Menschenduft – Erzählungen von SONG Kiwon

Eine Buchrezension von Alexander Golderbein im Rahmen des Medien- und Literaturforums für das Modul ASBE I

Menschenduft_Buchcover

Titel: Menschenduft
Autor:
SONG Kiwon
Gebundene Ausgabe:
227 Seiten
Verlag: Pendragon
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3-86532-038-4

Meine Motivation
Auf der Suche nach einem passenden Buch war mir von vornherein klar, dass ich einen Roman oder eine Erzählung lesen möchte. Es sollte etwas aus dem Bereich der Belletristik sein. Erzählungen und Geschichten eines in Südkorea lebenden und geborenen Schriftstellers ermöglichen einen einzigartigen Blick in die Kultur des Landes. Der Titel des Buches und der Klappentext auf der Rückseite überzeugten mich schließlich. Ich war sicher, mit diesem Buch viel über die Kultur Südkoreas und die dort lebenden Menschen aus Sicht des Autors zu erfahren. Zudem ist die Geschichte von Song Kiwon in einer für Südkorea geschichtlich sehr bedeutsamen und prägenden Zeitspanne eingeordnet.

Der Autor
Song Kiwon wurde 1947 geboren. Er studierte Creative Writing und veröffentlichte 1974 seine erste Erzählung in einer Tageszeitung. Daraufhin wurde er schlagartig bekannt. Mehrere Erzählungen und Romane folgten, und 1993 wurde er mit dem renommierten Dongin-Preis ausgezeichnet. Dies ist eines der renommiertesten Literaturpreise Koreas.song-kiwon

Historischer Kontext
Die Nachkriegszeit in den 50er bis zu den 60er Jahren spielt eine zentrale Rolle in diesem Buch. Die Armut, Grobheit, Härte, Unzufriedenheit und die vorherrschenden Erkrankungen zu dieser Zeit werden eindrucksvoll dargestellt. Die Landflucht als Folge der Industrialisierung und das Wirtschaftswunder, beides ab 1960, tritt auch in beeindruckender Weise immer wieder zum Vorschein. Zudem wird durch die Teilnahme des Protagonisten an Studentendemonstrationen in den 80er Jahren auch der Seouler Frühling hervorragend thematisiert.

Inhalt des Buches
Der Schriftsteller Daeun erinnert sich als Icherzähler mit neun unterschiedlichen Erzählungen an sein Leben. In jeder seiner acht Erzählungen erinnert sich Daeun an eine in seiner Kindheit und Jugendzeit besondere, sein Leben prägende Persönlichkeit. Dabei trägt die Überschrift jeder Erzählung auch den Namen der jeweiligen Persönlichkeit. Zu seinem Lebensumfeld und zu jeder dieser Personen hat Daeun eine besondere Beziehung. In jeder Erzählung werden unterschiedliche abenteuerliche und spannende Geschichten erzählt, die die handelnden Personen durchleben. Als Erwachsener begegnet Daeun jeder dieser neun Persönlichkeiten aus seiner Kindheit und Jugendzeit auf unterschiedliche Art und Weise wieder. Dabei werden die durchlebten Veränderungen dieser Personen sichtbar und Daeun gibt jedem dieser Menschen eine neue Bedeutung.

