Der Mensch selbst ist das bedrohlichste, was ihm je wiederfahren ist! – Society Club tech talk

Die Wissenschaftler beantworten Publikumsfrage.

Die Wissenschaftler beantworten Publikumsfrage.

Vergangenen Mittwoch hat die Debating Society Paderborn (DSP) einen Society Club TechTalk zum Thema künstliche Intelligenz veranstaltet. Kernfrage war, ob künstliche Intelligenz die Grundlagen unserer Existenz bedroht. Dazu wurden die renommierten Wissenschaftler Dr. Andrea Soltoggio (Informatiker, Loughborough University) und Dr. Florian Muhle (Techniksoziologe, Universität Bielefeld) eingeladen. Nach einem kurzen Impulsvortrag standen diese dann dem Publikum Rede und Antwort zu diesem, für viele schwierig greifbaren, Thema. 60 Zuschauer haben an diesem interessanten und thematisch heißdiskutierten Event teilgenommen.

Die Moderation Jessica Gross und Maximilian Erdmann leiten durch den Abend.

Die Moderation Jessica Gross und Maximilian Erdmann leiten durch den Abend.

Dr. Andrea Soltoggio

Dr. Andrea Soltoggio.

Dr. Florian Muhle

Dr. Florian Muhle

Gerade ist bekannt geworden, dass ein selbstfahrendes Tesla-Auto vor drei Monaten einen tödlichen Unfall verursachte – ein idealer Ausgangspunkt, um sich bewusst zu werden, wie real künstliche Intelligenz bereits ist. Wider Erwarten warnte Herr Soltoggio nach seinem Vortrag vor der künstlichen Intelligenz – und Herr Muhle blickte positiv in die die Zukunft dieser Technik. KI birgt die Gefahr, dass wir unsere Intuition aufgäben, so Soltoggio. Schon heute wüssten KI-Systeme mehr und genauer über uns Bescheid, als wir selbst oder andere Menschen. Beispielsweise würden sie bereits für die Berechnung der Kreditwürdigkeit eingesetzt – mit kalter Sachlichkeit und emotionsloser Präzision. Herr Muhle blieb aber gelassen und verglich diese neue Technologie mit der Industriellen Revolution, die, wie heute auch, die Menschen damals fürchten ließ, sie würden überflüssig und lediglich Teil großer Automatismen werden. Er stellte klar, dass gesellschaftliche Entwicklung keinesfalls eine Einbahnstraße von Seiten der Technik sei. Vielmehr beeinflussten sich Technik, Gesellschaft und Wissenschaft stets gegenseitig. Und so würden auch wir diejenigen sein, die der dominante Part im Umgang mit der neuen KI blieben und nicht umgekehrt.

Der anschließende Dialog wurde zunächst damit begonnen, die Redner nach ihrer persönlichen Begeisterung für diese Thematik zu fragen. Neben der großen Bedeutung für unsere Zukunft war es auch die anthropologische Frage nach dem Menschen selbst, die die Wissenschaftler zur Erforschung dieses Feldes brachte – KI lasse uns mehr über uns selbst verstehen. Das Publikum fragte sich unter anderem, wie künstliche Wesen juristisch zu verstehen seien. Um das eingangs genannte Beispiel noch einmal zu bemühen: Wer trägt nun die Schuld an dem Tod eines Menschen durch ein selbstfahrendes Auto? Der Fahrer, der seine Aufsichtspflicht vernachlässigt hat; der Hersteller, der ein fehlerhaftes Produkt hergestellt hat; vielleicht sogar der jeweilige Programmierer, der eine nicht so intelligente künstliche Intelligenz geschaffen hat; oder ist es vielleicht das Auto selbst, dessen Bestrafung ohne künstliche Emotion aber wenig Genugtuung verschaffen würde? Genau hier sei der Punkt, so Muhle, an dem sich die Geister scheiden würden und selbst Philosophen und Juristen keine eindeutige Antwort lieferten. Soltoggio warf ein, dass, würde die diese Frage jetzt beantwortet, autonome Automobile in kürzester Zeit in Deutschland den kompletten Verkehr übernehmen könnten.

Das Setting.

Das Setting.

Außerdem fragte sich das Publikum, was mit ihrem Einkommen geschehe, wenn Roboter in der Lage wären, fortan alle Jobs der Menschen zu übernehmen. Die Arbeit würde geleistet und Einkommen nur bei denjenigen generiert, die sich Roboter leisten könnten. Hier antworteten unsere Experten, dass wir einerseits weit von echter, künstlicher Kreativität entfernt seien, andererseits würden sich – wie in der Industriellen Revolution – neue Jobs erfinden. Die Wissenschaftler waren sich sicher, dass das Leben angenehmer, nicht schwieriger würde.

Das Publikum lauscht interessiert.

Das Publikum lauscht interessiert.

Selbstverständlich kann eine solche Diskussion nicht ohne den Terminator auskommen. So warf ein Zuschauer die automatisierte Kriegsführung mit Drohnen und Rucksackrobotern auf, die schon jetzt, zum Teil auch autonom, Menschenleben nähmen. Größter Sponsor der Erforschung seien neben Wirtschaftsriesen wie Apple und Google auch alle Militärs. Der Vorteil liege klar auf der Hand, so die beiden Gäste: Kein eigenes Menschenleben mehr zu gefährden und die Gegner technisch zu überrennen hat für jedes Militär einen unübertroffenen Charme. Doch der komplett autonome Terminator sei natürlich in niemandes Interesse. Denn dieser könne sich schließlich auch gegen die eigenen Leute stellen. Sowieso sei der Mensch selbst das bedrohlichste, was ihm je widerfahren sei. So sind wir wieder an dem Punkt, dass es uns nicht wirklich darum gehe, künstliches Leben mit eigener Entscheidungsgewalt zu erschaffen, sondern Maschinen, die dem Menschen klug dienen.

Das Publikum diskutiert.

Das Publikum diskutiert.

Nach vielen weiteren Fragen, wurde allen bewusst, wie viel mehr wir doch über uns selbst gelernt haben. Dass wir mit der Erforschung der KI mehr über den Menschen lernen, wurde eingangs noch als eines der plakativsten und vielleicht plattesten Argumente genannt, doch es füllte sich am Ende doch mit konkretem Inhalt. Die Technik zu entwickeln ist die eine Sache – und wir sind sehr weit damit. Der Umgang mit künstlicher Intelligenz und die Antwort auf die Frage, wie wir uns unser eigenes Leben damit vorstellen, stellt uns aber vor eine große, vielleicht viel größere Herausforderung.

Beim anschließenden kleinen, selbstgemachten Imbiss hatten alle noch die Möglichkeit, ungeklärte Fragen anzusprechen und die Wissenschaftler und andere Zuschauer persönlich kennenzulernen.

Fotogallerie

 

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