Pola Reuth

Kool Killer

BRD 1981
5 min
Farbe
Lichtton
16mm
D: Peter Tippelt

KOOLKILLER ist gewidmet

– einem seelenlosen Schönheitskult, wie er schon Leni Riefenstahl wichtiger war als zuweilen mehr als fragwürdiges Arbeitsmaterial
– dem gesundheitlichen Zusammenbruch Jean Vigos infolge des außergewöhnlich rauen Wetters bei den Dreharbeiten zu seinem kommerziell erfolglosen letzten Film
– Der Frage nach einer sinnvollen Filmhandlung, die ebenso selten gelöst worden ist, wie die abstrakten Formprobleme
Katalog Experimentalfilmworkshop Osnabrück 1982.

[…] eine traumhafte Montage von Steinstatuen, Männerkörpern, einem Männerkörper mit Bodybuilder Statur […]
In einer Besprechung las ich ‚Pola Reuth entlarvt die Posen des Heroischen’ – mir scheint das ‚Entlarven’ ebenso ein ‚Affirmieren’, eine Ambivalenz, die wohl nicht nur als Ironie verstanden werden will …
Perthold, Sabine (Hg.): Rote Küsse. Film Schau Buch. Tübingen: konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 1990, S. 205f.

Atemberaubend Kool Killer — ein Experimentalfilm der Frankfurter Filmemacherin Pola Reuth. Er kritisiert seine eigene Widmung: „Kool Killer ist gewidmet einem seelenlosen Schönheitskult, wie er schon Leni Riefenstahl wichtiger war als zuweilen mehr als fragwürdiges Arbeitsmaterial; (…)“ (Programmheft). Die Handlung des 8 Minuten-Films: der Sprung eines muskulösen, sportlich trainierten Mannes vom Fünfmeterbrett ins Schwimmbecken. Die Aufnahme dieses Sprungs ist bearbeitet worden, vom Fernsehen und, in slow motion, vom Schneidetisch abgefilmt — das Spiel mit den Effekten verschiedener Medien ist Formprinzip des Films. Bewußtsein darüber, in der Situation eines Medienrezipienten zu sein, radikalisiert die Tonspur: Aufnahmen von Live-Konzerten der Stones, aber nicht die Songs, sondern das Toben des Publikums zwischen den Nummern, aufgepeitscht von Mick Jagger. ,,People see you! Yeah, people see you!“ Überhöht die narzistische (sic!) Sammlung des Bodybuilding-Mannes vor dem Sprung und vernichtet durch das ironische Zusammenspiel von Bild und Ton ihre Wirkung. Zerfall heroischer Rhetorik: der im Ansatz dreimal angehaltene Sprung.
Der ständig gegenwärtige Applaus kann nicht als Ausdruck gelöster Energie mißkannt werden, das Konfektionelle pointiert die ‚Bebilderung’ des Publikums — Mannequins und Dressmen, aus Warenhauskatalogen reproduziert.
Weiteres Spiel mit dem Szenarium von Virilität etabliert den politischen Kontext des „seelenlosen Schönheitskultes“ über die psychologische Begründung des Narzismus hinaus. Diaaufnahmen weißer Marmorstatuen, Sportler in verschiedenen Posen, aus dem Mussolini-Stadion bei Rom. Überblendungen: der Held des Films stellt diese Posen nach, mit einem Tennisschläger, einem Paar Skiern, einem Diskus — aber es ist kein Diskus, sondern ein Frisbee, das er weich und spielerisch aus dem Bild gleiten läßt. Die elegante Sequenz verleugnet nicht die Faszination des Körperkults, im libidinösen Umgang mit der sonnenwarmen Haut etwa. Sie verflüchtigt diesen Affekt aber auch: der Mann steht auf einem Hügelkamm, die Kamera sieht zu ihm auf — Tarzan, ein absurder He¬ros im Dreieckshöschen aus Leopardenimitat.
Der Film deckt den Zusammenhang auf zwischen faschistischer Ästhetisierung — anstelle der Aufnahmen aus dem Mussolini-Stadion hätten auch Bilder aus Leni Riefenstahls Olympia Fest der Völker, Fest der Schönheit stehen können; der Inszenierung von Massenhysterie in Rockkonzerten — Mick Jagger liegt Leni Riefenstahl zu Füßen, der Rockheros David Bowie hat eine Schwäche für Adolf Hitler: „Sympathy for the Devil“; und den Männlichkeitskult in Institutionen von Bodybuilding und Sport.
Die Erscheinungsweisen heroischer Natur sind durch und durch synthetisch, ihr Gemeinsames ist die Gewalt der Medien. Sie wird in dieser filmischen Mischung von Reizen der Männlichkeit ‚effeminiert’. Keine Molle mit Korn, sondern — Singapore Sling.
Heide Schlüpmann, Karola Gramann: „Internationale Filmwoche Mannheim 1981“. In: Frauen und Film, Heft 31, Berlin: Rotbuch Verlag, 1982, S. 39-41, hier: S. 40f.

