Politik in Japan – Das Innenleben einer Wirtschaftsweltmacht

  • Titel: Politik in Japan – Das Innenleben einer Wirtschaftsweltmacht
  • Autor: Jürgen Hartmann
  • Verlag: Campus Verlag
  • Erscheinunsjahr: 1992
  • ISBN:3-593-34655-9
  • Seiten: 233

Das Buch:
„Politik in Japan – Das Innenleben einer Wirtschaftsweltmacht“ ist ein wissenschaftliches Buch, welches in der Bibliothek der Universität Paderborn erhältlich ist. Darin enthalten ist eine Analyse über die wichtigsten Strukturen der japanischen Politik.

Der Autor:
Jürgen Hartmann war bis 2011 Professor am Institut für Politikwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Analysen im politikwissenschaftlichen Gesellschaftsbereich, insbesondere die vergleichenden Politik-wissenschaften.

Inhalt:
Die inhaltliche Auslegung ist in drei Hauptteile gegliedert. Dies sind die historische Einbettung, die soziologischen und psychologischen Einflüsse, sowie die Ausprägung verschiedener Elemente des politischen Systems. Am Ende dieser drei Punkte steht ein sehr detailliertes und strukturiertes Bild der japanischen Politik. Dieses Bild zieht sich als roter Faden durch die Ausführungen des Autors und die zahlreichen Unterpunkte werden damit in Verbindung gebracht.

Der Blick zurück in die Geschichte geht zurück bis ins 8. Jahrhundert. Dank chinesischer Einflüsse kamen nicht nur der Konfuzianismus und die Schrift nach Japan, sondern auch das chinesische Staatssystem mit dem Kaiser als himmlischer Herrscher im Zentrum der Macht. Um dieses System stabil zu halten gab es regionale Herrscher, die in absoluter Loyalität zum Kaiser standen. Zu dieser Zeit bildete sich auch die Klasse der Samurai heraus, die ebenfalls loyal zum jeweiligen regionalen Herrscher standen. Auf diese Weise bildeten sich die Grundzüge der straffen Hierarchie aus, die in Japan bis heute deutliche Züge hat. Ende des 16. Jahrhunderts gelang die gewaltsame Vereinigung der regionalen Machthaber.
Begünstigt durch seine geographische Insellage erlebte Japan in Folge dessen eine lange Zeit des inneren Friedens in diesem System. Die Gesellschaftsform der Hierarchie festigte sich und brannte sich tief in die japanische Seele ein. Verstärkt wurde dieser Prozess noch durch die nahezu vollständige Abschottung der Insel vom Rest der Welt.
Im Jahre 1853 wurde Japan dann zur Öffnung des Landes durch die USA gezwungen, die den Japanern militärisch deutlich überlegen waren. Dies führte zu einem radikalen Umdenken der japanischen Elite. Mit dem Schicksal des Nachbarn Chinas vor Augen, welcher fast kolonialisiert wurde, entschied man sich für die Übernahme der westlichen Standards. Die gebildetsten Leute des Landes wurden in westliche Staaten entsandt, um kurze Zeit später die Verwaltung wie die Franzosen, das Zivil- und Strafrecht der Preußen, sowie das Militärwesen der Engländer aufzubauen. Außerdem gab es 1899 die erste Verfassung und die erste Regierung in Japan.
Dieser Modernisierung verhalf Japan, sich eine militärische Überlegenheit in der Region zu verschaffen. Das Militär gewann mehr und mehr an Macht und entschied quasi im Alleingang zum Angriff gegen China und Korea, welcher durch ihren Erfolg gerechtfertigt wurde. Erst nach der Niederlage im 2. Weltkrieg änderte sich das Staatssystem grundlegend und hat bis heute Aktualität.
Japan war das erste Mal in seiner Geschichte besetzt. Die Militärregierung wurde zerschlagen und dem Kaiser wurde als Heerführer abgesetzt. Die alte Elite wurde entmachtet und die Macht dezentralisiert. Somit verschob sich ein Teil der Macht von Tokio aus in die einzelnen Präfekturen, welches ein Erstarken von örtlichen Strukturen und von einer Zivilgesellschaft zur Folge hatte.

