Lasst mich eure Stimme sein! Sechs Jahre in Nordkoreas Arbeitslagern

Details zum Buch:
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Titel: Lasst mich eure Stimme sein! Sechs Jahre in Nordkoreas Arbeitslagern
Originaltitel: 꼬리없는 짐승들의 눈빛
Autorin: Soon Ok Lee
Verlag: Brunnen Verlag , 6. Auflage (2011)
Seitenzahl: 173 Seiten
ISBN: 978-3-7655-3848-3
Preis: 9,95 €

Ãœber die Autorin:

Soon Ok Lee wurde 1947 in Chungjin, Nordkorea geboren und zog mit ihrer Familie während des Koreakriegs in die Region Onsung.
Als Tochter einer geachteten und privilegierten Familie studierte sie an der angesehenen Wirtschaftsuniversität des Volkes. Sie wurde Mitglied in der kommunistischen Arbeiterpartei und erhielt nach Abschluss ihres Studiums einen Posten als Inspektorin im Materialverteilungszentrum, wo sie schließlich Leiterin der Behörde der Region Onsung wurde. Ihr Leben verlief vorbildlich, sie diente der Regierung und glaubte der Propaganda bedingungslos. Durch eine Intrige geriet sie in einen Machtkampf zwischen Regierung und Sicherheitsapparat und wurde im Zuge dessen zu 13 Jahren Zwangsarbeit im nordkoreanischen “Resozialisierungslager” verurteilt.
Nach 6 Jahren Haft wurde sie 1992 vorzeitig entlassen und floh im Anschluss nach Südkorea. In “Lasst mich eure Stimme sein!” legt Soon Ok Lee ihr Zeugnis über ihre Erlebnisse in Gefangenschaft ab.

Motivation

Angesichts meines anstehenden Auslandssemesters in Südkorea habe ich mich ebenso mit dem Norden der koreanischen Halbinsel beschäftigt. Da im Zusammenhang mit Nordkorea meist die andauernden Kriegsdrohungen und das Atomprogramm im Fokus der medialen Aufmerksamkeit stehen und ich bis dato wenig über die Straflager Nordkoreas wusste, erhoffte ich mir durch den Erlebnisbericht einen tieferen Einblick in die dort herrschenden Zustände zu erlangen. Unter der bestehenden Literatur zu diesem Thema fiel meine Wahl dabei auf Lees Bericht, da ich mir aufgrund des autobiographischen Hintergrunds einen besonders authentischen Einblick versprach.

Inhalt

Die Erzählung beginnt mit einer kurzen Darstellung Soon Ok Lees Lebens bis zu ihrer Inhaftierung. Als sie in ihrer Funktion als Inspektorin dem Sicherheitschef eine Gefälligkeit ausschlägt wird sie wenige Monate später zum Opfer seiner persönlichen Racheaktion. Unvermittelt wird sie während der Arbeit verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht. Offiziell klagt man sie wegen Verletzung der Wirtschaftspolitik und Bestechlichkeit an.
Im Folgenden berichtet Soon Ok Lee, wie sie in Untersuchungshaft unter Drohungen und unvorstellbarer Folter dazu gebracht werden soll ein Geständnis für ein Verbrechen abzulegen, welches sie nie begangen hat. Sie verliert ihre Staats- und Parteiangehörigkeit und damit jede Aussicht auf einen fairen Prozess. Im Glauben ihre Familie schützen und über die wahren Geschehnisse berichten zu können, bewegt man sie nach 14 Monaten letztlich zu einem Scheingeständnis. In ihrer Heimatstadt wird sie dann bei einer Gerichtsverhandlung ohne Verteidigung und Zeugenanhörung zu 13 Jahren im nordkoreanischen Resozialisierungslager in Khechen verurteilt.
Im weiteren Verlauf schildert Soon Ok Lee die grausamen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager und berichtet über die Peinigung und Folter die den Alltag der Inhaftierten bestimmen. Nach 18-stündiger Arbeit sind die Inhaftierten vielfach gezwungen sich einer ideologischen Unterweisung zu unterziehen und müssen Reden von Kim Il-Sung auswendig lernen oder sich in politischen Sitzungen gegenseitig kritisieren.
Der Leser erfährt von der Willkür der Rechtsprechung, öffentlichen Hinrichtungen ohne Prozess und schwangeren Insassen, die zur Abtreibung gezwungen werden oder die bei der Tötung ihrer Neugeboren zuschauen müssen. Viele Insassen sterben als Folge von fehlender medizinischer Versorgung, Folter und Unterernährung.
Im Lager kommt Soon Ok Lee in Berührung mit dem christlichen Glauben und schildert ebenso die besonders grausame Behandlung der Christen im Lager. Auch gewährt die Autorin Einblicke in die Behandlung von Ausländern, insbesondere Südkoreanern, auch außerhalb der Lager in Nordkorea.
Nach 6 Jahren Haft wird Lee überraschend vorzeitig entlassen. Gemeinsam mit ihrem Sohn flieht sie nach ihrer Freilassung über China nach Südkorea, wo sie den christlichen Glauben annimmt und letztlich ihr Zeugnis über ihre Erlebnisse im Straflager ablegt.

