschichte. Richter Di entwickelt sich, bedingt durch seine herausragenden Fähigkeiten, im Verlauf der Geschichten vom Bezirksrichter (663 n.Chr.) in Peng-lai (ein kleiner Bezirk im Nord-Osten Chinas) zum Präsidenten des obersten Gerichts (681 n.Chr.) in Kanton. In jeder der acht Geschichten befasst er sich mit einem Mordfall, welcher sich in seinem Zuständigkeitsbereich ereignet. Mithilfe seiner genauen Beobachtungen und dem damals schon sehr umfassenden chinesischen Rechtssystem gelingt es ihm, die Mordfälle zu lösen und Recht zu sprechen. Dabei geht der Autor Robert van Gulik immer wieder auf das Leben rund um Richter Di, die politische Ordnung der Tang-Dynastie und die chinesische Gesellschaft ein und vermittelt dadurch ein sehr einprägsames Bild der damaligen Lebensweise. Dies ist es im Besonderen, was die fiktiven Geschichten, bedingt durch die Kenntnisse des Autors über die chinesischen Kultur und Historie, sehr spannend und fesselnd werden lässt.

Kritische Würdigung

Wenn ich vor einigen Monaten über China geredet habe, kam mir das Land oft als aufstrebend aber noch nicht als gleichwertig zu deutschen oder europäischen Normen und Werten vor. Diesen Eindruck erweckte bedingt durch Schlagzeilen auch das chinesische Rechtssystem. Die Korruption ist hoch und die Handhabe auch gegen Regierungsgegner wirkt oft willkürlich und rechtsfremd. Doch die Wurzeln dieses Rechtssystems liegen weitaus tiefer.

Der Autor schafft es mit dem Buch „Richter Di bei der Arbeit“ ein Bild von China zu zeichnen, das ein für die damalige Zeit hochentwickeltes Land steht. Tatsächlich gab es während der Tang-Dynastie im chinesischen Reich schon einen umfassenden Gesetzeskodex. Er umfasste über 500 Paragraphen und bewertete die Schwere sowie das Wesen der Straftat, als auch die gesellschaftliche Stellung des Opfers. Die Beamten hatten außerdem eine „Beamtenprüfung“ zu absolvieren, welche die Güte der Beamten verifizieren sollte. Dabei wurden nur die besten zehn Prozent ausgewählt, die eine Laufbahn als Beamter im Staatsdienst anstreben konnten. Um dies mit Europa zu vergleichen, welches sich in der Zeit des frühen Mittelalters befand, ist anzumerken, dass es dort kein geltendes Recht gab. Die Rechtsprechung erfolgte bedingt durch Traditionen und Gewohnheitsrecht. Erst 500 Jahre später entstanden in Europa Gesetzessammlungen, die als ähnlich zu dem damaligen chinesischen Gesetzeskodex bezeichnet werden können.

Durch die Öffnung Chinas 1978 und den darauf folgende Kooperationen zwischen den Ländern musste in China sehr kurzfristig ein neues Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht erarbeitet werden. Dabei blieben viele Formulierungen unpräzise und sind oft durch Auslegungen des obersten Volksgerichts angepasst. Bedingt durch die Kulturrevolution gibt es in China eine starke Diskrepanz zwischen Recht und Rechtswirklichkeit.

Chinas Rechtssystem scheint aus heutiger deutscher Sicht unreif und wenig konkret. Dies liegt aber vor allem an den kulturellen Unterschieden. Die Wahrnehmung des chinesischen Rechtssystems ist aus der deutschen Wahrnehmung heraus oft willkürlich und wenig nachvollziehbar. Es zeigt sich allerdings, dass es zu einfach wäre, die chinesische Gesellschaft, aus diesem Unwissen heraus, als unterentwickelt und unfähig einzustufen. Tatsächlich beruht das chinesische Rechtssystem auf viel älteren Wurzeln als unser europäisches. Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema China über seine Literatur und insgesamt durch eine höhere Aufmerksamkeit diesem Land gegenüber hat sich mein Bild von China verändert. Dieses Buch hat weiter dazu beigetragen den Eindruck eines Landes zu vermitteln, welches reich an Kultur, Geschichte und Werten ist, bei denen es sich lohnt aufzumerken und sein eigenes Bild vom heutigen China im Hinblick auf diese Erkenntnisse noch einmal zu überdenken.


 

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39 Responses to Richter Di bei der Arbeit

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  39. scheibnerl says:

    Schön, dass der von dir ausgesucht Roman dazu beitragen konnte, dass du einen detaillierteren Eindruck von China, seiner Kultur, Geschichte und Werte gewinnen konntest.

    Deine Buchrezension ist auch die Erste von den bereits vorgestellten, welche das Genre “Krimi“ behandelt. Somit haben wir eine große Auswahl und Bandbreite an Literatur in dem ASBE Blog gesammelt.

    Mit dem chinesischen Rechtssystem hatte ich mich bisher noch nicht sehr intensiv auseinandergesetzt. Deshalb war es auch vollkommen neu für mich, dass das chinesische Rechtssystem auf viel älteren Wurzeln beruht als das europäische System. Besonders interessant fand ich, dass es zur Tang-Dynastie bereits einen umfassenden Gesetzeskodex gab, während zum gleichen Zeitpunkt in Europa noch kein geregeltes Recht existierte. Dies zeigt uns, wie fortgeschritten China in diesem Aspekt gegenüber Europa gewesen ist.

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