Die Langnasen. Was die Chinesen über uns Deutsche denken.

Buchrezension von Saikal Gerlach

 

Autoren: Yu-Chien Kuan; Petra Häring-Kuan

Erscheinungsjahr:  Oktober 2009

Aktuelle Ausgabe: 5 Auflage (September 2011)

Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag

Seitenzahl: 317

ISBN: 978-3-596-18505-4

Preis: [D] 8,95€

Motivation

Das Buch „ Die Langnasen. Was die Chinesen über uns Deutsche denken.“ wurde uns im Rahmen der Bibliotheksführung am Landesspracheninstitut Bochum von der Mitarbeiterin, einer promovierten Sinologin,  als sehr lesenswert vorgestellt.  Da ich in der Zeit auf der Suche nach einem guten Buch für die Vorbereitung auf meinen Chinaaufenthalt war, habe ich mir dieses Buch ausgeliehen.  Kurz danach habe ich im Internet nach den Leserstimmen zu diesem Buch recherchiert und war von der Bandbreite der Meinungen überrascht. Von sehr gut bis enttäuscht, alles war dabei. Neugierig habe ich die erste Seite aufgeschlagen.

Autoren:

Die Autoren sind in beiden Kulturen zu Hause. Sie haben mit vielen Chinesen in China und in Deutschland gesprochen, um zu erfahren, wie sie die Deutschen einschätzen.

Yu-Chien Kuan wurde 1931 in Kanton geboren. Nach einer dramatischen Flucht aus dem China der Kulturrevolution fand er 1969 seine zweite Heimat in Deutschland. Er promovierte an der Universität Hamburg und lehrte dort Sinologie. In China gehört Kuan zu den anerkannten Fachleuten für europäische Fragen, in Deutschland zu den bekanntesten Vermittlern chinesischer Kultur.

Petra Häring-Kuan, geboren 1950, lernte 1970 den Chinesen Kuan Yu-Chien kennen. Sie gab ihren Wunsch, Medizin zu studieren, auf und entschied sich für Sinologie. Sie beschäftigte sich intensiv mit der Sprache, der Literatur sowie traditioneller chinesischer Medizin. Studienaufenthalte in der VR China und in Taiwan vertieften ihre Kenntnisse und machten sie zu einer profunden Kennerin Chinas. Sie lebt heute als Autorin und Dolmetscherin für Chinesisch und Englisch in Hamburg und in Shanghai.

Bibliographie

Petra Häring-Kuan: Chinesisch für Anfänger

Petra Häring-Kuan: Meine chinesische Familie

Yu-Chien Kuan; Petra Häring-Kuan: Der Chine-Knigge

Yu-Chien Kuan; Petra Häring-Kuan: Die Langnasen

Yu-Chien Kuan; Petra Häring-Kuan: Pulverfass China

Yu-Chien Kuan: Mein Leben unter zwei Himmeln

Aufbau:

Das Buch ist 25 kurze, inhaltlich nicht miteinander zusammenhängende Kapitel aufgeteilt, die in Form von persönlichen Eindrücken bzw. Statements  der Chinesen auf eine sehr persönliche teilweise sehr unterhaltsame  Weise  die Erfahrungen und Eindrücke beschreibt, welche Chinesen mit und von den Deutschen haben. Diese persönlichen Erfahrungsberichte stammen von den chinesischen Studierenden in Deutschland, den chinesischen Geschäftsleuten aber auch von den chinesischen Diplomaten, die eine lange Zeit in Deutschland verbracht haben. Diese Kurzberichte zeigen Deutsche und Chinesen im persönlichen Miteinander, als Paare und in der Familie, aber auch im wirtschaftlichen, beruflichen und öffentlichen Leben.  Die persönlichen Meinungen und Erfahrungen der Chinesen mit den Deutschen werden durch historisches und politisches Wissen zu den deutsch-chinesischen Beziehungen ergänzt.

Inhalt:

Die Autoren haben viele Chinesen zum Thema „ Die Deutschen“  befragt. Was dabei rausgekommen ist, sind die Meinungen, persönliche Erfahrungen und Statements darüber, was ist typisch Deutsch, was die Chinesen an den Deutschen mögen, bewundern und was sie komisch finden. Der Leser erfährt aber auch, was die Chinesen an den Deutschen ärgert  oder staunt. Auf diese interessante Weise beleuchten die Autoren das Bild, was die Chinesen von den Deutschen haben. Dadurch  erfährt man sehr viel über die Chinesen selbst und ihre Kultur.