Umsetzung

In “Lasst mich eure Stimme sein!” klärt Soon Ok Lee auf schockierende Weise über die Zustände in nordkoreanischen Arbeitslagern auf. Schmucklos und gnadenlos offen beschreibt sie die vorherrschende Gewalt und den Sadismus der Lagerwärter.
Ihr einfacher und direkter Erzählstil tun dem Lesen hierbei keinen Abbruch, sondern unterstreichen vielmehr die Authentizität des Berichts: Im Vordergrund steht nicht das Erzählen einer Geschichte, sondern vielmehr die Aufklärung über die unvorstellbar unmenschlichen Bedingungen im Arbeitslager.
Die Absurdität der Gründe, mit denen die Regierung die Inhaftierung Unschuldiger legitimiert, wird durch ihre Erzählungen über die Schicksale anderer Inhaftierten verdeutlicht.
Anhand ihres Berichts und beispielhaften Erinnerungen werden dem Leser ebenso die innenpolitischen Zusammenhänge Nordkoreas sowie die Indoktrinierung der kommunistischen Ideologie eindrücklich nähergebracht. Lee zeigt wie tief die kommunistische Ideologie in der Denkweise der nordkoreanischen Bevölkerung verankert ist und wie schwer es letztlich ist diese zu durchbrechen. So hält sie selbst nach ihrer 14 monatigen Untersuchungshaft noch an ihrem Parteiglauben fest. Erst nach und nach erkennt sie die Propaganda als solche und realisiert dann auch Anzeichen von Missständen vor ihrer Inhaftierung.

Persönliches Fazit

Soon Ok Lee gelingt es dem Leser den unfassbar grausamen Alltag eines nordkoreanischen Lagerhäftlings näherzubringen. Beeindruckend ist, wie Soon Ok Lee aller physischer und psychischer Folter zum Trotz sechs Jahre des Lagerlebens überstanden hat, ihre Erlebnisse in diesem Buch in schriftlicher Form festhält und sich so mit dem Erlebten erneut auseinandersetzt.
Als zunehmend störend empfand ich beim Lesen allerdings die starken religiösen Bezüge und den Fokus auf die Verfolgung und Misshandlung der Christen in Nordkorea, die gerade im letzten Drittel des Buches zunehmen und sich dem Leser phasenweise regelrecht aufdrängen. Auch Soon Ok Lees christliche Glaubensfindung am Ende des Buches kommt trotz ihrer geschilderten Beobachtungen über die inhaftierten Christen am Ende eher abrupt und wird für den Leser nur wenig schlüssig präsentiert.
Da die systematische Menschenrechtsverletzung in nordkoreanischen Straflagern neben Nordkoreas Atomprogramm eher selten mediale Aufmerksamkeit erlangt und bisher wenig über die tatsächlichen Bedingungen in Nordkoreas Straflagern bekannt ist, ist Soon Ok Lees erschütternder Erlebnisbericht ungeachtet aufgezeigter Kritikpunkte insgesamt lesenswert.
Als besondere Stärke des Buchs erachte ich hierbei, dass es einer der wenigen Augenzeugenberichte nordkoreanischer Straflagergefangenen ist und es sich nicht bloß um eine fiktive Geschichte basierend auf einer aufbereiteten Recherche der Autorin handelt.