Programmreihe: Internationale kurze Dokumentarfilme
Die 14. frankfurterfilmschau präsentiert Programme mit internationalen Dokumentarkurzfilmen. Die Filme bewegen sich an Rändern und gesellschaftlichen Nischen, spüren Outlaws und Freaks nach und denen, die immer zu kurz kommen und eigentlich gar nicht zählen. Zuweilen wird vor der Kamera spektakuläres verhandelt: Zeitzeugen aufgerufen, Anklage erhoben und dagegen gehalten, es kommt zu leidenschaftlichen Plädoyers, Wertungen werden vorgenommen und Urteile gefällt. Ein breites Spektrum interessanter filmischer Formen und Inhalte soll durch die Auswahl der Filme garantiert sein.
Ergänzend stellt die frankfurterfilmschau in Zusammenarbeit mit verschiedenen Dokumentarfilmfestivals wie z.B. dem Dokumentarfilm Festival München, dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, der Duisburger Filmwoche oder dem International Documentary Filmfestival Amsterdam aktuelle kurze Dokumentarfilmprogramme zusammen.
Eine historische Programmreihe mit experimentellen Dokumentarfilmen Kino Prawda/Direct Cinema vervollständigt das aktuelle Programm. Hier sollen Filme aus den wichtigsten filmischen Epochen der 20er Jahre bis hin zur Moderne gezeigt werden, die sowohl den Dokumentarfilm als auch die Avantgarde geprägt haben.
In dieser Tradition entstanden in den 70er, 80er und 90er Jahren Filme in Hessen in den Filmklassen des Städel, der HfG in Offenbach und in ihrem Umfeld. Pola Reuth montiert in „Kool Killer“ athletische Körper von Sportlern auf satirische Weise mit Statuen der Antike. Der Film erinnert an die konstruktivistische Tradition der Kino-Prawda. Einzelbildmontierte Filme von Roland Krüger („Chicago“) und Filme von Wilhelm Orlopp („What’s Your Name?“, der aus kurzen Einstellungen montiert ist), können eher mit der Tradition der Neuen Sachlichkeit in Verbindung gebracht werden. Die Filme sind formal durch Rhythmus und Bewegung gestaltet. Karsten Bott beobachtet (vergleichbar der amerikanischen Avantgarde der 60er Jahre) in seinem Film „Tag und Nacht“ mit starrer Kameraeinstellung und Einzelbildaufnahmen in einem Zeitraum von drei Jahren kontinuierlich das Leben einer Frau auf ihrem Balkon. In den ca. 3 minütigen Kamerafilmen von Helga Fanderl dominiert die Farbe. Die Filme „analysieren“ jeweils einen „Gegenstand“, ein Schloß, einen Platz oder z.B. einen Pfau und eine Taube. Gunter Deller verfremdet seine Dokumentaraufnahmen, indem er mit Doppelbelichtungen arbeitet. So entstehen „zufällige“ Sinn- und Bewegungszusammenhänge.
In vier Programmen soll ein filmischer Bogen von den 20er Jahren bis in die 90er Jahre gespannt werden.
14. Frankfurter FIlmschau 1999

Aufführungen
14. Frankfurter Filmschau 1999
Internationale Filmwoche Mannheim 1981

Festivals
Osnabrück 1982
Oberhausen 1982

Preise
Experimentalfilmpreis der Filmjournalisten in Oberhausen 1982