Kai Strittmatter: Gebrauchsanweisung für China

Buchrezension im Rahmen des ASBE Programms von Stephan Greiner

Fakten zum Buch:Cover

  • Titel: Gebrauchsanweisung für China
  • Autor: Kai Strittmatter
  • Verlag: Piper Verlag
  • Erscheinungsjahr: 2008
  • Seiten: 272
  • ISBN: 978-3-492-27574-3
  • Preis: 14,99 €

Motivation:

China – das bevölkerungsreichste und viertgrößte Land der Erde, Entwicklungsland und Wirtschaftsmacht, Land der Armen und Reichen, Land der Gegensätze.

Als ich mich 2012 für das ASBE Programm mit  einem Auslandssemester in China an dem Beijing Institute of Technology beworben habe, beruhte mein gesamtes Wissen über das Land auf Schlagzeilen wie diesen, Schlagzeilen aus unseren Medien, bei denen es größtenteils nur um Wirtschaft und Politik geht, nicht aber um Besonderheiten, Kultur und Menschen des Landes.

Gut vorbereitet war ich also für einen fünfmonatigen Aufenthalt in Beijing nicht. Und seien wir mal ehrlich – selbst wenn ich 100 Bücher über China lesen würde, wäre ich vermutlich immer noch kein zhong guo tong (Chinafachmann).

Bei der Buchauswahl war mir also wichtig, dass es mich auf das vorbereitet, was mich in der Rolle des Ausländers – in China auch lao wai, der Alte von draußen – erwartet. Gesucht war also ein westlicher Autor, der China über einen längeren Zeitraum selbst miterlebt hat und in einem lockeren und humorvollen Schreibstil seine Erlebnisse als Fremder in dieser neuen Welt vorstellt.

Bei der Recherche bin ich auf das Buch „Gebrauchsanweisung für China“ von Kai Strittmatter gestoßen. Als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung hat er acht Jahre in Peking gelebt und somit wohl viele Erfahrungen machen können, die mir in meinem fünf monatigen Chinaaufenthalt bevorstehen. Nach einer kurzen Leseprobe habe ich mich dazu entschlossen, dieses Buch im Rahmen des Literaturformus des ASBE Programms vorzustellen.

Ãœber den Autor:Kai_Strittmatter

Kai Strittmatter wurde im Jahre 1965 im Allgäu geboren und wuchs dort auf. Von 1984 bis 1992 studierte er an der Universität München Sinologie. Während seines Studiums verbrachte er zwei Jahre in Xi’an und Taipeh. Anschließend besuchte der die deutsche Journalistenschule in München. Ab 1997 lebte Kai Strittmatter acht Jahre lang als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Peking. Von 2005 bis 2012 berichtete er für die Süddeutsche Zeitung über die Türkei und Griechenland mit Sitz in Istanbul. Während dieser Zeit bereiste er China regelmäßig. Seit 2012 arbeitet er wieder als Korrespondent in Peking. Die Reportagen, die er während seiner Zeit als Peking-Korrespondent bei der Süddeutschen Zeitung erstellt hat, findet man unter anderem in den Büchern „Atmen einstellen, bitte!“ und „Vorwärts, Genossen!“.

Inhalt und Aufbau des Buches:

Das Buch hat 272 Seiten, unterteilt in 54 Kapitel. Die einzelnen Kapitel haben je eine Chinesische Überschrift, gefolgt von einer sinngemäßen deutschen Übersetzung.

Zwischen den Kapiteln 始 Shi (Der Anfang) und 终 Zhong (The end) vermittelt Kai Strittmatter Eindrücke und Situationen, die er während seines Aufenthalts in China miterleben konnte. Seine Intuition beschreibt er selbst folgendermaßen:

„Es soll dies keine Enzyklopädie werden, mehr ein Taschenwörterbuch. So ernst und so komisch, so absurd und so traurig, so fröhlich und so hintersinnig, wie China sich dem zeigt, der mehr als einmal hinguckt. Manches dräntge sich mir über die Jahre auf, anderes fiel mir eines Morgens vor die Füße, wieder anderes bereitete mir einfach diebische Freude. Es sind Schlaglichter, Mosaiksteinchen, kleine Skizzen, die jeder nach eigenem Gutdünken zu einem größeren Bild zusammensetzen kann.“

Hinzuzufügen ist noch, dass die einzelnen Kapitel „in sich schlüssig“ und „abgeschlossen“ sind und durch keinerlei erkennbare logische Struktur angeordnet oder verknüpft sind.

Die 54 Kapitel beschreiben unterschiedlichste Bereiche zum Thema China aus den beiden Kategorien Gesellschaft und Essen. Zusätzlich gibt es noch einige wenige Kapitel die nicht den beiden Kategorien zugeordnet werden können. Beispielweise das Kapitel „Die vier Übel“, in dem es um die Ratten-, Spatzen-, Mücken- und Fliegenplage und deren Auswirkungen geht, sowie das Kapitel „Tipps zum Schluss“, in dem für zukünftige Chinareisende einige Tipps zusammengefasst sind.

