Workshop VIII | Chair: Prof. Dr. Peter Reinhold

exemplarische Fragestellungen: Welche Kompetenzen benötigt ein(e) Lehrer/Lehrerin für guten Unterricht bzw. professionelles Handeln in der Schule? Wie lassen sich Kompetenzmodelle der Lehrerbildung entwickeln und welchen Anforderungen sollten die Modelle entsprechen? Wie lassen sich Kompetenzen von Lehrkräften valide diagnostizieren und welche Verfahrensformen sind dafür geeignet?


Schott, Franz & Azizi Ghanbari, Shahram

Modellierung, Diagnose und Vermittlung der Kompetenz von Lehrern, kompetenzorientiert unterrichten zu können

Wir berichten von einer Kompetenzmodellierung, -diagnose und -vermittlung der Kompetenz von Lehrern, kompetenzorientiert unterrichten zu können unter Verwendung eines von uns entwickelten Ansatzes zur Entwicklung von Kompetenzmodellen und Kompetenzdiagnostik (Schott & Azizi Ghanbari, 2008). Die berufliche Gesamtkompetenz von Lehrern umfasst verschiedene Teilkompetenzen wie z.B. Fachkompetenz, Unterrichtskompetenz, soziale Kompetenz. Wir konzentrieren uns hier auf eine wichtige Teilkompetenz, nämlich die Fähigkeit, in dem betreffenden Unterrichtsfach entsprechend der Lehrplanvorgaben die geforderten fachlichen Kompetenzen unterrichtstauglich zu rekonstruieren und dann diese den Schülern zu vermitteln sowie den Lernerfolg kompetenzorientiert zu überprüfen – in anderen Worten: die Fähigkeit der Lehrkraft, ihre Schüler so zu unterrichten, dass diese die Chance haben, während des Unterrichts das zu lernen, was sie nach dem Unterricht können sollen. Diese Fähigkeit nennen wir KLU als Abkürzung für: Kompetenz zum Lehrziel-orientierten Unterricht, denn die jeweiligen den Schülern zu vermittelnden fachlichen Kompetenzen beschreiben ein Lehrziel (aus der Sicht der Lehrkraft) oder ein Lernziel (aus der Sicht des Schülers).Ein unverzichtbares Gütemerkmal des Unterrichts ist seine Effizienz. Ein Unterricht ist in dem Maße effizient, in dem er: (1.) effektiv ist, d.h. den angestrebten Effekt hinreichend erreicht. Dies bedeutet u.a., dass er valide bezüglich des zu vermittelnden Lehrziels, bzw. der zu vermittelnden Kompetenzkurz lehrzielvalide – ist, d.h., dass die Schüler nach dem Unterricht die jeweils angestrebte fachliche Kompetenz möglichst in dem geforderten Kompetenzgrad beherrschen; und (2.) Ressourcen-schonend ist, d.h., dass der Unterricht seine Ziele mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis ohne schädliche Nebenwirkungen erreicht. Wenn alle Empfehlungen der modernen Lehr-Lern-Forschung wie etwa hohe Motivation der Schüler, problemorientiertes, kooperatives, situiertes Lernen usw. im Unterricht perfekt realisiert werden, aber die Lehrzielvalidität verfehlt wird, dann war der Unterricht umsonst, was die zu vermittelnde fachliche Kompetenz betrifft. Insofern ist die Lehrzielvalidität eine notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung eines output- und kompetenzorientierten Unterrichts und KLU eine unverzichtbare Kompetenz von Lehrkräften, einen solchen Unterricht zu realisieren. KLU wird allerdings u. E. in der Lehrerbildung viel zu wenig gefördert. Um diesen Mangel zu begegnen, entwickeln und erproben wir seit Jahren eine theoretisch fundierte und praktisch erprobte Konzeption zur Förderung von KLU, die wir ebenfalls „KLU“ nennen. „KLU“ wurde durch systematische Auswertung von zahlreichen Lehrveranstaltungen zu KLU, Schulversuche und Evaluationsstudien praktisch erprobt.