Die soziologisch-psychologischen Einflüsse auf die Politik lässt sich einteilen in den Konfuzianismus, die Struktur von Gruppen, sowie Loyalität. Der Konfuzianismus gilt als Lehre der gesellschaftlichen Harmonie. Das bedeutet für Entscheidungsprozesse, dass man immer auf den Konsens ausgerichtet ist. Es werden mittels vieler Gespräche im Vorfeld Entscheidungen mit möglichst kleiner Minderheit angestrebt. In der Politik spricht man dabei von Prinzip des nemawashi (= empfindliche Wurzeln ausgraben). Dabei werden inhaltliche Verhandlungen und Konkurrenz nicht öffentlich ausgetragen. Auseinandersetzungen sind eher rituell und bei Abstimmungen ist ein Sieg kein Triumph und eine Niederlage kein Gesichtsverlust.
Gruppen sind in Japan historisch bedingt streng hierarchisch aufgebaut. Die Grundlage ist die Familie, bei der erst der Vater und dann der Sohn an der Spitze steht. Aber auch der Staat wird als Großfamilie angesehen. Hier steht der Kaiser ganz oben, gefolgt von seinen Beamten, den Politikern und unten das Wahlvolk. Wegen des bereits erwähnten Harmonie-bedürfnisses gestaltet sich Führung von Gruppen jedoch weniger autoritär. Stattdessen wird Führung eher durch Vorbildfunktion als über Zwang definiert. Es ist die Aufgabe der Führungsperson für Einheit in der Gruppe zu sorgen. Dies drückt sich sehr konkret im politischen Alltag aus. Die Mandatsträger der einzelnen Präfekturen werden als Führer der Gruppe gesehen. Oft sind persönliche Kontakte zu der Region stark, so dass ein ausgeprägter Klientelismus existiert.
Solch vertikale Gruppen sind in Japan wesentlich stärker als horizontale Gruppen. Interessengruppe, wie zum Beispiel Gewerkschaften. Auch die Abgeordneten sehen sich weniger auf einer Ebene, sondern vielmehr als Teil einer Hierarchie. Dies wird noch verstärkt durch den alten Samurai-Gedanken, dass man nur einem Herrn dienen kann.
Die Loyalität ist ebenso ein bedeutender Faktor für die Macht in Japan. Die eben beschriebene Gruppenstruktur ist sehr schwer zu erreichen, ist sie jedoch einmal geschaffen, ist sie sehr stabil. Das liegt daran, dass die Japaner sehr loyal zu ihrer Gruppe stehen, da es ihnen Sicherheit und Stabilität bietet. So kommt es, dass Politiker oft über Jahre hinweg ihre Macht  behaupten können und stets wiedergewählt werden. Bis zur Veröffentlichung des Buches gab es in der Nachkriegszeit nur eine regierende Partei. Dieses ist die wirtschaftsnahe Liberaldemokratische Partei LDP. Da sie die Interessen der Wirtschaft bedient, sichern sie sich die Wählerstimmen von ganzen Unternehmen, die aufgrund der Hierarchie, der Harmonie und der Loyalität alle die gleiche Partei wählen.