Es gibt viele Aussagen über Deutschland und die Deutschen, die sich sehr widersprechen und genau das macht das Buch aus. Es nicht als ein Buch gedacht, was eine einzige Meinung vertritt, sondern versucht, die Bandbreite vieler verschiedener Meinungen und Erfahrungen zu zeigen. Eins ist klar, die Deutschen und die Chinesen sind sehr unterschiedlich. Das wird dem Leser besonders im Kapitel „Was ist typisch deutsch?“  klar. Diese Unterschiede beziehen sich auf die kulturellen Unterschiede in dem beruflichen aber auch im persönlichen Alltag.

Besonders interessant ist der Kapitel: Was ist der Unterschied zwischen den Deutschen und den Chinesen? Hier sind einige Auszüge:

  • Deutschland ist das Land der Gesetze und China das Land der Moral.
  • Deutsche sind nüchtern, Chinesen höflich
  • Deutsche trinken, Chinesen essen
  • Deutsche sind langsam, dafür ordentlich; Chinesen sind flott, aber gern etwas nachlässig
  • Deutsche genießen mit dem Ohr, Chinesen mit der Zunge
  • In Deutschland vertraut man auf den Staat, in China auf die Familie
  • In Deutschland gibt es regeln, in China das persönliche Netzwerk
  • Deutsche kritisieren, Chinesen loben
  • Deutsche stehen Schlange, Chinesen drängeln gern
  • Deutsche lieben die Sonne, Chinesen den Mond
  • Das deutsche Essen schmeckt den Chinesen nicht

Besonders interessant ist der Kapitel „ Oh, ihr Deutschen!“.  In diesem Kapitel erfahren die Leser, was die Chinesen an uns Deutsche  bewundern, was sie an uns lieben, worüber sie staunen, was sie an uns komisch finden und was die an uns ärgert. So wundert sich ein Herr S., Diplomat in Beijing über die Tatsache, dass in Deutschland eine Frau eines Bürgermeisters als eine Kellnerin arbeiten kann. Für die Chinesen ist das Kellnern eine niedere Arbeit und niemals würde eine Frau eines chinesischen Bürgermeisters in einem Restaurant als Kellnerin arbeiten.  Er stellt erstaunt fest, dass die Deutschen sich nicht zu fein fühlen.

Auch die Tatsache, dass ein Bürgermeister, wenn er in einer Bank Geld abheben möchte, sich wie alle anderen geduldig in die Warteschlange einreiht, imponiert einem Herrn Z., einem chinesischen Kaufmann. In China wäre das ausgeschlossen, da würde der Bürgermeister sich vordrängeln und nicht mal ein schlechtes Gewissen haben.

Die viel besagte deutsche Pünktlichkeit wird von den Chinesen sehr gelobt und bewundert. Aber auch unsere Naturverbundenheit und unsere Hilfsbereitschaft fallen den Chinesen positiv auf.

Es gibt auch einiges, worüber die Chinesen staunen. Z.B. stellt Frau W., eine Dolmetscherin, fest, dass man in Deutschland ohne Sportbekleidung keinen Sport treiben kann. Die Chinesen sind da flexibler.

Viele Chinesen wundern sich über die deutsche Reinlichkeit : „So lieben es die Deutschen: alles picobello: der Garten, das Haus, die Küche, die Toilette und das meist von eigener Hand, ohne eine Putzfrau zu haben.“  Die Chinesen nehmen es in dieser Hinsicht nicht so genau oder sie haben Putzfrauen, die damit beauftragt werden.

Herr W., aus Hamburg stellt fest, dass die Deutschen sich sehr gern in Vereinen organisieren. In China gibt es sowas zwar nicht, trotzdem haben die Chinesen ein weit gespanntes Netz sozialer Kontakte.

Die Chinesen finden einiges an uns Deutschen komisch. Das eine ist unsere Disziplin, z.B. bei Rot an der Ampel halten, aber auch die Tatsache, dass es in Deutschland keine runden Preise gibt. 20 EUR sind den Deutschen zu teuer, aber bei 19,99 greifen sie viel lieber zu.