Aufgewachsen als unehelicher Sohn einer Marktfrau im Dorf Saejon im Südwesten Südkoreas begegnet Daeun in seiner Kindheit sehr vielen besonderen Menschen und stellt mit seinen Erinnerungen über deren Schicksale sowie sein eigenes die Armut und Landflucht in seiner Umgebung zu der damaligen Zeit sehr anschaulich dar. So lernt er im Nachbardorf Gametuk, das nur aus fünf bis sechs Hütten besteht, die blinde Frau Kssuni kennen, die eines Nachts vergewaltigt wird und seitdem beschämt ist. Mit dem Baby im Bauch verschwindet Kssuni spurlos aus Gametuk und mit der Zeit folgen ihr auch die anderen Bewohner bis Gametuk völlig verlassen ist. Daeun, der größtenteils von seiner elf Jahre älteren Schwester aufgezogen wird, ist in seiner Kindheit ein richtiger Raufbold und Marktrüpel. So kommt es ihm da für seinen Ruf sehr ungelegen, dass er seinen Cousin Yusaeng laut seiner Mutter als großen Bruder anreden muss, wo Yusaeng doch eine Heulsuse und ein Opfer der Prügelknaben ist. Es kommt zu einem Kampf zwischen beiden mit schlechterem Ausgang für Yusaeng. Nach einer Tracht Prügel für Daeun schickt Daeuns Mutter die Beiden zu Yusaengs leiblicher Mutter, die ihn damals im Stich gelassen hatte. Es kommt zu einer emotionalen Begegnung bei der klar wird, dass seine leibliche Mutter in noch viel ärmlicheren Verhältnissen als Yusaeng lebt. Yusaeng verspricht ihr dabei sie später zu sich zu holen, sobald er genug Geld habe. Daeun ist ein guter Schüler, und deswegen fallen ihm leicht schlechtere Schüler auf. Beispielsweise Makdong, der gebaut ist wie ein “Herkules” aber noch nicht einmal vernünftig zählen kann. Oder Seongkwan, der aufgrund seiner Armut fast alles isst, was er zu Gesicht bekommt. Doch Seongkwan schafft es durch sein handwerkliches Geschick, in einem Chinarestaurant in Seoul anzufangen und später in Saejon sein eigenes Chinarestaurant zu eröffnen. Die aufgrund der Armut vorherrschenden Krankheiten werden durch Daeun sichtbar gemacht, wie beispielsweise eine Darstellung des an Tuberkulose erkrankten Mannes von Watschele oder das heimliche Treffen zwischen Pongae und ihrer leiblichen und zugleich leprakranken Mutter aus Gametuk. Unsittliche Verhaltensweisen kommen zutage. Der neue Mann Watscheles, ein Pansori-Sänger, vergeht sich an der Tochter aus erster Ehe und schwängert diese und auch die Brutalität und das unmenschliche Verhalten von Daeuns Schwiegervater gegenüber seiner Mutter kommen ans Licht. Daeun schafft es trotz aller Umstände, ein Studium zu beginnen. Er beteiligt sich als Schriftsteller und Student an Demonstrationen gegen das Diktatur-Regime des Präsidenten Chung-hee Park und wird verhaftet. Aufgrund dessen und wegen seiner Erfolge als Schriftsteller wird er von seinem Cousin Pongae, der ihn in diesem Lebensabschnitt oft begleitet, als Held ihrer Sippe bezeichnet, der Geschichte schreibt.

Als Erwachsener begegnet Daeun all diesen Personen auf verschiedene Weise wieder. So trifft er als Student Kssuni in Seoul wieder, die mit ihrem Sohn auf der Straße bettelt. Und später sieht er sie erneut zusammen mit ihrem Enkel vor ihrem Kiosk in Gametuk. Daeun möchte ein Foto für sein neues Werk machen und bemerkt, dass Gametuk nun voller Gewächshäuser ist. Er ist froh, dass es Kssuni wieder besser geht und sie Frieden mit sich und ihrem Leben geschlossen hat. Nach 30 Jahren trifft Daeun auch Yusaeng wieder, der seine leibliche Mutter zu sich in seine neue 2-Zimmer-Wohnung geholt hat. Aus Respekt davor spricht Daeun Yusaeng 30 Jahre später das erste Mal mit “großer Bruder” an. Seongkwan ist leider ein paar Jahre nach der Eröffnung seines Restaurants an Tuberkulose gestorben. Sein entbehrungsreiches Leben holte ihn leider wieder ein. Im Fernsehen erblickt Daeun Watschele, die in einer Sendung ihren Billiglokal in Seoul vorstellt. In einer Institution für Sozialfürsorge trifft Daeun das letzte Mal auf Makdong, der dort residiert. Mit Jongae trifft Daeun sich in einem Restaurant und Pongae ladet ihn zu seiner Einweihungsfeier in seine neue Wohnung ein. Das traurigste Wiedersehen bildet wohl Daeuns Treffen mit seiner elf Jahre älteren Schwester Yangsun, die ohne Zweifel eine der wichtigsten Personen in seinem Leben darstellt und mittlerweile eine alte Frau ist. Sie sieht er das letzte Mal an ihrem Sterbebett.

