Buchrezension: Schlaflos in Seoul – Korea für ein Jahr

Cover

  • Titel:                          Schlaflos in Seoul                                                                            Korea für ein Jahr
  • Autorin:                    Vera Hohleiter
  • Taschenbuch:        192 Seiten
  • Verlag:                      Deutscher Taschenbuch Verlag                                                    (dtv, 1. Juli 2009, München)
  • Sprache:                   Deutsch
  • ISBN-10:                   3423211539
  • ISBN-13:                   978-3423211536
  • Größe:                       19 x 11,8 x 2,4 cm
  • Preis:                          € 8,95 [D] / € 9,20 [A]

 

Schlaflos in Seoul – Ein Muss für all jene, die Korea nicht nur aus der Touristenperspektive erleben möchten

 Aktueller Bezug

Korea hatte in den letzten Wochen und Monaten in aller Welt eine hohe Medienpräsenz. Es handelte sich größtenteils um Negativschlagzeilen, die von Provokationen Nordkoreas ausgingen und darauf folgende Reaktionen Südkoreas und dessen wichtigsten Verbündeten, den USA. Auch beobachtete die Öffentlichkeit die Reaktionen der Volksrepublik China, die eine freundschaftliche Beziehung ideologischen Ursprungs zu Nordkorea führt und das Land aufgrund seiner Separation vom Weltmarkt unterstützt.

Aufgrund intensiver Auseinandersetzung mit seinem Zielland Südkorea hat der designierte Paderborner ASBE-Reisende derartige Nachrichten gespannt verfolgt. Durch seine Reisepläne hat er auf eine baldige Entschärfung der Situation und eine allgemeine Entwarnung gehofft, galt Südkorea doch bei seiner Bewerbung noch als eines der sichersten Länder Asiens. Leider bleibt ihm nach wie vor nur zu hoffen. Obwohl der Wissensbestand hiesiger Reisender über Korea, seine Geschichte, seine Teilung und Andersartigkeiten aller Art mittlerweile deutlich über das durchschnittliche Maß hinausgeht, hat die intensive Berichterstattung der Medien vor allem zu einem Schluss geführt: Das Land ist anders, als wir geglaubt haben und wir wissen noch längst nicht alles darüber. Und genau dort, bei dem offensichtlich vorliegenden Informationsdefizit, dem sich beinahe jeder Nicht-Koreaner ausgesetzt sieht, setzt Vera Hohleiters Werk Schlaflos in Seoul – Korea für ein Jahr an.

Die AutorinVera Hohleiter

Die Heilbronnerin Vera Hohleiter wurde 1979 geboren und studierte in Berlin und Paris Literatur-, Politik- und Geschichtswissenschaften. Die Autorin, die 2004 ihre Diplomarbeit über avantgardistische Lyrik aus dem ersten Weltkrieg fertig stellte, schreibt für diverse Printmedien und veröffentlicht Kurzprosa.Derzeit arbeitet sie in Seoul für das koreanische Fernsehen und den Hörfunk. Hohleiter selbst sagt, dass sich ihr in Korea ungeahnte Möglichkeiten aufgetan haben, die es in der Form in Deutschland nicht gegeben hätte; so genügte ihr „europäisches Gesicht und [ihr] Kindergartenkoreanisch als Qualifikation, um ins Fernsehen zu kommen“ (S. 181).

Schlaflos in Seoul

Schlaflos in Seoul ist ein autobiografisches Werk der reiselustigen Vera Hohleiter, in dem sie über Alltag und die Skurrilität Koreas berichtet. Das Buch richtet sich neben Koreareisenden auch an Koreainteressierte und all jene, die bereits Erfahrungen mit fremden Ländern und Kulturen gemacht haben und die an anderen, ähnlichen Erfahrungen interessiert sind.

Nach ihrem Studium, diversen Reisen und einigen temporären Jobs sucht die junge, weltgewandte Literaturwissenschaftlerin das Abenteuer in Korea. Auch wenn sie in ihrem Leben kaum Kontaktpunkte zu Korea oder Koreanern hatte, entschließt sie sich dank ihrer „Warum nicht?“-Mentalität zu einem einmonatigen internationalen Projekt in einer koreanischen Provinz. Es wäre eine weitere kurze Reiseerfahrung für sie geblieben, wenn sie nicht den offenen und charmanten Koreaner Joe kennengelernt hätte, der sie mit ungewohnter Direktheit und seinem hübschen Aussehen gefesselt hätte.

Ein willkommener Zufall sind die anstehenden Auslandssemester Joes in London. Währenddessen ist Vera zurück in Berlin und die beiden nutzen jede Gelegenheit sich zu sehen und voneinander zu lernen. Beiden ist klar, dass Joes Aufenthalt in Europa nicht von Dauer ist und dass er bald wieder zurück nach Korea müsse. Kurzentschlossen kündigt Vera ihren Job, die Wohnung, klärt alle Formalitäten, packt ihre Koffer und reist nach Seoul, wo sie weiter mit Joe zusammen sein kann.