Die Chinesen, die eine längere Zeit in Deutschland leben, wissen Bescheid: n Deutschland lacht man wildfremde Menschen nicht so einfach an. Das ist den Deutschen zu aufdringlich. In China hingegen wäre das ganz normal, man redet sogar ein paar Worte miteinander.

Die Chinesen mögen es nicht, wenn die Deutschen mit dem Finger auf sie zeigen und was von den Menschenrechten erzählen. Denn die Chinesen wissen selbst, wie es damit in China aussieht und wie im Idealfall funktionieren soll. Sie sind der Meinung, dass es uns nicht zu steht, uns darüber große Reden zu halten. Aber da die meisten Chinesen zu höflich sind, sagen sie das nicht. „Dazu müsste man schon ein Deutscher sein“, schreibt Herr Y. Dozent aus Beijing.

Getrenntes Bezahlen ist ein Dauerthema, das von vielen Chinesen immer wieder angesprochen wird und wofür sie einfach kein Verständnis haben. Selbst innerhalb der Familien und zwischen den Lebenspartnern zahlen sie getrennt. Für Chinesen ist ein solches Verhalten unvorstellbar. Es wird als entwürdigend empfunden. So beobachtete Herr S. wie sein deutscher Freund und seine Mutter nach dem Essen getrennt bezahlten. Ihm war es peinlich zuzusehen, dann das wäre in China ganz ausgeschlossen.

Als Leser stellt man ziemlich schnell fest, dass es bei Thema Geld zwischen Chinesen und den Deutschen deutliche Unterschiede gibt und das es manchmal ein Grund für das Scheitern mancher Beziehungen sein kann. So erzählen einige chinesische Studentinnen, dass sie nach einiger Zeit die Beziehung  mit ihren deutschen Freunden beendet haben, da diese pedantische Rechnerei einfach auf die Nerven geht und dass sie das nicht gewohnt sind.

Im Kapitel „Die Deutschen wissen zu wenig über China“ beklagen viele Chinesen, dass das Bild, was in den Medien von China vermittelt wird, nicht der Realität entspricht.  Aber die Deutschen vertrauen blind darauf, was in den Medien steht, anstatt sich selbst eine Meinung bilden. Eine Frau C. aus Wuhan erzählt, dass die Vermieterin ihres Sohnes, der in Deutschland studiert, ihn gefragt hat, ob seine Eltern genug zum Essen habe. Seine Eltern finanzieren sein Studium und statten ihn Taschengeld aus, damit er nicht nebenbei noch arbeiten muss.

Viele Chinesen stellen fest, die die Deutschen den Chinesen gegenüber viele Vorurteile habe, wissen zu wenig über die chinesische Kultur und die chinesische Geschichte, aber dennoch sich pauschale Bemerkungen erlauben, etwas, dass alle Chinesen in der Partei sind oder dass alle Chinesen, die im Ausland sind, das Know-How westlicher Unternehmen stehlen.  Es gibt viele Stimmen, die sagen, dass Deutschland dabei ist, einen seiner größten Freunde und Bewunderer in Asien zu verlieren. Durch solche Artikel wie „Gelbe Spione“  in der Spiegel-Ausgabe aus dem Jahr 2007 oder provozierendes Nichterscheinen der Kanzlerin im Olympia-Stadion während der olympischen Spiele in Beijing sind viele Chinesen verletzt und enttäuscht.

Fazit

In dem Buch werden viele Themen wie Unterschiede zwischen den Chinesen und den Deutschen in der Kindererziehung, Eheleben, beruflichem Alltag und sogar in der Liebe behandelt. Der Leser nach dieser Lektüre hat ein viel  besseres Verständnis für die Chinesen  und die chinesische Kultur. Insgesamt ist ein sehr nützliches Buch für all diejenigen, die viel mit China und den Chinesen zu tun haben (wollen).

Meine Erwartungen an das Buch als eine gute Vorbereitung für meinen China-Aufenthalt wurden erfüllt. Durch direkte Vergleiche und persönliche Meinungen der Chinesen weiß ich mehr über China und die Chinesen. Ich weiß aber auch, mit welchen Stereotypen ich in China rechnen muss, wenn ich sage, ich komme aus Deutschland. Alles in einem, ein gutes Buch, das zur besseren Verständigung zwischen den Deutschen und den Chinesen beiträgt.

 

 

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