Kommentar: Ja, die AfD gehört dazu – ob wir wollen oder nicht

Im Vorfeld zu unserer Veranstaltung zur Bundes- und NRW-Landtagswahl 2017 erhob sich einiger hitziger Widerstand hinter den Kulissen. Dürfe man einer rechtspopulistischen Partei¹ eine Bühne bieten? Warum es richtig war, die AfD zu dieser Debatte einzuladen, versuche ich im folgenden Kommentar auszuführen.

Wir leben in einer Demokratie. Dieser so kleine Satz trägt große Rechte und Pflichten in sich. So unter anderem die Rechte, sich frei äußern und auch den Schutz seiner eigenen Meinung genießen zu können, solange diese sich nicht mit dem Grundgesetz beißt. Gleichsam auch die Pflicht, die Meinungen anderer Menschen auszuhalten. Auch in Bezug auf unser politisches System ergibt sich aus dem Begriff der Demokratie eine klare Weisung: Sprecht miteinander. Gerade als Debating Society Paderborn sind wir uns der Bedeutung des öffentlichen Diskurses, der Debatte, sehr bewusst. In einem abgesteckten Rahmen sollen hier verschiedene Meinungen aufeinandertreffen, und sich auf Basis demokratischer Grundprinzipien argumentativ gestritten werden, um dem Zuschauer eine Möglichkeit zu bieten, sich eine eigene Meinung zu bilden. Es liegt in der Natur der Debatte, dass hier nicht jede Meinung der des Zuschauers oder gar des Veranstalters entspricht. Doch das muss sie auch nicht.

Immer wieder hört man davon, dass gefordert wird, der AfD keine Bühne für ihre rechtspopulistischen Aussagen zu bieten. Aber warum eigentlich nicht? Wovor haben die Menschen Angst? Nehmen wir nur unsere Debatte als Beispiel: egal was der Abgeordnete der AfD sagte, der Applaus war entweder extrem verhalten oder die Aussagen wurden sogar mit Buh-Rufen kommentiert. Damit formte sich im Publikum ein demokratischer Widerstand; ja, wir lassen euch reden und ihr könnt uns gerne eure Argumente vortragen. Das ist euer gutes Recht. Aber nein, wir haben unsere Werte und Einstellungen, und zeigen diese auch offen gegen eure Aussagen. Wir sollten aufhören, die AfD zu mystifizieren und den Aussagen ihrer Politiker*innen magische Verführungsmacht zuzusprechen. Denn die haben sie nicht.

Fakt ist, dass die AfD eine der wirkmächtigeren Parteien derzeit ist – das geht unter anderem aus aktuellen Umfragen hervor, bei denen die AfD zwischen 10 und 15 Prozent bundesweit liegt. Die veranstaltete Debatte sollte auf die kommenden Wahlen vorbereiten – Interesse wecken, die Möglichkeit des Fragens eröffnen, und die Zuschauer ihre eigene Position auf Basis der Politiker abklopfen lassen. Hier wäre es nicht zielführend, eine offizielle Partei mit so großer Reichweite von der Debatte auszuschließen. Was bei den Vorwürfen anscheinend immer gerne vergessen wird und wurde: das war keine Werbeveranstaltung von und für die AfD. Die Veranstalter luden ganze sechs Parteien ein, von denen die AfD eben nur eine war. Damit hatten fünf weitere Politiker*innen die Möglichkeit, die Argumente der AfD zu entkräften, was sie im Laufe der Debatte auch regelmäßig machten. Sollte es nicht vielmehr unser Ziel sein, den Populismus aufzudecken und zu entkräften, anstatt diese Aussagen im Untergrund brodeln zu lassen, während man sie im öffentlichen Diskurs einfach verdrängt und verschweigt? Nehmen wir so einer Partei, die sich gerne selbst als Opfer stilisiert, nicht auch ein wichtiges Werkzeug aus der Hand und nutzen ihre eigene Inhaltsleere, wenn sie denn sprechen können, viel besser gegen sie selbst, als es ein Verdrängen jemals könnte?

Die Debatte fand an einer Universität statt, die nach wie vor das höchste Bildungsinstitut der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Hier versammeln sich angehende Akademiker, die wissenschaftlich gebildet sind, hinterfragen, Belege für Aussagen einfordern. Wo wenn nicht in einer solchen Umgebung kann man reinen Gewissens auch Populisten sprechen lassen? Gerade hier ist doch der perfekte Ort, um sich kritisch mit Argumenten aller Parteien zu befassen und sich nicht durch populistische und/oder haltlose Argumente verführen zu lassen.

Wenn eine solche Debatte selbst an einer Universität nicht mehr möglich sein sollte, dann müssten wir uns ernsthafte Gedanken um Sinnhaftigkeit, Form und Fortbestand unserer Demokratie machen.


Dieser Kommentar gibt die subjektive Meinung des verfassenden Autors wieder und gibt grundsätzlich keine Meinungen von in Zusammenhang stehenden einzelnen Personen, aufgeführten Organisationen oder den Veranstaltern wieder. Nach Rücksprache mit dem Vorstand der Debating Society Paderborn schließt sich diese dem Kommentar jedoch ohne Vorbehalte an.


¹ Die Verwendung des Begriffs des “Rechtspopulismus” in Verbindung mit der AfD gründe ich neben subjektiver Wahrnehmung auch auf die Aussagen des Populismusforschers Frank Decker von der Universität Bonn, der die Bezeichnung für gerechtfertigt hält (Interview mit der FAZ: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-ist-eine-rechtspopulistische-partei-eine-leserdebatte-14339973.html – abgerufen am 13.01.2017) und auch auf eine Stellungnahme der ARD, die zwar von der Bezeichnung abrückt, da die AfD aufgrund ihrer Bekanntheit nicht mehr für den Zuschauer eingeordnet werden müsse, die aber dennoch das Attribut des “Rechtspopulismus” weiterhin für gerechtfertigt hält (Stellungnahme von Kai Gniffke, Chefredakteur der Tagesschau: http://blog.tagesschau.de/2016/10/19/ist-die-afd-rechtspopulistisch/ – abgerufen am 13.01.2017).

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