Nach dieser Einbettung erläutert der Autor die Struktur der japanischen Politik. Es gibt drei wichtige Machtblöcke, die auf das politische Geschehen Einfluss nehmen. Das sind die Abgeordneten der LDP, die Verwaltung und die Großunternehmen.
Wie bereits erwähnt wird aus jeder Provinz ein Abgeordneter für das Parlament direkt gewählt, in der Regel ist dieser ein Mitglied der LDP. Die verschiedenen Parteien definieren sich jedoch nicht in ihrer Weltanschauung, oder in ihrem Parteiprogramm. Vielmehr ist es die Aufgabe der Politiker, sich lokale Unterstützerkreise aufzubauen, die ihnen ins Amt helfen. Als Konsequenz ist es das primäre Interesse des Abgeordneten, ihre Klientel zu bedienen. Der Wahlkampf ist daher sehr personenbezogen und gleicht eher einem innerparteilichen Kampf als einer offenen Auseinandersetzung. Für die Opposition ist es hier sehr schwer sich zu profilieren, weswegen die LDP eine derartige Dominanz hat.
Als zweiter Machtblock gilt die Verwaltung mit den Beamten. In der Regel sind die Minister wenig sachkundig und auch der Premier wirkt eher als Vermittler als jemand, der Politik konkret gestaltet. An dieser Stelle greifen die Beamten ein. Die Laufbahn eines Beamten in Tokio ist fest vorgeschrieben und jeder Anwärter durchläuft fest vorgeschrieben Etappen bei seiner Ausbildung zum Generalisten. Nach Abschluss sind diese also gut vernetzt innerhalb der Verwaltung und sind daher den Abgeordneten fachlich und strategisch überlegen. Als das mächtigste Ministerium gilt das Ministerium for International Trade and Industry MITI, welches aus dem früheren Verteidigungsministerium entstanden ist.
An dieser Stelle bekommen die Großkonzerne eine wichtige Rolle zugeschrieben. Diese sind meist sehr gut mit dem MITI vernetzt und betreiben aktiven Lobbyismus. Gleichzeitig übernehmen sie eine wichtige Funktion im Staat. Oft besteht in der japanischen Arbeitswelt eine große Loyalität, sowohl von Arbeitnehmer- als auch von Arbeitgeberseite. Entlassungen sind ebenso selten wie Arbeitskämpfe und auch sonst besteht eine enge Verbindung. Dieses führt dazu, dass der Staat sich größtenteils aus dieser Beziehung heraushält. Soziale Leistungen werden von den Firmen angeboten und nicht vom Staat. Die meisten politischen Entscheidungen sind daher wirtschaftsfreundlich und verfolgen die Politik eines kleinen, wenig eingreifenden Staates.
Zur Komplettierung fehlt noch die Judikative des Staates. Auch hier gibt es einen japanischen Sonderweg. Aufgrund der Harmonie gilt das Anrufen eines Gerichtes als Versagen der Gesellschaft. Anstatt zu klagen wird oft der Weg über Vermittler gewählt. Dementsprechend gibt es nur wenige Juristen. Wenn Prozesse stattfinden, dann wird auf ein Geständnis hingearbeitet, welches ein Verbleib in der Gesellschaft ermöglicht. Sollte ein Geständnis jedoch nicht erfolgen, sind drakonische Strafen zu befürchten, der Todesstrafe inklusive.

Fazit:
Insgesamt ist das Buch „Politik in Japan“ sehr aufschlussreich. Es ist klar strukturiert und führt den Leser sehr gut durch die einzelnen Kapitel. Dabei wird stets das Gesamtbild des Buches beachtet und die Botschaft präzise formuliert. Die Informationsdichte ist in diesem Buch gemäß eines wissenschaftliches Textes sehr hoch, so dass es hilft, bereits einige Vorkenntnisse über Japan zu haben.
An einigen Stellen wird deutlich, dass das Buch bereits relativ alt ist. So sind neuste Entwicklungen nicht berücksichtigt, insbesondere sind die geschilderten Probleme Japans nicht mehr aktuell.
Da aber das Fundament der Politik mit der Verbindung zur Geschichte und zur Gesellschaft im Vordergrund steht, ist dieses Buch dennoch sehr hilfreich für das Verständnis der gegenwärtigen Entwicklungen der japanischen Politik.

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