Fazit
Mit seinem Buch Menschenduft thematisiert Song Kiwon unterhaltsame, tragische aber zugleich auch komische Geschichten, die sich in einem wichtigen Zeitalter der südkoreanischen Geschichte abspielen. Der Schreibstil hält ständig das Interesse wach und die für den Leser oft unerwarteten Ereignisse riefen in mir während meines Leseprozesses häufiges Staunen hervor. Durch ständige Interaktion von Vergangenheit und Gegenwart wird der Kontrast zwischen traditionellem und neuzeitlichem Südkorea unmissverständlich erkennbar. Rituale, Ahnenverehrung, Aberglaube sowie der konfuzianische Einfluss kommen in diesem Buch immer wieder zum Vorschein und geben einen schönen Einblick in das traditionelle Südkorea. Durch einzigartige Geschehnisse auf ländlichen Marktplätzen und im Dorfe wird die Situation in der ländlichen Region Südkoreas in der Nachkriegszeit eindrucksvoll beschrieben. Der Umbruch zu einem Industriestaat wird immer wieder an einzelnen Stellen dadurch sichtbar gemacht, dass die handelnden Personen neue Berufe ergreifen und in städtische Regionen ziehen. Song Kiwon gelingt es gleichzeitig, Daeun immer wieder in zentralen Geschehnissen des sich wandelnden Südkorea teilhaben zu lassen. Der Einfluss Chinas und der Einfluss der japanischen Kolonialzeit auf Südkorea werden zusätzlich immer wieder am Rande klar erkennbar zusammen mit den wunderschön wiedergegebenen Landschaftsbildern, die Daeun während seines Lebens wahrnimmt. Jedoch werden auch sehr viel Leid, Kummer und Gewalt in den Erzählungen wiedergegeben, die dem Leser oft ein schreckliches Bild bieten. Schade ist auch, dass die wohlhabende und reichere Gesellschaftsschicht in diesem Buch nicht so sehr zur Geltung kommt. Aufgrund der erschütternd vielen Schicksalsschläge der handelnden Personen legte das Buch für mich persönlich oftmals zu stark den Fokus auf Traurigkeit und tragische Enden. Ich hätte gerne öfter ein Happy End gesehen. Daher empfehle ich dieses Buch vor allem denjenigen, die sich sehr für Literatur und insbesondere Dramen interessieren.

This entry was posted in Generals. Bookmark the permalink.

46 Responses to Menschenduft – Erzählungen von SONG Kiwon

  1. Pingback: google download

  2. Pingback: charles

  3. Pingback: chester

  4. Pingback: enrique

  5. Pingback: kurt

  6. Pingback: seth

  7. Pingback: dan

  8. Pingback: Jerry

  9. Pingback: shane

  10. Pingback: karl

  11. Pingback: Dale

  12. Pingback: Ricardo

  13. Pingback: donald

  14. Pingback: Daryl

  15. Pingback: nelson

  16. Pingback: Herbert

  17. Pingback: ross

  18. Pingback: Jordan

  19. Pingback: Bruce

  20. Pingback: rick

  21. Pingback: todd

  22. Pingback: allen

  23. Pingback: fred

  24. Pingback: Julian

  25. Pingback: Sergio

  26. Pingback: nathan

  27. Pingback: adrian

  28. Pingback: harold

  29. Pingback: warren

  30. Pingback: timothy

  31. Pingback: jeffrey

  32. Pingback: Patrick

  33. Pingback: Andre

  34. Pingback: Christopher

  35. Pingback: ricardo

  36. Pingback: morris

  37. Pingback: lloyd

  38. Pingback: steve

  39. Pingback: andy

  40. Pingback: roger

  41. Pingback: Jeremy

  42. Pingback: cody

  43. Pingback: walter

  44. Pingback: Scott

  45. Pingback: martin

  46. Pingback: Rick

Comments are closed.