Greimel-Fuhrmann, Bettina

Identifikation und empirische Erfassung von Kompetenzen für den Unterricht

Der Beitrag klärt die Frage, wie für ein bestimmtes Unterrichtsfach wesentliche Kompetenzen der Lehrenden für gute Unterrichtsgestaltung identifiziert werden können. Darüber hinaus wird anhand von konkreten Beispielen für den Rechnungswesenunterricht gezeigt, wie diese Kompetenzen empirisch erfasst werden können.
Eingangs wird die grundsätzliche Frage diskutiert, wie man guten Unterricht definieren kann, und eine Begriffsklärung im Sinne von effektivem, d.h. lernzielerreichendem Unterricht vorgenommen. Die Identifikation der Kompetenzen erfolgt auf theoretischer und empirischer Grundlage: Als theoretische Basis dient ein für das konkrete Unterrichtsfach geeignetes Unterrichtsmodell. Im Falle des Rechnungswesenunterrichts werden die Prinzipien des Unterrichtsmodells der Direkten Instruktion herangezogen, eine Entscheidung, die lernpsychologisch begründet wird, jedoch nicht den Anspruch erhebt, die einzige adäquate theoretische Grundlage darzustellen. Als empirische Basis werden die Befunde der Lehr-Lernforschung, insbesondere der Prozess-Produkt-Forschung analysiert. Die gemeinsame Betrachtung der theoretischen Überlegungen und der empirischen Befunde zeigt, dass zu allen Prinzipien des Unterrichtsmodells der Direkten Instruktion entsprechende empirische Befunde vorliegen, die die Lernwirksamkeit belegen. Die empirischen Ergebnisse ermöglichen darüber hinaus Aussagen dazu, durch welche spezifischen Lehrverhaltensweisen sich die einzelnen Kompetenzen der Lehrenden im Unterricht manifestieren. Ein wesentliches Prinzip des Unterrichtsmodells der Direkten Instruktion besteht zum Beispiel in der strukturierten und verständlichen Darstellung der Unterrichtsinhalte. Die empirischen Ergebnisse zeigen auf, wie die Strukturierung und die verständliche Vermittlung von Inhalten den Lehrkräften im Unterricht gelingen können.
Die aus diesem Prozess resultierenden Lehrverhaltensweisen werden schließlich den subjektiven Unterrichtstheorien von Lernenden und Lehrenden im Rechnungswesenunterricht gegenübergestellt, um die Spezifika des Unterrichtsfachs stärker zu berücksichtigen. Auch in diesem Analyseschritt werden keine Widersprüche gefunden, vielmehr zeigt sich, dass sowohl die Lehrer/innen als auch die Schüler/innen zur Beschreibung von gutem Unterricht ähnliche Kategorien verwenden wie jene, die auf Grund der bereits vorgenommenen theoretischen und empirischen Analyse als relevant für guten (im Sinn von lernzielerreichenden) Unterricht identifiziert worden sind.
Ergebnis des gesamten Prozesses ist eine Liste von 37 Lehrverhaltensitems, die eine Beurteilung von Lehrverhaltensweisen und damit der zugrunde liegenden Kompetenzen der Lehrenden erlauben.


Lehmann-Grube, Sabine K

Qualitative, quantitative und experimentelle Zugänge zur Modellierung beruflicher Kompetenzen von Lehrkräften

Anhand ausgewählter Forschungsarbeiten zu Vorläuferthemen der Kompetenzmodellierung in der Lehrerbildung aus dem Bereich der Psychologie werden spezifische Beiträge qualitativer, quantitativer und experimenteller Ansätze zur Entwicklung des Forschungsfeldes diskutiert. Dabei wird herausgearbeitet, welche Rolle der methodologische Zugang für den jeweiligen Beitrag zur Theorie- und Modellentwicklung gespielt hat und inwiefern der Zugang die Theorie- und Modellentwicklung vorstrukturiert.
Als wichtige Stationen in der Entwicklung des Forschungsfeldes zu beruflichen Kompetenzen von Lehrkräften werden folgende Themen betrachtet: (1) Verhaltens- bzw. Handlungsmuster erfolgreicher Lehrkräfte im Vergleich zu weniger erfolgreichen Lehrkräften; (2) Lehrerkognitionen, z.B. Schülertypisierungen; (3) Lehrer„gedanken“ im Sinne komplexer Konzept- und Argumentationsstrukturen (z.B. Planungsgedanken) und Überzeugungssysteme; (4) handlungssteuernde Funktionen kognitiver Strukturen; (5) Komponentenmodelle der Lehrerkompetenz, des Lehrerhandelns und der Wirkungen bzw. Qualitätskriterien im Schülerhandeln; (6) Kompetenzen und Unterrichtsmuster und ihre Wirkung auf Lernprozesse in spezifischen Kontexten (Domänen und Lehr-Lern-Methoden); (7) Entwicklung, Erwerb und Training von Lehrerkompetenzen. Dabei zeigt sich, dass Stagnation in der Theorie- und Modellentwicklung die Zuwendung zu qualitativen Zugängen anzuregen scheint und die Ergebnisse qualitativer Arbeiten unter bestimmten Voraussetzungen der Theorie- und Modellentwicklung neue Richtungen geben können, während quantitativ-deskriptive und modellierende Arbeiten eher umfassende Zusammenhangsmuster elaborieren und experimentelle Arbeiten durch Fokussierung ausgewählter Theorie- und Modellkomponenten die Ausdifferenzierung besonders vorantreiben.