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38 Responses to Lasst mich eure Stimme sein! Sechs Jahre in Nordkoreas Arbeitslagern

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  37. weidenkellerm says:

    Dein vorgestelltes Buch stellt ein sehr beeindruckendes Zeugnis einer Frau über eine harte Zeit dar. In dieser Zeit versucht sie um jeden Preis ihre Würde gegenüber einem System, das sie immer mehr als ungerecht und verbrecherisch erkennt, zu verteidigen.

    Dieses Buch scheint insbesondere für die Menschen in Nordkorea geschrieben worden zu sein, die einer sehr willkürlichen und menschenverachtenden Justiz ausgeliefert sind und vor allem für jene in den Strafgefangenenlager leben. Aber auch für die Christen, die in Nordkorea Verfolgung und Misshandlung erfahren und deren konsequentes Festhalten an ihren Glaubensgrundsätzen ausreichend ist um in das Strafgefangenenlager inhaftiert zu werden.

    Damit schaffen die Autoren meiner Meinung nach etwas wundervolles und zwar für Solidarität der Christen weltweit für die koreanischen Glaubensbrüder werben.

  38. scheibnerl says:

    Mein erster Gedanke, als ich deine Rezension gelesen habe war erst einmal: “Unglaublich”. Unglaublich und schockierend die wahren Erlebnisse einer Nordkoreanerin ungefiltert zu lesen. Unglaublich, was diese Frau durchstehen musste und dass sie trotz alldem den Mut und die Kraft aufgebracht hat über ihren erschütternden Lebensabschnitt zu berichten.

    Wie du schon sagst, gibt es bei uns zwar mediale Berichtserstattungen über die politische und gesellschaftliche Situation in Nordkorea, dennoch ist diese bezüglich der erschreckenden Umstände sehr dürr. Und genau deshalb ist es so wichtig und notwendig, dass Nordkoreaner/innen direkt und glaubwürdig von ihren Erlebnissen berichten, um somit weitere Menschen auf die Umstände in Nordkorea‘ s Diktatur aufmerksam zu machen.

    Das, was uns beim Lesen des Buches & der Rezension so mitfühlend macht ist dabei die Tatsache, dass ihre Erzählungen real und glaubwürdig sind. Man hat nicht das Gefühl, dass ein verzerrtes und gefiltertes Bild vermittelt werden soll, sondern vielmehr die Möglichkeit geboten wird Licht in das „dunkle“ und unbekannte Leben in Nordkorea zu bringen.

    Interessant fand ich, dass Soon Ok Lee erst nach 14 Monaten der Folter aufgehört hat das Regimen zu verteidigen und an ihrer Parteizugehörigkeit festzuhalten. Dies zeigt uns mal wieder, dass eine starke Propaganda und eine gefilterte Medien-und Berichtserstattung Menschen dazu bringt, gesellschaftliche und politische Aspekte im eigenen Land hinzunehmen, ohne diese kritisch zu betrachten und hinterfragen. Die ranghohen Menschen (und auch sie in ihren damaligen privilegierten Verhältnissen), verschließen die Augen vor Dingen, die direkt vor ihrer Nase passieren (Folter und Resozialisierungslager). Ich denke, insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte lässt uns dies ganz stark aufhorchen und macht uns sehr betroffen. Ich hoffe, dass uns ins Zukunft noch viele ungefilterte Nachrichten erreichen und die Augen nicht verschlossen werden und sich die Lebensumstände in Nordkorea drastisch verbessern werden.

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