Trotz rudimentärer Koreanischkenntnisse, die Vera in Berlin erlernen konnte, findet sie sich nur mühsam in der Dreizehnmillionen-Stadt zurecht. Frustriert muss sie feststellen, dass außerhalb der Universität kaum jemand Englisch spricht und auch die Verständigung mit Händen und Füßen ihre Grenzen hat. Vera nimmt an Sprachkursen teil, gewinnt Freunde und genießt das Zusammensein mit Joe, auch wenn sie es mit ihm, mit seiner Familie und mit seinem Freundeskreis nicht immer leicht hat.

Kritische Analyse

In ihrem Werk Schlaflos in Seoul berichtet Vera Hohleiter von ihren Eindrücken Koreas als Ausländerin. Sie erzählt von alltäglichen Erlebnissen, von faszinierenden und von verstörenden Dingen, die sie in der bunten, schnellen Welt Seouls entdeckt. Das Buch ist in 23 Kapitel gegliedert. Während in den Anfangskapiteln eine klare chronologische Reihenfolge zu erkennen ist, wird diese im Verlaufe des Buches zugunsten einer thematischen Abgrenzung der jeweiligen Kapitel zurückgestellt. Dem Leser ist zwar somit in weiten Teilen des Buches nicht klar, wann sich bestimmte Ereignisse zugetragen haben, jedoch bewerkstelligt es die Autorin gekonnt, den zeitlichen Aspekt in den Hintergrund zu rücken. Dies geschieht vor allem durch den Aufbau des Buches: Die Kapitel widmen sich jeweils einem bestimmten Thema, zu dem Vera Hohleiter ihre Erfahrungen und Eindrücke durch eine Geschichte ihres Aufenthalts vor Ort kundtut. In diesen oft anekdotenhaften Erzählungen geht es um die Skurrilität Südkoreas, die sie wortgewandt diskutiert und mit europäischen Gewohnheiten und Bräuchen in Verbindung setzt. Mit den gewählten Überschriften (Blind Date als Volkssport, Hochzeit im Akkord, Mitbewohner und anderes Getier) spricht Vera Hohleiter insbesondere jüngere Erwachsene bis mittleren Alters an und schafft es gekonnt diese zum Weiterlesen zu motivieren.

Bewertung

Grundsätzlich ist das Buch Schlaflos in Seoul für Leser aller Altersklassen geeignet. Insbesondere aber ist durch Vera Hohleiters individuelle Situation (Mitte 20, Abgeschlossenes Hochschulstudium, reiselustig, weltoffen) in Kombination mit ihrem autobiografischen Erzählstil für Leser mit ähnlichem Hintergrund eine Leseempfehlung auszusprechen. Europäern, vor allem Deutschen, die ihren Blick über den touristischen Tellerrand herauswagen wollen, sich mit Korea beschäftigen und eine Reise dorthin planen, ist Schlaflos in Seoul uneingeschränkt zu empfehlen. Auch Asieninteressierten, die etwas über eine andere Kultur erfahren wollen, ist dieses Buches ans Herz zu legen, auch wenn die gebotenen Informationen zumeist landesspezifisch sind und sich nur sehr abstrakt auf andere asiatische Länder übertragen lassen. Die wenigen geschichtlichen Einblicke beziehen sich zumeist auf das Spannungsfeld zwischen Südkora und China sowie Japan. Durch die beinahe kontextlosen Kapitel ist auch ein Herausgreifen interessanter Abschnitte für den Leser problemlos möglich; eine vollständige Lektüre ist also empfehlenswert, jedoch nicht nötig.

Insgesamt bietet das Werk einen Vorgeschmack auf Erlebnisse, die ein Besuch in Südkorea aus der Sicht einer jungen Deutschen mit sich bringt. Wenn Vera Hohleiter nicht direkt Handlungsempfehlungen für ein kluges und angemessenes Verhalten in Südkorea ausspricht, geizt sie im gesamten Verlauf des Buches nicht an Informationen, aus denen sich direkt oder indirekt wertvolle Tipps und Empfehlungen ableiten lassen. Auch wenn es im Verhältnis Nord- und Südkoreas lediglich bei der allgemeinen Feststellung bleibt, dass es dieses Gesprächsthema weiträumig zu umgehen gilt, so bringt die Autorin vielerlei Fakten auf den Tisch, die das Potential haben, dem Reisenden in Korea das Leben zu erleichtern.

Sprachlich ist Vera Hohleiters gekonnter und erfrischender Umgang mit Worten hervorzuheben. Durch interessante, teils aufregende Erzählungen weiß die Autorin mit Humor die Faszination und das Leid einer Fremden in einem fernen Land zu beschreiben. Aufgrund seines unmittelbaren thematischen Bezugs und eines durchweg angenehmen Schreibstils kann das Buch, mit seinen knapp 200 Seiten, beinahe als Pflichtlektüre für den koreareisenden ASBE-Studenten bezeichnet werden. Ein Ansteigen von Neugier und individueller Reiselust mit jedem Kapitel ist quasi garantiert.

 

Schlaflos in Seoul – Korea für ein Jahr von Vera Hohleiter ist erstmals 2009 beim Deutschen Taschenbuch Verlag (München) erschienen. Die 3. Auflage (Originalausgabe, 2010, dtv) kostet € 8,95 [D]. Das Cover zeigt die junge Autorin in einer typischen Flaniermeile Seouls (Foto: Kim Sung-ryong).

 

Eine Rezension von Alexander Pütsch

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