Urban, Wilhelm

Heuristische Kompetenz en détail - Die Theorie der personalen Ressourcen und der Umgang mit Komplexität und Unbestimmtheit, bzw. die Theorie der Kompetenzbedingungen

Auf der Basis zahlreicher empirischer Untersuchungen zur Lehrkompetenz und zu Belastungen im Lehrberuf wurde die Theorie der personalen Ressourcen für den Umgang, die Bewältigung und Lösung (komplexer) Probleme in sozialen Situationen“ entworfen. Es ist eine Theorie der individuellen Kompetenzentwicklung in Ausbildung und Beruf; sie geht von der Annahme aus, dass auf der Basis personaler – latenter – Hintergrundbedingungen spezifische Lernprozesse mehr oder weniger optimal bzw. nicht optimal ablaufen (Kompetenzen werden z.B. nicht weiterentwickelt). In dieser Theorie wird auch davon ausgegangen, dass auch Unterrichten die Lösung eines komplexen Problems darstellt und damit ebensolche personale Ressourcen und Kompetenzen voraussetzt.
In einem kurzen 1. Teil meiner Ausführungen wird die Beziehung zwischen Komplexität und Heuristischer Kompetenz (Umgang mit Komplexität und Unbestimmtheit) analysiert und die Folgen misslungener komplexer Problemlösungen dargestellt.

Die eigentliche Untersuchung zur erwähnten Theorie analysiert die Beziehungen zwischen 3 Variablenbündeln:
- Persönlichkeitsmerkmale (10 Skalen)
- erlebte Belastungszustände in der Unterrichtspraxis (4 Skalen) und
- die Heuristische Kompetenz in diesem Netzwerk (3 Skalen).
Die Stichprobe besteht aus 338 Probanden aus 6 Pädagogischen Hochschulen in Österreich.
Die 3 Skalen zur Heuristischen Kompetenz wurden folgendermaßen operationalisiert:
- Präferenz für Ungewissheit und Komplexität/Irritierung durch Unbestimmtheit
- Wettbewerbsorientierung/bzw. deren Ablehnung sowie
- Organisationskompetenz.
Sie sind eine Eigenentwicklung des Autors, ebenso die 4 Belastungsskalen und 5 Variablen zur Erfassung von Persönlichkeitsstrukturen.
Mit Hilfe multivariater personenbezogener (d.h. nicht korrelativer) Auswertungen werden – überraschend deutlich – Netzwerke bzw. Strukturen sichtbar, welche die herkömmlichen Ansätze (Prädiktoren - Kriterien) überschreiten. Die Befunde werden größtenteils graphisch dargestellt und in ihrer Relevanz für den „Ausbildungsraum“ diskutiert. Als Quintessenz zeigt sich, dass jene Persönlichkeitsvariablen, die in früheren Untersuchungen für die Realisierung eines qualitätsvollen Unterrichts maßgebend waren, durch die Heuristische Kompetenz ergänzt werden - und zwar dann, wenn künftige Lehrer mit Belastungen im Schulbetrieb – z. B. auf der Basis relevanter Copingstrategien - umgehen können. Die Realisierung heuristischer Kompetenz ist zur mangelhaften Belastbarkeit von (künftigen) Lehrern kontraindiziert. Einfacher formuliert: Qualitätsvoller Unterricht wird sowohl von spezifischen Persönlichkeitsfaktoren verbunden mit Heuristischen Kompetenz wahrscheinlicher - vorausgesetzt, dass der Lehrer nicht von diversen Irritierungen, emotionalen Befindlichkeiten…beeinträchtigt, vielleicht sogar überwältigt wird. Mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells werden die - einigermaßen überraschenden - Beziehungen zwischen den 3 Variablenbündeln erklärt. Desgleichen werden - personenorientiert - spezifische Reaktionsmuster als Hauptresultat in den Betrachtungshorizont gerückt.


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