Wichtige Inhalte der Kategorie Gesellschaft sind beispielsweise:

  • Die Aufklärung häufig gehegter Vorurteilen gegenüber Chinesen
  • Die Veranschaulichung der Gegensätze in China
  • Die Bedeutung der Familie für Chinesen sowie die ein Kind Politik
  • Die Leidensfähigkeit und Geduld des Chinesischen Volkes
  • Die staatliche Umerziehung
  • Die Mentalität der Chinesen im Hinblick auf ihren Gemeinschaftssinn und Interessen

In insgesamt 10 Kapiteln rund ums Thema Essen beschreibt Kai Strittmatter beispielsweise:

  • Die Wahrnehmung der Chinesischen Küche durch westliche Länder und die Wahrnehmung der westlichen Küche in China
  • Schwierigkeiten beim Essen mit Stäbchen und warum nicht jede Einladung ernst genommen werden sollte
  • Das zentrale Prinzip des Ausbalancierens von Harmonie und Gleichgewicht in der Chinesischen Küche
  • Die Kulturtechnik und Liebhaberei des Teetrinkens
  • Den chinesische Alkoholkonsum mit den verbundenen Trinksitten und –spielen
  • Die bisher noch unbegründete Angst der westlichen Länder vor dem steigenden Milchkonsum der Chinesen und „Brutalo Gerichte“ der klassischen Küche Chinas

Analyse:

Inhalt:

Der Inhalt des Buches wirkt auf mich sehr gut recherchiert. Sachverhalte werden häufig mit historischen Gegebenheiten oder eigenen Erfahrungen veranschaulicht und sind dadurch glaubhaft. Für ein Taschenbuch mit nur 272 Seiten ist der Informationsgehalt gewaltig – manchmal jedoch etwas zu gewaltig. Es kommt nicht selten vor, dass man beim Lesen den Blick auf die eigentliche Aussage aus den Augen verliert, weil in Nebensätzen ganz neue, nicht minder interessante, Informationen auftauchen. Die 54 Kapitel sind alle in sich schlüssig und abgeschlossen. Dadurch versteht der Leser immer alles, unabhängig davon in welcher Reihenfolge er die Kapitel liest. So kann er immer erst die Kapitel lesen, die ihn am meisten interessieren. Die Überschriften der einzelnen Kapitel bestehen immer aus zwei Teilen – dem Chinesischem Teil und dem deutschen Teil. Leider wird durch die teils sehr abstrakten Kapitelüberschriften der Inhalt nicht immer ersichtlich. Beispielweise wird beim Kapitel „Ye wei, der Geschmack der Wildnis. Oder: Der begossene Esel“ erst nach dem Lesen klar, dass es sich hierbei um eines der traditionellen „brutalo Gerichte“ der chinesischen Küche handelt.

Sprache und Stil:

Kai Strittmatter schlägt in seinem Buch einen sehr lockeren und unterhaltsamen Umgangston an. Er beschreibt Situationen humorvoll und sarkastisch und bringt den Leser dadurch nicht selten zum Schmunzeln. Durch geschickte Perspektivenwechsel bei der Erzählung, schafft es Kai Strittmatter die Spannung zu halten und die Aufmerksamkeit des Lesers zu fesseln. Mal beschreibt er die Inhalte aus der Sicht des deutschen Chinareisenden, mal aus Sicht eines Chinesen und mal aus Sicht eines unbeteiligten Beobachters.

Verständlichkeit:

Die Inhalte des Buches sind selbst für Chinaneulinge gut verständlich und einfach nachzuvollziehen. Lediglich der hohe Informationsgehalt überfordert an manchen Stellen und macht das erneute Lesen des Absatzes notwendig um sämtliche Informationen zu erfassen.

Fazit:

Insgesamt finde ich das Buch sehr unterhaltsam und informativ. Es hat mir einige faszinierende Aspekte Chinas näher gebracht, die sich aus dem Kulturunterschied ergeben und mir so eine offenere, unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der chinesischen Kultur ermöglicht.

Was mich an dem Buch ein wenig gestört hat war der irreführende Titel „Gebrauchsanweisung für China“. Um eine richtige Gebrauchsanweisung handelt es sich bei dem Buch meiner Meinung nach nicht. Vielmehr wird, wie schon von Kai Strittmatter beschrieben, eine Sammlung von Schlaglichtern und Mosaiksteinen geboten, aus denen der Leser sich eigene Bilder und Informationen ableiten muss.

Trotz des irreführenden Titels hilft das Buch dabei, sich auf die Kultur Chinas einzulassen  und ist daher für zukünftige Chinareisende und – interessierte sehr zu empfehlen.

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